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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Da hörte er einmal wie drei Riesen sich schlu-
gen, und rief ihnen zu: "Gott sey mit euch!"
Sie hielten bei dem Ruf inne, als sie aber nie-
mand sahen, fingen sie wieder an sich zu schlagen
und das zwar ganz gefährlich. Da sprach er wie-
der: "Gott sey mit euch!" sie hörten wieder auf,
guckten sich um, weil sie aber niemand sahen,
fuhren sie auch wieder fort, sich zu schlagen. Da
sprach er zum drittenmal: "Gott sey mit euch!"
und dacht', du mußt doch sehen, was die drei vor-
haben, ging hin und fragte sie, warum sie so auf
einander losschlügen. Da sagte der eine, er hätt'
einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine
Thür schlüge, so spränge sie auf; der andere sagte,
er hätte einen Mantel gefunden, wenn er den
umhinge, so wär' er unsichtbar; der dritte aber
sprach, er hätte ein Pferd gefangen, mit dem
könnte man den gläsernen Berg hinaufreiten. Da
sprach der Mann: "für die drei Sachen will ich
euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber
andere Dinge, die noch mehr werth sind; doch
muß ich sie vorher probiren, damit ich sehe, ob
ihr auch die Wahrheit gesagt habt." Da ließen
sie ihn auf's Pferd sitzen, hingen ihm den Man-
tel um und gaben ihm den Stock in die Hand,
und wie er das alles hatte, konnten sie ihn nicht
mehr sehen und er prügelte sie durch und durch,
rief: "nun, seyd ihr zufrieden?" und ritt den
Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das

Da hoͤrte er einmal wie drei Rieſen ſich ſchlu-
gen, und rief ihnen zu: „Gott ſey mit euch!“
Sie hielten bei dem Ruf inne, als ſie aber nie-
mand ſahen, fingen ſie wieder an ſich zu ſchlagen
und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da ſprach er wie-
der: „Gott ſey mit euch!“ ſie hoͤrten wieder auf,
guckten ſich um, weil ſie aber niemand ſahen,
fuhren ſie auch wieder fort, ſich zu ſchlagen. Da
ſprach er zum drittenmal: „Gott ſey mit euch!“
und dacht’, du mußt doch ſehen, was die drei vor-
haben, ging hin und fragte ſie, warum ſie ſo auf
einander losſchluͤgen. Da ſagte der eine, er haͤtt’
einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine
Thuͤr ſchluͤge, ſo ſpraͤnge ſie auf; der andere ſagte,
er haͤtte einen Mantel gefunden, wenn er den
umhinge, ſo waͤr’ er unſichtbar; der dritte aber
ſprach, er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem
koͤnnte man den glaͤſernen Berg hinaufreiten. Da
ſprach der Mann: „fuͤr die drei Sachen will ich
euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber
andere Dinge, die noch mehr werth ſind; doch
muß ich ſie vorher probiren, damit ich ſehe, ob
ihr auch die Wahrheit geſagt habt.“ Da ließen
ſie ihn auf’s Pferd ſitzen, hingen ihm den Man-
tel um und gaben ihm den Stock in die Hand,
und wie er das alles hatte, konnten ſie ihn nicht
mehr ſehen und er pruͤgelte ſie durch und durch,
rief: „nun, ſeyd ihr zufrieden?“ und ritt den
Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das

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[61/0082] Da hoͤrte er einmal wie drei Rieſen ſich ſchlu- gen, und rief ihnen zu: „Gott ſey mit euch!“ Sie hielten bei dem Ruf inne, als ſie aber nie- mand ſahen, fingen ſie wieder an ſich zu ſchlagen und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da ſprach er wie- der: „Gott ſey mit euch!“ ſie hoͤrten wieder auf, guckten ſich um, weil ſie aber niemand ſahen, fuhren ſie auch wieder fort, ſich zu ſchlagen. Da ſprach er zum drittenmal: „Gott ſey mit euch!“ und dacht’, du mußt doch ſehen, was die drei vor- haben, ging hin und fragte ſie, warum ſie ſo auf einander losſchluͤgen. Da ſagte der eine, er haͤtt’ einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thuͤr ſchluͤge, ſo ſpraͤnge ſie auf; der andere ſagte, er haͤtte einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, ſo waͤr’ er unſichtbar; der dritte aber ſprach, er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem koͤnnte man den glaͤſernen Berg hinaufreiten. Da ſprach der Mann: „fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die noch mehr werth ſind; doch muß ich ſie vorher probiren, damit ich ſehe, ob ihr auch die Wahrheit geſagt habt.“ Da ließen ſie ihn auf’s Pferd ſitzen, hingen ihm den Man- tel um und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten ſie ihn nicht mehr ſehen und er pruͤgelte ſie durch und durch, rief: „nun, ſeyd ihr zufrieden?“ und ritt den Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/82>, abgerufen am 25.04.2024.