Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

der Gefangene als fort schrie: "ach! hätt' ich doch
meiner Tochter gehört!" und wollte nicht essen
und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten,
sie sollten ihn vor ihn bringen und da fragte der
Herr König, warum er also fort schreie: ach!
hätt' ich meiner Tochter gehört! "Was hat eure
Tocht er denn gesagt?" -- "Ja, sie hat gespro-
chen, ich sollt' den Mörsel nicht bringen, sonst
müßt' ich auch den Stößer schaffen." "Habt ihr
dann so eine kluge Tochter so laßt sie einmal her-
kommen." Also mußte sie vor den König kom-
men; der fragte sie, ob sie dann so klug wäre,
und sagte, er wollt' ihr ein Räthsel aufgeben,
wann sie das treffen könnte, dann wollt' er sie
heir athen. Da sprach sie ja, sie wollt's errathen.
Da sagte der König: "komm zu mir nicht geklei-
det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren,
nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und
wann du das kannst, will ich dich heirathen." Da
ging sie hin, und zog sich aus splinter nackend, da
war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes
Fischgarn und setzte sich hinein und wickelte sich
hinein, da war sie nicht nackend, und borgte einen
Esel für's Geld und band dem Esel das Fischgarn
an den Schwanz, daran er sie fortschleppen mußte,
und war das nicht geritten und nicht gefahren,
und mußte sie der Esel in der Fahrgleiße schlep-
pen, so daß sie nur mit der großen Zehe auf die
Erde kam, und war das nicht in dem Weg und

nicht

der Gefangene als fort ſchrie: „ach! haͤtt’ ich doch
meiner Tochter gehoͤrt!“ und wollte nicht eſſen
und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten,
ſie ſollten ihn vor ihn bringen und da fragte der
Herr Koͤnig, warum er alſo fort ſchreie: ach!
haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt! „Was hat eure
Tocht er denn geſagt?“ — „Ja, ſie hat geſpro-
chen, ich ſollt’ den Moͤrſel nicht bringen, ſonſt
muͤßt’ ich auch den Stoͤßer ſchaffen.“ „Habt ihr
dann ſo eine kluge Tochter ſo laßt ſie einmal her-
kommen.“ Alſo mußte ſie vor den Koͤnig kom-
men; der fragte ſie, ob ſie dann ſo klug waͤre,
und ſagte, er wollt’ ihr ein Raͤthſel aufgeben,
wann ſie das treffen koͤnnte, dann wollt’ er ſie
heir athen. Da ſprach ſie ja, ſie wollt’s errathen.
Da ſagte der Koͤnig: „komm zu mir nicht geklei-
det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren,
nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und
wann du das kannſt, will ich dich heirathen.“ Da
ging ſie hin, und zog ſich aus ſplinter nackend, da
war ſie nicht gekleidet, und nahm ein großes
Fiſchgarn und ſetzte ſich hinein und wickelte ſich
hinein, da war ſie nicht nackend, und borgte einen
Eſel fuͤr’s Geld und band dem Eſel das Fiſchgarn
an den Schwanz, daran er ſie fortſchleppen mußte,
und war das nicht geritten und nicht gefahren,
und mußte ſie der Eſel in der Fahrgleiße ſchlep-
pen, ſo daß ſie nur mit der großen Zehe auf die
Erde kam, und war das nicht in dem Weg und

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="64"/>
der Gefangene als fort &#x017F;chrie: &#x201E;ach! ha&#x0364;tt&#x2019; ich doch<lb/>
meiner Tochter geho&#x0364;rt!&#x201C; und wollte nicht e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ollten ihn vor ihn bringen und da fragte der<lb/>
Herr Ko&#x0364;nig, warum er al&#x017F;o fort &#x017F;chreie: ach!<lb/>
ha&#x0364;tt&#x2019; ich meiner Tochter geho&#x0364;rt! &#x201E;Was hat eure<lb/>
Tocht er denn ge&#x017F;agt?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ja, &#x017F;ie hat ge&#x017F;pro-<lb/>
chen, ich &#x017F;ollt&#x2019; den Mo&#x0364;r&#x017F;el nicht bringen, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
mu&#x0364;ßt&#x2019; ich auch den Sto&#x0364;ßer &#x017F;chaffen.&#x201C; &#x201E;Habt ihr<lb/>
dann &#x017F;o eine kluge Tochter &#x017F;o laßt &#x017F;ie einmal her-<lb/>
kommen.&#x201C; Al&#x017F;o mußte &#x017F;ie vor den Ko&#x0364;nig kom-<lb/>
men; der fragte &#x017F;ie, ob &#x017F;ie dann &#x017F;o klug wa&#x0364;re,<lb/>
und &#x017F;agte, er wollt&#x2019; ihr ein Ra&#x0364;th&#x017F;el aufgeben,<lb/>
wann &#x017F;ie das treffen ko&#x0364;nnte, dann wollt&#x2019; er &#x017F;ie<lb/>
heir athen. Da &#x017F;prach &#x017F;ie ja, &#x017F;ie wollt&#x2019;s errathen.<lb/>
Da &#x017F;agte der Ko&#x0364;nig: &#x201E;komm zu mir nicht geklei-<lb/>
det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren,<lb/>
nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und<lb/>
wann du das kann&#x017F;t, will ich dich heirathen.&#x201C; Da<lb/>
ging &#x017F;ie hin, und zog &#x017F;ich aus &#x017F;plinter nackend, da<lb/>
war &#x017F;ie nicht gekleidet, und nahm ein großes<lb/>
Fi&#x017F;chgarn und &#x017F;etzte &#x017F;ich hinein und wickelte &#x017F;ich<lb/>
hinein, da war &#x017F;ie nicht nackend, und borgte einen<lb/>
E&#x017F;el fu&#x0364;r&#x2019;s Geld und band dem E&#x017F;el das Fi&#x017F;chgarn<lb/>
an den Schwanz, daran er &#x017F;ie fort&#x017F;chleppen mußte,<lb/>
und war das nicht geritten und nicht gefahren,<lb/>
und mußte &#x017F;ie der E&#x017F;el in der Fahrgleiße &#x017F;chlep-<lb/>
pen, &#x017F;o daß &#x017F;ie nur mit der großen Zehe auf die<lb/>
Erde kam, und war das nicht in dem Weg und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0085] der Gefangene als fort ſchrie: „ach! haͤtt’ ich doch meiner Tochter gehoͤrt!“ und wollte nicht eſſen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, ſie ſollten ihn vor ihn bringen und da fragte der Herr Koͤnig, warum er alſo fort ſchreie: ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt! „Was hat eure Tocht er denn geſagt?“ — „Ja, ſie hat geſpro- chen, ich ſollt’ den Moͤrſel nicht bringen, ſonſt muͤßt’ ich auch den Stoͤßer ſchaffen.“ „Habt ihr dann ſo eine kluge Tochter ſo laßt ſie einmal her- kommen.“ Alſo mußte ſie vor den Koͤnig kom- men; der fragte ſie, ob ſie dann ſo klug waͤre, und ſagte, er wollt’ ihr ein Raͤthſel aufgeben, wann ſie das treffen koͤnnte, dann wollt’ er ſie heir athen. Da ſprach ſie ja, ſie wollt’s errathen. Da ſagte der Koͤnig: „komm zu mir nicht geklei- det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wann du das kannſt, will ich dich heirathen.“ Da ging ſie hin, und zog ſich aus ſplinter nackend, da war ſie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fiſchgarn und ſetzte ſich hinein und wickelte ſich hinein, da war ſie nicht nackend, und borgte einen Eſel fuͤr’s Geld und band dem Eſel das Fiſchgarn an den Schwanz, daran er ſie fortſchleppen mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren, und mußte ſie der Eſel in der Fahrgleiße ſchlep- pen, ſo daß ſie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Weg und nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/85
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/85>, abgerufen am 25.04.2024.