Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

du so falsch mit mir, ich will dich nicht mehr zur
Gemahlin, deine Zeit ist rum, geh wieder hin,
woher du kommen bist in dein Bauernhäuschen."
Doch erlaubte er ihr eins: sie sollte sich das
Liebste und Beste mitnehmen, was sie wüßte und
das sollte ihr Abschied seyn. Sie sagte, "ja, lie-
ber Mann, wenn du's so befiehlst, will ich es
auch thun," und fiel über ihn her und küßte ihn
und sprach, sie wollte Abschied von ihm nehmen.
Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen,
Abschied mit ihm zu trinken, der König that einen
großen Zug, sie aber trank nur ein wenig, da gerieth
er bald in einen tiefen Schlaf. Und als sie das
sah, rief sie einen Bedienten und nahm ein schö-
nes weißes Linnentuch und schlug ihn da hinein,
und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen
vor der Thüre tragen und fuhr sie ihn heim in
ihr Häuschen. Da legte sie ihn auf ihr Bettchen,
und er schlief Tag und Nacht in einem fort und
als er aufwachte, sah er sich um und sagte: "ach
Gott! wo bin ich denn?" rief seinen Bedienten,
aber es war keiner da. Endlich kam seine Frau
vor's Bett und sagte: "lieber Herr König, ihr
habt mir befohlen, ich sollte das Liebste und Beste
aus dem Schloß mitnehmen, nun hab' ich nichts
besseres und lieberes als dich, da hab' ich dich mit-
genommen." Der König sagte: "liebe Frau,
du sollst mein seyn und ich dein," und nahm sie
wieder mit ins königliche Schloß und ließ sich auf's

E 2

du ſo falſch mit mir, ich will dich nicht mehr zur
Gemahlin, deine Zeit iſt rum, geh wieder hin,
woher du kommen biſt in dein Bauernhaͤuschen.“
Doch erlaubte er ihr eins: ſie ſollte ſich das
Liebſte und Beſte mitnehmen, was ſie wuͤßte und
das ſollte ihr Abſchied ſeyn. Sie ſagte, „ja, lie-
ber Mann, wenn du’s ſo befiehlſt, will ich es
auch thun,“ und fiel uͤber ihn her und kuͤßte ihn
und ſprach, ſie wollte Abſchied von ihm nehmen.
Dann ließ ſie einen ſtarken Schlaftrunk kommen,
Abſchied mit ihm zu trinken, der Koͤnig that einen
großen Zug, ſie aber trank nur ein wenig, da gerieth
er bald in einen tiefen Schlaf. Und als ſie das
ſah, rief ſie einen Bedienten und nahm ein ſchoͤ-
nes weißes Linnentuch und ſchlug ihn da hinein,
und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen
vor der Thuͤre tragen und fuhr ſie ihn heim in
ihr Haͤuschen. Da legte ſie ihn auf ihr Bettchen,
und er ſchlief Tag und Nacht in einem fort und
als er aufwachte, ſah er ſich um und ſagte: „ach
Gott! wo bin ich denn?“ rief ſeinen Bedienten,
aber es war keiner da. Endlich kam ſeine Frau
vor’s Bett und ſagte: „lieber Herr Koͤnig, ihr
habt mir befohlen, ich ſollte das Liebſte und Beſte
aus dem Schloß mitnehmen, nun hab’ ich nichts
beſſeres und lieberes als dich, da hab’ ich dich mit-
genommen.“ Der Koͤnig ſagte: „liebe Frau,
du ſollſt mein ſeyn und ich dein,“ und nahm ſie
wieder mit ins koͤnigliche Schloß und ließ ſich auf’s

E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="67"/>
du &#x017F;o fal&#x017F;ch mit mir, ich will dich nicht mehr zur<lb/>
Gemahlin, deine Zeit i&#x017F;t rum, geh wieder hin,<lb/>
woher du kommen bi&#x017F;t in dein Bauernha&#x0364;uschen.&#x201C;<lb/>
Doch erlaubte er ihr eins: &#x017F;ie &#x017F;ollte &#x017F;ich das<lb/>
Lieb&#x017F;te und Be&#x017F;te mitnehmen, was &#x017F;ie wu&#x0364;ßte und<lb/>
das &#x017F;ollte ihr Ab&#x017F;chied &#x017F;eyn. Sie &#x017F;agte, &#x201E;ja, lie-<lb/>
ber Mann, wenn du&#x2019;s &#x017F;o befiehl&#x017F;t, will ich es<lb/>
auch thun,&#x201C; und fiel u&#x0364;ber ihn her und ku&#x0364;ßte ihn<lb/>
und &#x017F;prach, &#x017F;ie wollte Ab&#x017F;chied von ihm nehmen.<lb/>
Dann ließ &#x017F;ie einen &#x017F;tarken Schlaftrunk kommen,<lb/>
Ab&#x017F;chied mit ihm zu trinken, der Ko&#x0364;nig that einen<lb/>
großen Zug, &#x017F;ie aber trank nur ein wenig, da gerieth<lb/>
er bald in einen tiefen Schlaf. Und als &#x017F;ie das<lb/>
&#x017F;ah, rief &#x017F;ie einen Bedienten und nahm ein &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nes weißes Linnentuch und &#x017F;chlug ihn da hinein,<lb/>
und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen<lb/>
vor der Thu&#x0364;re tragen und fuhr &#x017F;ie ihn heim in<lb/>
ihr Ha&#x0364;uschen. Da legte &#x017F;ie ihn auf ihr Bettchen,<lb/>
und er &#x017F;chlief Tag und Nacht in einem fort und<lb/>
als er aufwachte, &#x017F;ah er &#x017F;ich um und &#x017F;agte: &#x201E;ach<lb/>
Gott! wo bin ich denn?&#x201C; rief &#x017F;einen Bedienten,<lb/>
aber es war keiner da. Endlich kam &#x017F;eine Frau<lb/>
vor&#x2019;s Bett und &#x017F;agte: &#x201E;lieber Herr Ko&#x0364;nig, ihr<lb/>
habt mir befohlen, ich &#x017F;ollte das Lieb&#x017F;te und Be&#x017F;te<lb/>
aus dem Schloß mitnehmen, nun hab&#x2019; ich nichts<lb/>
be&#x017F;&#x017F;eres und lieberes als dich, da hab&#x2019; ich dich mit-<lb/>
genommen.&#x201C; Der Ko&#x0364;nig &#x017F;agte: &#x201E;liebe Frau,<lb/>
du &#x017F;oll&#x017F;t mein &#x017F;eyn und ich dein,&#x201C; und nahm &#x017F;ie<lb/>
wieder mit ins ko&#x0364;nigliche Schloß und ließ &#x017F;ich auf&#x2019;s<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0088] du ſo falſch mit mir, ich will dich nicht mehr zur Gemahlin, deine Zeit iſt rum, geh wieder hin, woher du kommen biſt in dein Bauernhaͤuschen.“ Doch erlaubte er ihr eins: ſie ſollte ſich das Liebſte und Beſte mitnehmen, was ſie wuͤßte und das ſollte ihr Abſchied ſeyn. Sie ſagte, „ja, lie- ber Mann, wenn du’s ſo befiehlſt, will ich es auch thun,“ und fiel uͤber ihn her und kuͤßte ihn und ſprach, ſie wollte Abſchied von ihm nehmen. Dann ließ ſie einen ſtarken Schlaftrunk kommen, Abſchied mit ihm zu trinken, der Koͤnig that einen großen Zug, ſie aber trank nur ein wenig, da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf. Und als ſie das ſah, rief ſie einen Bedienten und nahm ein ſchoͤ- nes weißes Linnentuch und ſchlug ihn da hinein, und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen und fuhr ſie ihn heim in ihr Haͤuschen. Da legte ſie ihn auf ihr Bettchen, und er ſchlief Tag und Nacht in einem fort und als er aufwachte, ſah er ſich um und ſagte: „ach Gott! wo bin ich denn?“ rief ſeinen Bedienten, aber es war keiner da. Endlich kam ſeine Frau vor’s Bett und ſagte: „lieber Herr Koͤnig, ihr habt mir befohlen, ich ſollte das Liebſte und Beſte aus dem Schloß mitnehmen, nun hab’ ich nichts beſſeres und lieberes als dich, da hab’ ich dich mit- genommen.“ Der Koͤnig ſagte: „liebe Frau, du ſollſt mein ſeyn und ich dein,“ und nahm ſie wieder mit ins koͤnigliche Schloß und ließ ſich auf’s E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/88
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/88>, abgerufen am 25.04.2024.