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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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neue mit ihr vermählen und werden sie ja wohl
noch auf heutigen Tag leben.

9.
Der Geist im Glas.

Es ließ ein Mann seinen Sohn studiren,
wie der ein paar Schulen durchstudirt hatte, konnte
der Vater nichts mehr an ihn verwenden; da ließ
er ihn zu sich kommen und sprach: "du weißt, un-
ser Vermögen ist aufgegangen, ich kann nichts
mehr an dir thun." Da sagte der Sohn: "lie-
ber Vater, macht euch darüber keinen Kummer,
wenn es so ist, da bleib' ich bei euch und will mit
euch gehen und etwas am Malterholz (d. h. am
Zuhauen und Aufrichten) verdienen;" denn der
Vater war ein Taglöhner, und erwarb sein Brot
damit. Der Vater sagte: "ja, mein Sohn, das
soll dir beschwerlich ankommen, ich hab' auch nur
eine Axt und kann dir keine kaufen." "Ei, sagte
der Sohn, geht zum Nachbar, der leiht euch
eine." Also borgte der Vater eine Axt für ihn
und sie gingen miteinander ins Holz und arbei-
teten. Wie sie bis Mittag gearbeitet hatten,
sagte der Vater: "nun wollen wir ein Bischen
rasten und unser Mittagsbrot essen, da geht die
Arbeit hernach noch einmal so frisch." Der Stu-
dent nahm sein Mittagsbrot in die Hand und

neue mit ihr vermaͤhlen und werden ſie ja wohl
noch auf heutigen Tag leben.

9.
Der Geiſt im Glas.

Es ließ ein Mann ſeinen Sohn ſtudiren,
wie der ein paar Schulen durchſtudirt hatte, konnte
der Vater nichts mehr an ihn verwenden; da ließ
er ihn zu ſich kommen und ſprach: „du weißt, un-
ſer Vermoͤgen iſt aufgegangen, ich kann nichts
mehr an dir thun.“ Da ſagte der Sohn: „lie-
ber Vater, macht euch daruͤber keinen Kummer,
wenn es ſo iſt, da bleib’ ich bei euch und will mit
euch gehen und etwas am Malterholz (d. h. am
Zuhauen und Aufrichten) verdienen;“ denn der
Vater war ein Tagloͤhner, und erwarb ſein Brot
damit. Der Vater ſagte: „ja, mein Sohn, das
ſoll dir beſchwerlich ankommen, ich hab’ auch nur
eine Axt und kann dir keine kaufen.“ „Ei, ſagte
der Sohn, geht zum Nachbar, der leiht euch
eine.“ Alſo borgte der Vater eine Axt fuͤr ihn
und ſie gingen miteinander ins Holz und arbei-
teten. Wie ſie bis Mittag gearbeitet hatten,
ſagte der Vater: „nun wollen wir ein Bischen
raſten und unſer Mittagsbrot eſſen, da geht die
Arbeit hernach noch einmal ſo friſch.“ Der Stu-
dent nahm ſein Mittagsbrot in die Hand und

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[68/0089] neue mit ihr vermaͤhlen und werden ſie ja wohl noch auf heutigen Tag leben. 9. Der Geiſt im Glas. Es ließ ein Mann ſeinen Sohn ſtudiren, wie der ein paar Schulen durchſtudirt hatte, konnte der Vater nichts mehr an ihn verwenden; da ließ er ihn zu ſich kommen und ſprach: „du weißt, un- ſer Vermoͤgen iſt aufgegangen, ich kann nichts mehr an dir thun.“ Da ſagte der Sohn: „lie- ber Vater, macht euch daruͤber keinen Kummer, wenn es ſo iſt, da bleib’ ich bei euch und will mit euch gehen und etwas am Malterholz (d. h. am Zuhauen und Aufrichten) verdienen;“ denn der Vater war ein Tagloͤhner, und erwarb ſein Brot damit. Der Vater ſagte: „ja, mein Sohn, das ſoll dir beſchwerlich ankommen, ich hab’ auch nur eine Axt und kann dir keine kaufen.“ „Ei, ſagte der Sohn, geht zum Nachbar, der leiht euch eine.“ Alſo borgte der Vater eine Axt fuͤr ihn und ſie gingen miteinander ins Holz und arbei- teten. Wie ſie bis Mittag gearbeitet hatten, ſagte der Vater: „nun wollen wir ein Bischen raſten und unſer Mittagsbrot eſſen, da geht die Arbeit hernach noch einmal ſo friſch.“ Der Stu- dent nahm ſein Mittagsbrot in die Hand und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/89>, abgerufen am 20.04.2024.