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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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Das hörte der Bräutigam und fragte die Braut, was sie damit sagen wolle. Da erzählte sie ihm, daß das Mädchen ein Kleid von dem Flachs trüge, den sie weggeworfen habe. Wie der Bräutigam das hörte, und ihre Faulheit und den Fleiß des armen Mädchens sah, ließ er sie stehen, ging zu jener und nahm sie zur Frau.

157.
Der Sperling und seine vier Kinder.

Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest; wie sie nun flück sind, stoßen böse Buben das Nest ein; sie kommen aber alle glücklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Söhne in die Welt kommen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet und ihnen gute Lehren fürgesagt habe.

Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die führt er voll Freuden mit sich heim: "ach, meine lieben Söhne, was habt ihr mir den Sommer über Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; höret meine Worte, und folget eurem Vater, und sehet euch wohl vor; kleine Vöglein haben große Gefährlichkeit auszustehn!" Darauf fraget er den ältern, wo er sich den Sommer über aufgehalten, und wie er sich ernährt hätte. "Jch habe mich in den Gärten gehalten, Räuplein und Würmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden." -- "Ach! mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid ist nicht bös, aber es ist große

Das hoͤrte der Braͤutigam und fragte die Braut, was sie damit sagen wolle. Da erzaͤhlte sie ihm, daß das Maͤdchen ein Kleid von dem Flachs truͤge, den sie weggeworfen habe. Wie der Braͤutigam das hoͤrte, und ihre Faulheit und den Fleiß des armen Maͤdchens sah, ließ er sie stehen, ging zu jener und nahm sie zur Frau.

157.
Der Sperling und seine vier Kinder.

Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest; wie sie nun fluͤck sind, stoßen boͤse Buben das Nest ein; sie kommen aber alle gluͤcklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Soͤhne in die Welt kommen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe.

Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die fuͤhrt er voll Freuden mit sich heim: „ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und folget eurem Vater, und sehet euch wohl vor; kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit auszustehn!“ Darauf fraget er den aͤltern, wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er sich ernaͤhrt haͤtte. „Jch habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden.“ — „Ach! mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid ist nicht boͤs, aber es ist große

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[280/0358] Das hoͤrte der Braͤutigam und fragte die Braut, was sie damit sagen wolle. Da erzaͤhlte sie ihm, daß das Maͤdchen ein Kleid von dem Flachs truͤge, den sie weggeworfen habe. Wie der Braͤutigam das hoͤrte, und ihre Faulheit und den Fleiß des armen Maͤdchens sah, ließ er sie stehen, ging zu jener und nahm sie zur Frau. 157. Der Sperling und seine vier Kinder. Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest; wie sie nun fluͤck sind, stoßen boͤse Buben das Nest ein; sie kommen aber alle gluͤcklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Soͤhne in die Welt kommen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe. Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die fuͤhrt er voll Freuden mit sich heim: „ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und folget eurem Vater, und sehet euch wohl vor; kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit auszustehn!“ Darauf fraget er den aͤltern, wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er sich ernaͤhrt haͤtte. „Jch habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden.“ — „Ach! mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid ist nicht boͤs, aber es ist große

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/358>, abgerufen am 19.04.2024.