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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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94.
Die kluge Bauerntochter.

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter 'wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.' Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen: und als sie ihn beinahe herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. 'Hör,' sagte der Vater zu dem Mädchen, 'weil unser Herr König so gnädig ist gewesen, und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.' Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen, und sagte 'Vater, wenn wir den Mörsel haben, und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer schaffen, darum schweigt lieber still.' Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, und trug ihn zum Herrn König, und sagte, den hätte er gefunden in der Heide. Der König nahm den Mörsel, und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? 'Nein' sprach der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt,

94.
Die kluge Bauerntochter.

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.’ Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen: und als sie ihn beinahe herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. ‘Hör,’ sagte der Vater zu dem Mädchen, ‘weil unser Herr König so gnädig ist gewesen, und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen, und sagte ‘Vater, wenn wir den Mörsel haben, und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, und trug ihn zum Herrn König, und sagte, den hätte er gefunden in der Heide. Der König nahm den Mörsel, und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? ‘Nein’ sprach der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt,

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[55/0065] 94. Die kluge Bauerntochter. Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.’ Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen: und als sie ihn beinahe herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. ‘Hör,’ sagte der Vater zu dem Mädchen, ‘weil unser Herr König so gnädig ist gewesen, und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen, und sagte ‘Vater, wenn wir den Mörsel haben, und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, und trug ihn zum Herrn König, und sagte, den hätte er gefunden in der Heide. Der König nahm den Mörsel, und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? ‘Nein’ sprach der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/65>, abgerufen am 28.03.2024.