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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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und so kamen noch viele, und meldeten sich zu dem Wagestück, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trugs sich zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. 'Ich weiß selber nicht recht,' sprach er, 'aber ich hätte wohl Lust König zu werden, und auszumachen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen.' 'Das ist so schwer nicht,' sagte die Alte, 'du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.' Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen, und sprach 'wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar, und kannst den zwölfen dann nachschleichen.' Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den König gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach 'der hätte auch sein Leben sparen können.' Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen

und so kamen noch viele, und meldeten sich zu dem Wagestück, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trugs sich zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Ich weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich hätte wohl Lust König zu werden, und auszumachen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen, und sprach ‘wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar, und kannst den zwölfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den König gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach ‘der hätte auch sein Leben sparen können.’ Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen

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[260/0270] und so kamen noch viele, und meldeten sich zu dem Wagestück, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trugs sich zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Ich weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich hätte wohl Lust König zu werden, und auszumachen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen, und sprach ‘wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar, und kannst den zwölfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den König gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach ‘der hätte auch sein Leben sparen können.’ Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/270>, abgerufen am 25.04.2024.