Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Ich sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht: ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.' Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen, und blieben bei ihrem Vorsatz.

Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war, das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab, und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten steckten, so daß er nicht konnte gesehen werden. Sie trugen den Bündel auf den Markt, wo der Stallmeister der Königin ihn kaufte, zu dem Pferd in den Stall tragen und hinlegen ließ. Als es Mitternacht war, und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum, und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an, und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte, und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm nach, und als sie ihn draußen mit seinen

Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Ich sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht: ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.’ Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen, und blieben bei ihrem Vorsatz.

Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war, das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab, und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten steckten, so daß er nicht konnte gesehen werden. Sie trugen den Bündel auf den Markt, wo der Stallmeister der Königin ihn kaufte, zu dem Pferd in den Stall tragen und hinlegen ließ. Als es Mitternacht war, und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum, und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an, und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte, und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm nach, und als sie ihn draußen mit seinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0479" n="469"/>
Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Ich sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht: ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.&#x2019; Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen, und blieben bei ihrem Vorsatz.</p><lb/>
        <p>Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war, das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab, und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten steckten, so daß er nicht konnte gesehen werden. Sie trugen den Bündel auf den Markt, wo der Stallmeister der Königin ihn kaufte, zu dem Pferd in den Stall tragen und hinlegen ließ. Als es Mitternacht war, und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum, und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an, und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte, und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm nach, und als sie ihn draußen mit seinen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0479] Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Ich sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht: ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.’ Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen, und blieben bei ihrem Vorsatz. Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war, das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab, und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten steckten, so daß er nicht konnte gesehen werden. Sie trugen den Bündel auf den Markt, wo der Stallmeister der Königin ihn kaufte, zu dem Pferd in den Stall tragen und hinlegen ließ. Als es Mitternacht war, und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum, und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an, und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte, und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm nach, und als sie ihn draußen mit seinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/479
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/479>, abgerufen am 28.03.2024.