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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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habe zurück bleiben müssen. Ich bitte dich gieb mir mein Hemdchen wieder.' 'Sei ruhig, armes Kind,' sprach der Trommler, 'ich will dirs gerne zurückgeben.' Er holte es aus seiner Tasche, und reichte es ihr in der Dunkelheit hin. Sie faßte hastig darnach, und wollte dann fort. Er bat sie aber zu bleiben und ihm zu sagen ob er nicht helfen könnte. 'Helfen kannst du mir wenn du auf den Glasberg steigst und mich aus der Gewalt der Hexe befreist. Aber zu dem Glasberg kommst du nicht, und wenn du auch ganz nahe daran wärst, so kannst du nicht hinauf.' 'Was ich will, das kann ich,' sagte der Trommler, 'ich habe Mitleid mit dir, und ich fürchte mich vor nichts. Aber ich weiß den Weg nicht der nach dem Glasberge führt.' 'Der Weg geht durch den großen Wald, in dem die Menschenfresser hausen,' antwortete sie, 'mehr darf ich dir nicht sagen.' Darauf hörte er wie sie fortschwirrte.

Am andern Tage machte sich der Trommler am frühen Morgen auf, hieng seine Trommel um, und gieng ohne Furcht geradezu in den Wald hinein. Als er ein Weilchen gegangen war, und keinen Riesen erblickte, so dachte er 'ich muß die Langeschläfer aufwecken,' hieng die Trommel vor, und schlug einen Wirbel, daß die Vögel aus den Bäumen mit Geschrei aufflogen. Nicht lange so erhob sich auch ein Riese in die Höhe, der im Gras gelegen und geschlafen hatte, und war so groß wie eine Tanne. 'Du Wicht,' rief er ihm zu, 'was trommelst du hier, und weckst mich aus dem besten Schlaf?' 'Ich trommle,' antwortete er, 'weil viele tausende hinter mir herkommen, damit sie den Weg wissen.' 'Was wollen die hier in

habe zurück bleiben müssen. Ich bitte dich gieb mir mein Hemdchen wieder.’ ‘Sei ruhig, armes Kind,’ sprach der Trommler, ‘ich will dirs gerne zurückgeben.’ Er holte es aus seiner Tasche, und reichte es ihr in der Dunkelheit hin. Sie faßte hastig darnach, und wollte dann fort. Er bat sie aber zu bleiben und ihm zu sagen ob er nicht helfen könnte. ‘Helfen kannst du mir wenn du auf den Glasberg steigst und mich aus der Gewalt der Hexe befreist. Aber zu dem Glasberg kommst du nicht, und wenn du auch ganz nahe daran wärst, so kannst du nicht hinauf.’ ‘Was ich will, das kann ich,’ sagte der Trommler, ‘ich habe Mitleid mit dir, und ich fürchte mich vor nichts. Aber ich weiß den Weg nicht der nach dem Glasberge führt.’ ‘Der Weg geht durch den großen Wald, in dem die Menschenfresser hausen,’ antwortete sie, ‘mehr darf ich dir nicht sagen.’ Darauf hörte er wie sie fortschwirrte.

Am andern Tage machte sich der Trommler am frühen Morgen auf, hieng seine Trommel um, und gieng ohne Furcht geradezu in den Wald hinein. Als er ein Weilchen gegangen war, und keinen Riesen erblickte, so dachte er ‘ich muß die Langeschläfer aufwecken,’ hieng die Trommel vor, und schlug einen Wirbel, daß die Vögel aus den Bäumen mit Geschrei aufflogen. Nicht lange so erhob sich auch ein Riese in die Höhe, der im Gras gelegen und geschlafen hatte, und war so groß wie eine Tanne. ‘Du Wicht,’ rief er ihm zu, ‘was trommelst du hier, und weckst mich aus dem besten Schlaf?’ ‘Ich trommle,’ antwortete er, ‘weil viele tausende hinter mir herkommen, damit sie den Weg wissen.’ ‘Was wollen die hier in

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/500>, abgerufen am 19.04.2024.