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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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kommen, du bist an harte Arbeit nicht gewöhnt, du hältst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld übrig um noch eine zu kaufen.' 'Geht nur zum Nachbar,' antwortete der Sohn, 'der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.'

Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, wie der Tag anbrach, giengen sie mit einander hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater, und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne über ihnen stand, sprach der Vater 'wir wollen rasten und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.' Der Sohn nahm sein Brot in die Hand, und sprach 'ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht müde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen, und Vogelnester suchen.' 'O, du Geck,' sprach der Vater, 'was willst du da herum laufen, hernach bist du müde, und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.'

Der Sohn aber gieng in den Wald, aß sein Brot ganz fröhlich, und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So gieng er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefährlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war, und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen, und sah sie an, und dachte 'es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.' Da däuchte ihn auf einmal als hörte er eine Stimme. Er horchte, und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief 'laß mich heraus, laß mich heraus.' Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, aber es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkäme. Da rief er 'wo bist du?'

kommen, du bist an harte Arbeit nicht gewöhnt, du hältst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld übrig um noch eine zu kaufen.’ ‘Geht nur zum Nachbar,’ antwortete der Sohn, ‘der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.’

Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, wie der Tag anbrach, giengen sie mit einander hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater, und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne über ihnen stand, sprach der Vater ‘wir wollen rasten und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.’ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand, und sprach ‘ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht müde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen, und Vogelnester suchen.’ ‘O, du Geck,’ sprach der Vater, ‘was willst du da herum laufen, hernach bist du müde, und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.’

Der Sohn aber gieng in den Wald, aß sein Brot ganz fröhlich, und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So gieng er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefährlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war, und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen, und sah sie an, und dachte ‘es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.’ Da däuchte ihn auf einmal als hörte er eine Stimme. Er horchte, und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief ‘laß mich heraus, laß mich heraus.’ Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, aber es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkäme. Da rief er ‘wo bist du?’

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[83/0093] kommen, du bist an harte Arbeit nicht gewöhnt, du hältst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld übrig um noch eine zu kaufen.’ ‘Geht nur zum Nachbar,’ antwortete der Sohn, ‘der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.’ Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, wie der Tag anbrach, giengen sie mit einander hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater, und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne über ihnen stand, sprach der Vater ‘wir wollen rasten und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.’ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand, und sprach ‘ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht müde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen, und Vogelnester suchen.’ ‘O, du Geck,’ sprach der Vater, ‘was willst du da herum laufen, hernach bist du müde, und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.’ Der Sohn aber gieng in den Wald, aß sein Brot ganz fröhlich, und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So gieng er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefährlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war, und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen, und sah sie an, und dachte ‘es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.’ Da däuchte ihn auf einmal als hörte er eine Stimme. Er horchte, und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief ‘laß mich heraus, laß mich heraus.’ Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, aber es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkäme. Da rief er ‘wo bist du?’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/93>, abgerufen am 24.04.2024.