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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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längsten. Die Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Jch sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang: der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht; ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.' Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen und blieben bei ihrem Vorsatz.

Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war: das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten so geschickt versteckten, daß er nicht konnte gesehen werden, und trugen den Bündel auf den Markt. Der Stallmeister der Königin kaufte das Futter, ließ es zu dem Pferd in den Stall tragen und hinwerfen. Als es Mitternacht war und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an: und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm

längsten. Die Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Jch sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang: der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht; ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.’ Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen und blieben bei ihrem Vorsatz.

Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war: das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten so geschickt versteckten, daß er nicht konnte gesehen werden, und trugen den Bündel auf den Markt. Der Stallmeister der Königin kaufte das Futter, ließ es zu dem Pferd in den Stall tragen und hinwerfen. Als es Mitternacht war und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an: und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm

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[481/0493] längsten. Die Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichthum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Muth gewesen ist. Jch sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang: der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht; ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.’ Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen und blieben bei ihrem Vorsatz. Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wußten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Werth war: das wollten sie ihr stehlen. Sie wußten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie giengen also hinaus, schnitten das Gras ab und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten so geschickt versteckten, daß er nicht konnte gesehen werden, und trugen den Bündel auf den Markt. Der Stallmeister der Königin kaufte das Futter, ließ es zu dem Pferd in den Stall tragen und hinwerfen. Als es Mitternacht war und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an: und die Schellen, die daran hiengen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/493>, abgerufen am 19.04.2024.