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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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bemerkte er daß ihre Füße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel und fiengen ihr Spiel aufs neue an: sie fielen über den Königssohn her und schlugen ihn viel härter als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden war. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenröthe anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder: 'bist du noch da?' schrien sie, 'du sollst gepeinigt werden daß dir der Athem stehen bleibt.' Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen: aber er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön, wie der helle Tag. 'Steh auf,' sprach sie, 'und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.' Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.



bemerkte er daß ihre Füße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel und fiengen ihr Spiel aufs neue an: sie fielen über den Königssohn her und schlugen ihn viel härter als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden war. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenröthe anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder: ‘bist du noch da?’ schrien sie, ‘du sollst gepeinigt werden daß dir der Athem stehen bleibt.’ Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen: aber er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön, wie der helle Tag. ‘Steh auf,’ sprach sie, ‘und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.’ Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.



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bemerkte er daß ihre Füße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel und fiengen ihr Spiel aufs neue an: sie fielen über den Königssohn her und schlugen ihn viel härter als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden war. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenröthe anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder: &#x2018;bist du noch da?&#x2019; schrien sie, &#x2018;du sollst gepeinigt werden daß dir der Athem stehen bleibt.&#x2019; Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen: aber er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön, wie der helle Tag. &#x2018;Steh auf,&#x2019; sprach sie, &#x2018;und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.&#x2019; Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.</p>
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[172/0184] bemerkte er daß ihre Füße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel und fiengen ihr Spiel aufs neue an: sie fielen über den Königssohn her und schlugen ihn viel härter als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden war. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenröthe anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder: ‘bist du noch da?’ schrien sie, ‘du sollst gepeinigt werden daß dir der Athem stehen bleibt.’ Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen: aber er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön, wie der helle Tag. ‘Steh auf,’ sprach sie, ‘und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.’ Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/184>, abgerufen am 28.03.2024.