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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Die zwölf faulen Knechte.

Zwölf Knechte, die den ganzen Tag nichts gethan hatten, wollten sich am Abend nicht noch anstrengen, sondern legten sich ins Gras und rühmten sich ihrer Faulheit. Der erste sprach 'was geht mich eure Faulheit an, ich habe mit meiner eigenen zu thun. Die Sorge für den Leib ist meine Hauptarbeit: ich esse nicht wenig und trinke desto mehr. Wenn ich vier Mahlzeiten gehalten habe, so faste ich eine kurze Zeit bis ich wieder Hunger empfinde, das bekommt mir am besten. Früh aufstehn ist nicht meine Sache, wenn es gegen Mittag geht, so suche ich mir schon einen Ruheplatz aus. Ruft der Herr, so thue ich als hätte ich es nicht gehört, und ruft er zum zweitenmal, so warte ich noch eine Zeitlang bis ich mich erhebe und gehe auch dann recht langsam. So läßt sich das Leben ertragen.' Der zweite sprach 'ich habe ein Pferd zu besorgen, aber ich lasse ihm das Gebiß im Maul, und wenn ich nicht will, so gebe ich ihm kein Futter und sage es habe schon gefressen. Dafür lege ich mich in den Haferkasten und schlafe vier Stunden. Hernach strecke ich wohl einen Fuß heraus und fahre damit dem Pferd ein paarmal über den Leib, so ist es gestriegelt und geputzt; wer wird da viel Umstände machen? Aber der Dienst ist mir doch noch zu beschwerlich.' Der dritte sprach 'wozu sich mit Arbeit plagen? dabei kommt nichts heraus. Jch legte mich in die Sonne und schlief. Es fieng an zu tröpfeln, aber weshalb aufstehen? ich ließ es in Gottes Namen fortregnen. Zuletzt kam ein Platzregen und zwar so heftig, daß er mir die Haare vom Kopf ausriß und wegschwemmte, und ich ein Loch in den Schädel bekam. Jch legte ein Pflaster darauf und damit wars gut. Schaden der Art habe

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Die zwölf faulen Knechte.

Zwölf Knechte, die den ganzen Tag nichts gethan hatten, wollten sich am Abend nicht noch anstrengen, sondern legten sich ins Gras und rühmten sich ihrer Faulheit. Der erste sprach ‘was geht mich eure Faulheit an, ich habe mit meiner eigenen zu thun. Die Sorge für den Leib ist meine Hauptarbeit: ich esse nicht wenig und trinke desto mehr. Wenn ich vier Mahlzeiten gehalten habe, so faste ich eine kurze Zeit bis ich wieder Hunger empfinde, das bekommt mir am besten. Früh aufstehn ist nicht meine Sache, wenn es gegen Mittag geht, so suche ich mir schon einen Ruheplatz aus. Ruft der Herr, so thue ich als hätte ich es nicht gehört, und ruft er zum zweitenmal, so warte ich noch eine Zeitlang bis ich mich erhebe und gehe auch dann recht langsam. So läßt sich das Leben ertragen.’ Der zweite sprach ‘ich habe ein Pferd zu besorgen, aber ich lasse ihm das Gebiß im Maul, und wenn ich nicht will, so gebe ich ihm kein Futter und sage es habe schon gefressen. Dafür lege ich mich in den Haferkasten und schlafe vier Stunden. Hernach strecke ich wohl einen Fuß heraus und fahre damit dem Pferd ein paarmal über den Leib, so ist es gestriegelt und geputzt; wer wird da viel Umstände machen? Aber der Dienst ist mir doch noch zu beschwerlich.’ Der dritte sprach ‘wozu sich mit Arbeit plagen? dabei kommt nichts heraus. Jch legte mich in die Sonne und schlief. Es fieng an zu tröpfeln, aber weshalb aufstehen? ich ließ es in Gottes Namen fortregnen. Zuletzt kam ein Platzregen und zwar so heftig, daß er mir die Haare vom Kopf ausriß und wegschwemmte, und ich ein Loch in den Schädel bekam. Jch legte ein Pflaster darauf und damit wars gut. Schaden der Art habe

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[280/0292] 151*. Die zwölf faulen Knechte. Zwölf Knechte, die den ganzen Tag nichts gethan hatten, wollten sich am Abend nicht noch anstrengen, sondern legten sich ins Gras und rühmten sich ihrer Faulheit. Der erste sprach ‘was geht mich eure Faulheit an, ich habe mit meiner eigenen zu thun. Die Sorge für den Leib ist meine Hauptarbeit: ich esse nicht wenig und trinke desto mehr. Wenn ich vier Mahlzeiten gehalten habe, so faste ich eine kurze Zeit bis ich wieder Hunger empfinde, das bekommt mir am besten. Früh aufstehn ist nicht meine Sache, wenn es gegen Mittag geht, so suche ich mir schon einen Ruheplatz aus. Ruft der Herr, so thue ich als hätte ich es nicht gehört, und ruft er zum zweitenmal, so warte ich noch eine Zeitlang bis ich mich erhebe und gehe auch dann recht langsam. So läßt sich das Leben ertragen.’ Der zweite sprach ‘ich habe ein Pferd zu besorgen, aber ich lasse ihm das Gebiß im Maul, und wenn ich nicht will, so gebe ich ihm kein Futter und sage es habe schon gefressen. Dafür lege ich mich in den Haferkasten und schlafe vier Stunden. Hernach strecke ich wohl einen Fuß heraus und fahre damit dem Pferd ein paarmal über den Leib, so ist es gestriegelt und geputzt; wer wird da viel Umstände machen? Aber der Dienst ist mir doch noch zu beschwerlich.’ Der dritte sprach ‘wozu sich mit Arbeit plagen? dabei kommt nichts heraus. Jch legte mich in die Sonne und schlief. Es fieng an zu tröpfeln, aber weshalb aufstehen? ich ließ es in Gottes Namen fortregnen. Zuletzt kam ein Platzregen und zwar so heftig, daß er mir die Haare vom Kopf ausriß und wegschwemmte, und ich ein Loch in den Schädel bekam. Jch legte ein Pflaster darauf und damit wars gut. Schaden der Art habe

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/292>, abgerufen am 28.03.2024.