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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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und wie er zu diesem Hirsche gelangt sei, aus dessen großen Augen ich Thränen fließen sah. Anstatt mir zu antworten fieng er an laut aufzulachen. Jch gerieth darüber in höchsten Zorn, zog eine Pistole und drückte sie gegen das Ungeheuer ab, aber die Kugel prallte von seiner Brust zurück und fuhr in den Kopf meines Pferdes. Jch stürzte zur Erde, und der Fremde murmelte einige Worte, die mir das Bewußtsein raubten.

Als ich wieder zur Besinnung kam fand ich mich in dieser unterirdischen Gruft in einem gläsernen Sarge. Der Schwarzkünstler erschien nochmals, sagte daß er meinen Bruder in einen Hirsch verwandelt, mein Schloß, mit allem Zubehör, verkleinert, in den andern Glaskasten eingeschlossen, und meine in Rauch verwandelten Leute in Glasflaschen gebannt hätte. Wolle ich mich jetzt seinem Wunsche fügen, so sei ihm ein leichtes, alles wieder in den vorigen Stand zu setzen: er brauche nur die Gefäße zu öffnen, so werde alles wieder in die natürliche Gestalt zurückkehren. Jch antwortete ihm so wenig als das erste Mal. Er verschwand und ließ mich in meinem Gefängnisse liegen, in welchem mich ein tiefer Schlaf befiel. Unter den Bildern, welche an meiner Seele vorübergiengen, war auch das tröstliche, daß ein junger Mann kam und mich befreite, und als ich heute die Augen öffne, so erblicke ich dich und sehe meinen Traum erfüllt. Hilf mir vollbringen was in jenem Gesichte noch weiter geschah. Das erste ist daß wir den Glaskasten, in welchem mein Schloß sich befindet, auf jenen breiten Stein heben.'

Der Stein, sobald er beschwert war, hob sich mit dem Fräulein und dem Jüngling in die Höhe, und stieg durch die Öffnung der Decke in den obern Saal, wo sie dann leicht ins Freie gelangen konnten. Hier öffnete das Fräulein den Deckel, und es war wunderbar anzusehen, wie Schloß, Häuser und Gehöfte sich ausdehnten und in größter Schnelligkeit zu natürlicher Größe heranwuchsen.

und wie er zu diesem Hirsche gelangt sei, aus dessen großen Augen ich Thränen fließen sah. Anstatt mir zu antworten fieng er an laut aufzulachen. Jch gerieth darüber in höchsten Zorn, zog eine Pistole und drückte sie gegen das Ungeheuer ab, aber die Kugel prallte von seiner Brust zurück und fuhr in den Kopf meines Pferdes. Jch stürzte zur Erde, und der Fremde murmelte einige Worte, die mir das Bewußtsein raubten.

Als ich wieder zur Besinnung kam fand ich mich in dieser unterirdischen Gruft in einem gläsernen Sarge. Der Schwarzkünstler erschien nochmals, sagte daß er meinen Bruder in einen Hirsch verwandelt, mein Schloß, mit allem Zubehör, verkleinert, in den andern Glaskasten eingeschlossen, und meine in Rauch verwandelten Leute in Glasflaschen gebannt hätte. Wolle ich mich jetzt seinem Wunsche fügen, so sei ihm ein leichtes, alles wieder in den vorigen Stand zu setzen: er brauche nur die Gefäße zu öffnen, so werde alles wieder in die natürliche Gestalt zurückkehren. Jch antwortete ihm so wenig als das erste Mal. Er verschwand und ließ mich in meinem Gefängnisse liegen, in welchem mich ein tiefer Schlaf befiel. Unter den Bildern, welche an meiner Seele vorübergiengen, war auch das tröstliche, daß ein junger Mann kam und mich befreite, und als ich heute die Augen öffne, so erblicke ich dich und sehe meinen Traum erfüllt. Hilf mir vollbringen was in jenem Gesichte noch weiter geschah. Das erste ist daß wir den Glaskasten, in welchem mein Schloß sich befindet, auf jenen breiten Stein heben.’

Der Stein, sobald er beschwert war, hob sich mit dem Fräulein und dem Jüngling in die Höhe, und stieg durch die Öffnung der Decke in den obern Saal, wo sie dann leicht ins Freie gelangen konnten. Hier öffnete das Fräulein den Deckel, und es war wunderbar anzusehen, wie Schloß, Häuser und Gehöfte sich ausdehnten und in größter Schnelligkeit zu natürlicher Größe heranwuchsen.

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[311/0323] und wie er zu diesem Hirsche gelangt sei, aus dessen großen Augen ich Thränen fließen sah. Anstatt mir zu antworten fieng er an laut aufzulachen. Jch gerieth darüber in höchsten Zorn, zog eine Pistole und drückte sie gegen das Ungeheuer ab, aber die Kugel prallte von seiner Brust zurück und fuhr in den Kopf meines Pferdes. Jch stürzte zur Erde, und der Fremde murmelte einige Worte, die mir das Bewußtsein raubten. Als ich wieder zur Besinnung kam fand ich mich in dieser unterirdischen Gruft in einem gläsernen Sarge. Der Schwarzkünstler erschien nochmals, sagte daß er meinen Bruder in einen Hirsch verwandelt, mein Schloß, mit allem Zubehör, verkleinert, in den andern Glaskasten eingeschlossen, und meine in Rauch verwandelten Leute in Glasflaschen gebannt hätte. Wolle ich mich jetzt seinem Wunsche fügen, so sei ihm ein leichtes, alles wieder in den vorigen Stand zu setzen: er brauche nur die Gefäße zu öffnen, so werde alles wieder in die natürliche Gestalt zurückkehren. Jch antwortete ihm so wenig als das erste Mal. Er verschwand und ließ mich in meinem Gefängnisse liegen, in welchem mich ein tiefer Schlaf befiel. Unter den Bildern, welche an meiner Seele vorübergiengen, war auch das tröstliche, daß ein junger Mann kam und mich befreite, und als ich heute die Augen öffne, so erblicke ich dich und sehe meinen Traum erfüllt. Hilf mir vollbringen was in jenem Gesichte noch weiter geschah. Das erste ist daß wir den Glaskasten, in welchem mein Schloß sich befindet, auf jenen breiten Stein heben.’ Der Stein, sobald er beschwert war, hob sich mit dem Fräulein und dem Jüngling in die Höhe, und stieg durch die Öffnung der Decke in den obern Saal, wo sie dann leicht ins Freie gelangen konnten. Hier öffnete das Fräulein den Deckel, und es war wunderbar anzusehen, wie Schloß, Häuser und Gehöfte sich ausdehnten und in größter Schnelligkeit zu natürlicher Größe heranwuchsen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/323>, abgerufen am 25.04.2024.