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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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besorgen, und wenn sie alles in Ordnung hielte, so sollte sie es nicht schlimm bei ihnen haben. Darauf gaben sie ihr etwas zu essen und zeigten ihr ein Bett, wo sie mit ihrem Kinde schlafen könnte.

Die Frau blieb viele Jahre bei den Räubern, und Hans ward groß und stark. Die Mutter erzählte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch, das sie in der Höhle fand, lesen. Als Hans neun Jahr alt war, machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knüttel und versteckte ihn hinter das Bett: dann gieng er zu seiner Mutter und sprach 'liebe Mutter, sage mir jetzt einmal wer mein Vater ist, ich will und muß es wissen.' Die Mutter schwieg still und wollte es ihm nicht sagen, damit er nicht das Heimweh bekäme: sie wußte auch daß die gottlosen Räuber den Hans doch nicht fortlassen würden; aber es hätte ihr fast das Herz zersprengt, daß Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen. Jn der Nacht, als die Räuber von ihrem Raubzug heimkehrten, holte Hans seinen Knüttel hervor, stellte sich vor den Hauptmann und sagte 'jetzt will ich wissen wer mein Vater ist, und wenn du mirs nicht gleich sagst, so schlag ich dich nieder.' Da lachte der Hauptmann und gab dem Hans eine Ohrfeige, daß er unter den Tisch kugelte. Hans machte sich wieder auf, schwieg und dachte 'ich will noch ein Jahr warten und es dann noch einmal versuchen, vielleicht gehts besser.' Als das Jahr herum war, holte er seinen Knüttel wieder hervor, wischte den Staub ab, betrachtete ihn und sprach 'es ist ein tüchtiger wackerer Knüttel.' Nachts kamen die Räuber heim, tranken Wein, einen Krug nach dem anderen, und fiengen an die Köpfe zu hängen. Da holte der Hans seinen Knüttel herbei, stellte sich wieder vor den Hauptmann und fragte ihn wer sein Vater wäre. Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kräftige Ohrfeige, daß Hans unter den Tisch rollte, aber es dauerte nicht lange, so war er wieder oben und schlug mit seinem Knüttel

besorgen, und wenn sie alles in Ordnung hielte, so sollte sie es nicht schlimm bei ihnen haben. Darauf gaben sie ihr etwas zu essen und zeigten ihr ein Bett, wo sie mit ihrem Kinde schlafen könnte.

Die Frau blieb viele Jahre bei den Räubern, und Hans ward groß und stark. Die Mutter erzählte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch, das sie in der Höhle fand, lesen. Als Hans neun Jahr alt war, machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knüttel und versteckte ihn hinter das Bett: dann gieng er zu seiner Mutter und sprach ‘liebe Mutter, sage mir jetzt einmal wer mein Vater ist, ich will und muß es wissen.’ Die Mutter schwieg still und wollte es ihm nicht sagen, damit er nicht das Heimweh bekäme: sie wußte auch daß die gottlosen Räuber den Hans doch nicht fortlassen würden; aber es hätte ihr fast das Herz zersprengt, daß Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen. Jn der Nacht, als die Räuber von ihrem Raubzug heimkehrten, holte Hans seinen Knüttel hervor, stellte sich vor den Hauptmann und sagte ‘jetzt will ich wissen wer mein Vater ist, und wenn du mirs nicht gleich sagst, so schlag ich dich nieder.’ Da lachte der Hauptmann und gab dem Hans eine Ohrfeige, daß er unter den Tisch kugelte. Hans machte sich wieder auf, schwieg und dachte ‘ich will noch ein Jahr warten und es dann noch einmal versuchen, vielleicht gehts besser.’ Als das Jahr herum war, holte er seinen Knüttel wieder hervor, wischte den Staub ab, betrachtete ihn und sprach ‘es ist ein tüchtiger wackerer Knüttel.’ Nachts kamen die Räuber heim, tranken Wein, einen Krug nach dem anderen, und fiengen an die Köpfe zu hängen. Da holte der Hans seinen Knüttel herbei, stellte sich wieder vor den Hauptmann und fragte ihn wer sein Vater wäre. Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kräftige Ohrfeige, daß Hans unter den Tisch rollte, aber es dauerte nicht lange, so war er wieder oben und schlug mit seinem Knüttel

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[324/0336] besorgen, und wenn sie alles in Ordnung hielte, so sollte sie es nicht schlimm bei ihnen haben. Darauf gaben sie ihr etwas zu essen und zeigten ihr ein Bett, wo sie mit ihrem Kinde schlafen könnte. Die Frau blieb viele Jahre bei den Räubern, und Hans ward groß und stark. Die Mutter erzählte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch, das sie in der Höhle fand, lesen. Als Hans neun Jahr alt war, machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knüttel und versteckte ihn hinter das Bett: dann gieng er zu seiner Mutter und sprach ‘liebe Mutter, sage mir jetzt einmal wer mein Vater ist, ich will und muß es wissen.’ Die Mutter schwieg still und wollte es ihm nicht sagen, damit er nicht das Heimweh bekäme: sie wußte auch daß die gottlosen Räuber den Hans doch nicht fortlassen würden; aber es hätte ihr fast das Herz zersprengt, daß Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen. Jn der Nacht, als die Räuber von ihrem Raubzug heimkehrten, holte Hans seinen Knüttel hervor, stellte sich vor den Hauptmann und sagte ‘jetzt will ich wissen wer mein Vater ist, und wenn du mirs nicht gleich sagst, so schlag ich dich nieder.’ Da lachte der Hauptmann und gab dem Hans eine Ohrfeige, daß er unter den Tisch kugelte. Hans machte sich wieder auf, schwieg und dachte ‘ich will noch ein Jahr warten und es dann noch einmal versuchen, vielleicht gehts besser.’ Als das Jahr herum war, holte er seinen Knüttel wieder hervor, wischte den Staub ab, betrachtete ihn und sprach ‘es ist ein tüchtiger wackerer Knüttel.’ Nachts kamen die Räuber heim, tranken Wein, einen Krug nach dem anderen, und fiengen an die Köpfe zu hängen. Da holte der Hans seinen Knüttel herbei, stellte sich wieder vor den Hauptmann und fragte ihn wer sein Vater wäre. Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kräftige Ohrfeige, daß Hans unter den Tisch rollte, aber es dauerte nicht lange, so war er wieder oben und schlug mit seinem Knüttel

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/336>, abgerufen am 25.04.2024.