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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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auf die Zahl von zwölf Meistern gesehen wird, beweist die
unten citirte Stelle aus einem Meistergesang Metzgers von der
Singschul, der, wie zu erwarten, dabei an die zwölf Apostel
erinnert 78).

12. Eine Beziehung des Meistergesangs auf Minnepoesie
liegt auch in einem Lied Canzlers (2. 240.), die Meister hät-
ten ihn mit Sprache so überlistet, daß er nichts neues zum
Lob der Frauen sagen könne.

13. Frauenlob (2. 214 f.) setzt sich mit Reimar, Eschilbach,
Vogelweide in eine Classe, er übergolde ihren Sang, sie ha-
ben nur den Schaum berührt, er aber aus dem Grund gesun-
gen, mit Worten und Tönen, seines Sanges Schrein solle
man reichlich krönen (Hätte er allenfalls den eigentlichen
Meistersang aufgebracht, so würde er bei dieser Gelegenheit
anders gesprochen haben.) 78 b) Darauf setzt ihn Regenbogen
desto mehr herab, daß er sich so viel gegen dieser Meister
Sang herausnehme. So spricht auch derselbe in seiner zwei-
ten Antwort von den Meistern, die mit Ruhm gesungen,
(Wolfram, zwei Reimar u. Walter), in der dritten schimpft er
ihn: Meisterli. In der vierten nennt er ihn: Gesanges-
freund
, welches an das Schulfreund der spätern Tabulatur
erinnert, (wo es einen bezeichnet, der Meistergesang wohl ver-

78) Darnach man auf der Singschul auch thut zwölf erfahrene
Meister haben so wißenschaft der kunst gebrauch sampt derselbi-
gen schönen gaben etc., welches die lieben Apostel seyn, das sie
durch ihr heilsames lehren sollen der ganzen Welt Gemein zur
geistl. Singschul bekehren. (Ms. in Arnims Besitz.)
78 b) In dem Jen. M. G. B. sagt Frauenlob von der Minne: sie
elaget an euch "vursumen und vurgahen", und nachher: "ich
muß ein lieblich strafen zern." (Docen Misc 2. 278. 279.)
Erinnert an die Klage über Versprechen im Wartb. Krieg. Vergl.
auch den Mysner DCXII. In dem alten Wörterverz. (Do-
cens
Misc. 1. 211.) wird "Firsumen" durch dissimulare
giossirt.

auf die Zahl von zwoͤlf Meiſtern geſehen wird, beweiſt die
unten citirte Stelle aus einem Meiſtergeſang Metzgers von der
Singſchul, der, wie zu erwarten, dabei an die zwoͤlf Apoſtel
erinnert 78).

12. Eine Beziehung des Meiſtergeſangs auf Minnepoeſie
liegt auch in einem Lied Canzlers (2. 240.), die Meiſter haͤt-
ten ihn mit Sprache ſo uͤberliſtet, daß er nichts neues zum
Lob der Frauen ſagen koͤnne.

13. Frauenlob (2. 214 f.) ſetzt ſich mit Reimar, Eſchilbach,
Vogelweide in eine Claſſe, er uͤbergolde ihren Sang, ſie ha-
ben nur den Schaum beruͤhrt, er aber aus dem Grund geſun-
gen, mit Worten und Toͤnen, ſeines Sanges Schrein ſolle
man reichlich kroͤnen (Haͤtte er allenfalls den eigentlichen
Meiſterſang aufgebracht, ſo wuͤrde er bei dieſer Gelegenheit
anders geſprochen haben.) 78 b) Darauf ſetzt ihn Regenbogen
deſto mehr herab, daß er ſich ſo viel gegen dieſer Meiſter
Sang herausnehme. So ſpricht auch derſelbe in ſeiner zwei-
ten Antwort von den Meiſtern, die mit Ruhm geſungen,
(Wolfram, zwei Reimar u. Walter), in der dritten ſchimpft er
ihn: Meiſterli. In der vierten nennt er ihn: Geſanges-
freund
, welches an das Schulfreund der ſpaͤtern Tabulatur
erinnert, (wo es einen bezeichnet, der Meiſtergeſang wohl ver-

78) Darnach man auf der Singſchul auch thut zwoͤlf erfahrene
Meiſter haben ſo wißenſchaft der kunſt gebrauch ſampt derſelbi-
gen ſchoͤnen gaben ꝛc., welches die lieben Apoſtel ſeyn, das ſie
durch ihr heilſames lehren ſollen der ganzen Welt Gemein zur
geiſtl. Singſchul bekehren. (Ms. in Arnims Beſitz.)
78 b) In dem Jen. M. G. B. ſagt Frauenlob von der Minne: ſie
elaget an euch „vurſumen und vurgahen“, und nachher: „ich
muß ein lieblich ſtrafen zern.“ (Docen Miſc 2. 278. 279.)
Erinnert an die Klage uͤber Verſprechen im Wartb. Krieg. Vergl.
auch den Myſner DCXII. In dem alten Woͤrterverz. (Do-
cens
Miſc. 1. 211.) wird „Firſumen“ durch dissimulare
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[92/0102] auf die Zahl von zwoͤlf Meiſtern geſehen wird, beweiſt die unten citirte Stelle aus einem Meiſtergeſang Metzgers von der Singſchul, der, wie zu erwarten, dabei an die zwoͤlf Apoſtel erinnert 78). 12. Eine Beziehung des Meiſtergeſangs auf Minnepoeſie liegt auch in einem Lied Canzlers (2. 240.), die Meiſter haͤt- ten ihn mit Sprache ſo uͤberliſtet, daß er nichts neues zum Lob der Frauen ſagen koͤnne. 13. Frauenlob (2. 214 f.) ſetzt ſich mit Reimar, Eſchilbach, Vogelweide in eine Claſſe, er uͤbergolde ihren Sang, ſie ha- ben nur den Schaum beruͤhrt, er aber aus dem Grund geſun- gen, mit Worten und Toͤnen, ſeines Sanges Schrein ſolle man reichlich kroͤnen (Haͤtte er allenfalls den eigentlichen Meiſterſang aufgebracht, ſo wuͤrde er bei dieſer Gelegenheit anders geſprochen haben.) 78 b) Darauf ſetzt ihn Regenbogen deſto mehr herab, daß er ſich ſo viel gegen dieſer Meiſter Sang herausnehme. So ſpricht auch derſelbe in ſeiner zwei- ten Antwort von den Meiſtern, die mit Ruhm geſungen, (Wolfram, zwei Reimar u. Walter), in der dritten ſchimpft er ihn: Meiſterli. In der vierten nennt er ihn: Geſanges- freund, welches an das Schulfreund der ſpaͤtern Tabulatur erinnert, (wo es einen bezeichnet, der Meiſtergeſang wohl ver- 78) Darnach man auf der Singſchul auch thut zwoͤlf erfahrene Meiſter haben ſo wißenſchaft der kunſt gebrauch ſampt derſelbi- gen ſchoͤnen gaben ꝛc., welches die lieben Apoſtel ſeyn, das ſie durch ihr heilſames lehren ſollen der ganzen Welt Gemein zur geiſtl. Singſchul bekehren. (Ms. in Arnims Beſitz.) 78 b) In dem Jen. M. G. B. ſagt Frauenlob von der Minne: ſie elaget an euch „vurſumen und vurgahen“, und nachher: „ich muß ein lieblich ſtrafen zern.“ (Docen Miſc 2. 278. 279.) Erinnert an die Klage uͤber Verſprechen im Wartb. Krieg. Vergl. auch den Myſner DCXII. In dem alten Woͤrterverz. (Do- cens Miſc. 1. 211.) wird „Firſumen“ durch dissimulare gioſſirt.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/102>, abgerufen am 24.04.2024.