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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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übereinstimmend gebraucht für: alles anbringen, was man an-
dere thun sieht. Characteristisch aber bedienten sich die alten
Meister dieses Worts für das Aufsuchen und Merken der Feh-
ler im Gesang. Es ist unnöthig, die Stellen auszuzeichnen,
in denen es in dem allgemeinen Sinn vorkommt 80), oder
solche, wo man zwischen diesem und dem engeren zweifelhaft
bleiben könnte. Ich beschränke mich bloß auf die hauptsächlich-
sten derjenigen, wo die meistersängerische Terminologie hervor-
leuchtet.

a) Die berühmte Stelle im Wilh. v. Orlenz. Vergl. Docen
Misc. 2. 155.

b) Tyturel Str. 1141. an spähender Merke versessen. 1144.
sich der Merke rühmen. 2938. (nachdem ein Streit gewesen)
die Richte (Entscheidung) merken. 6006. es jehent die merk-
reichen, daß ich die und die Fehler in meinen Gedichten ge-
macht.

Und so scheinen noch einige andere Wörter: prüfen,
spähen, kiesen
außer der unleugbaren allgemeinern Bezie-
hung 81) gleicherweise auf den Meistersang angewandt worden

80) Man sollte denken, es habe eigene Sittenwächter und Anbrin-
ger gegeben, so häufig sind Beispiele, als wäre man vor ihnen
in Furcht gewesen, und sie hätten manchen geschadet. cf. Man.
Samml. I. 91 97. 103. 160. 173. II. 96. 106. 182. 187 etc.
Allgemein heißt es im Parzifal (8846): merchäre, u. Eneidt
1640. und bei Reimar von Zw. (2. 127.) Gedank und Merken
kann niemand erwehren. Ecken Ausf. 145. von den die mer-
ken können. Vergl. auch den Goldener Str. III. am Schluß
und Rumelant CCCLXVIII. Späterhin bediente man sich viel
mehr des Namens Kläffer für solche Merker im allgemeinen
Sinn; Heinrich von Mor. 1. 55. sagt Schimpfer. Im allg.
Sinn brauchen auch altfranzös. Gedichte das Wort: noter.
Cf. Meon fabliaux. T. 2. p. 196. v. 193.
81) Prüfen heißt ganz eigentlich: etwas untersuchen, ob es gut u.
recht ist, probare, provar; in den Nibelungen häufig Wat oder
Gewand prüfen.

uͤbereinſtimmend gebraucht fuͤr: alles anbringen, was man an-
dere thun ſieht. Characteriſtiſch aber bedienten ſich die alten
Meiſter dieſes Worts fuͤr das Aufſuchen und Merken der Feh-
ler im Geſang. Es iſt unnoͤthig, die Stellen auszuzeichnen,
in denen es in dem allgemeinen Sinn vorkommt 80), oder
ſolche, wo man zwiſchen dieſem und dem engeren zweifelhaft
bleiben koͤnnte. Ich beſchraͤnke mich bloß auf die hauptſaͤchlich-
ſten derjenigen, wo die meiſterſaͤngeriſche Terminologie hervor-
leuchtet.

a) Die beruͤhmte Stelle im Wilh. v. Orlenz. Vergl. Docen
Miſc. 2. 155.

b) Tyturel Str. 1141. an ſpaͤhender Merke verſeſſen. 1144.
ſich der Merke ruͤhmen. 2938. (nachdem ein Streit geweſen)
die Richte (Entſcheidung) merken. 6006. es jehent die merk-
reichen, daß ich die und die Fehler in meinen Gedichten ge-
macht.

Und ſo ſcheinen noch einige andere Woͤrter: pruͤfen,
ſpaͤhen, kieſen
außer der unleugbaren allgemeinern Bezie-
hung 81) gleicherweiſe auf den Meiſterſang angewandt worden

80) Man ſollte denken, es habe eigene Sittenwaͤchter und Anbrin-
ger gegeben, ſo haͤufig ſind Beiſpiele, als waͤre man vor ihnen
in Furcht geweſen, und ſie haͤtten manchen geſchadet. cf. Man.
Samml. I. 91 97. 103. 160. 173. II. 96. 106. 182. 187 ꝛc.
Allgemein heißt es im Parzifal (8846): merchaͤre, u. Eneidt
1640. und bei Reimar von Zw. (2. 127.) Gedank und Merken
kann niemand erwehren. Ecken Ausf. 145. von den die mer-
ken koͤnnen. Vergl. auch den Goldener Str. III. am Schluß
und Rumelant CCCLXVIII. Spaͤterhin bediente man ſich viel
mehr des Namens Klaͤffer fuͤr ſolche Merker im allgemeinen
Sinn; Heinrich von Mor. 1. 55. ſagt Schimpfer. Im allg.
Sinn brauchen auch altfranzoͤſ. Gedichte das Wort: noter.
Cf. Meon fabliaux. T. 2. p. 196. v. 193.
81) Pruͤfen heißt ganz eigentlich: etwas unterſuchen, ob es gut u.
recht iſt, probare, provar; in den Nibelungen haͤufig Wat oder
Gewand pruͤfen.
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[94/0104] uͤbereinſtimmend gebraucht fuͤr: alles anbringen, was man an- dere thun ſieht. Characteriſtiſch aber bedienten ſich die alten Meiſter dieſes Worts fuͤr das Aufſuchen und Merken der Feh- ler im Geſang. Es iſt unnoͤthig, die Stellen auszuzeichnen, in denen es in dem allgemeinen Sinn vorkommt 80), oder ſolche, wo man zwiſchen dieſem und dem engeren zweifelhaft bleiben koͤnnte. Ich beſchraͤnke mich bloß auf die hauptſaͤchlich- ſten derjenigen, wo die meiſterſaͤngeriſche Terminologie hervor- leuchtet. a) Die beruͤhmte Stelle im Wilh. v. Orlenz. Vergl. Docen Miſc. 2. 155. b) Tyturel Str. 1141. an ſpaͤhender Merke verſeſſen. 1144. ſich der Merke ruͤhmen. 2938. (nachdem ein Streit geweſen) die Richte (Entſcheidung) merken. 6006. es jehent die merk- reichen, daß ich die und die Fehler in meinen Gedichten ge- macht. Und ſo ſcheinen noch einige andere Woͤrter: pruͤfen, ſpaͤhen, kieſen außer der unleugbaren allgemeinern Bezie- hung 81) gleicherweiſe auf den Meiſterſang angewandt worden 80) Man ſollte denken, es habe eigene Sittenwaͤchter und Anbrin- ger gegeben, ſo haͤufig ſind Beiſpiele, als waͤre man vor ihnen in Furcht geweſen, und ſie haͤtten manchen geſchadet. cf. Man. Samml. I. 91 97. 103. 160. 173. II. 96. 106. 182. 187 ꝛc. Allgemein heißt es im Parzifal (8846): merchaͤre, u. Eneidt 1640. und bei Reimar von Zw. (2. 127.) Gedank und Merken kann niemand erwehren. Ecken Ausf. 145. von den die mer- ken koͤnnen. Vergl. auch den Goldener Str. III. am Schluß und Rumelant CCCLXVIII. Spaͤterhin bediente man ſich viel mehr des Namens Klaͤffer fuͤr ſolche Merker im allgemeinen Sinn; Heinrich von Mor. 1. 55. ſagt Schimpfer. Im allg. Sinn brauchen auch altfranzoͤſ. Gedichte das Wort: noter. Cf. Meon fabliaux. T. 2. p. 196. v. 193. 81) Pruͤfen heißt ganz eigentlich: etwas unterſuchen, ob es gut u. recht iſt, probare, provar; in den Nibelungen haͤufig Wat oder Gewand pruͤfen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/104>, abgerufen am 28.03.2024.