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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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Maneß. Samml. 1. 38. singt ein Ritter in des Kiuren-
bergers
Weise, welches dieser übel zu deuten scheint. Doch
ist die Stelle dunkel und leidet andere Auslegung 93).

Wizlau nennt des Ungelarten sehnende Weise, was
man doch wohl nicht so allgemein als durch Liebeslied erklären
darf. Burkart 1. 87. die vil süße Stadelwise.

Auf neue Töne legen die Dichter dadurch Gewicht, daß
sie ihrer Neuheit ausdrücklich erwähnen. Sachsendorf fängt
ein Lied an: "in diesem neuen Tone wollte ich gerne neue
Lieder singen." Von Raute am Schluß eines anderen (2. 47.)
verspricht, von so süßer Handelung ein hohes neues Lied in
süßer Weise zu singen. Nicht anders Meister Sigeher 2. 220.
"ich beginne an in diesem Tone", und 221: "an dem ich be-
ginne in diesem neuen Tone." Vergl. Rumelant CCCLVII.
CCCLXII.
Helleviur CLXXX: "in dieser Weise das erste Lied."
Hermann Damen XXXVI: "in diesem neuen Tone." Tanhau-
ser klagt 2. 69. er könne keinen guten Ton, gebe ihm jemand
dergleichen, so wolle er schon Minnelieder singen. Rubin 1. 170.
er habe der Minne so manchen Ton gesungen. Courad 2. 207.
von resen (rauhen) Tönen.

Beim Niederschreiben der Lieder scheint man Anfangs auch
die Töne gar nicht unterschieden zu haben, wir sehen aus Raß-
manns Vergleichung der Originalhandschrift, daß selbst die bei
Werners von Honberg (1. 24. 25.) auf einmal befindliche Ru-
brik jedes Lieds: "ein ander Ton" spätere Zuthat war. So
möchte auch einem Lied Walters (1. 137.) erst späterhin die

93) Sollte der in diesem Lied vorkommende Name Kiurenberger
allgemeiner zu nehmen seyn? Kürer heißt auf altdänisch so
viel als Wächter (K. V. p. 60. Str. 20. p. 615. Str. 18. und in
W. H. 2. 284. steht ein Tagelied des Wächters des edeln von
Kerenstein. Im W. Kr. (Ms. jen. Docen Str. 70.) ein
Kberenbere der Limburgere. Spangenberg (Adelsp. fol. 93vo)
nennt indessen Kürner von Kürnberg einen baierischen Adel.

Maneß. Samml. 1. 38. ſingt ein Ritter in des Kiuren-
bergers
Weiſe, welches dieſer uͤbel zu deuten ſcheint. Doch
iſt die Stelle dunkel und leidet andere Auslegung 93).

Wizlau nennt des Ungelarten ſehnende Weiſe, was
man doch wohl nicht ſo allgemein als durch Liebeslied erklaͤren
darf. Burkart 1. 87. die vil ſuͤße Stadelwiſe.

Auf neue Toͤne legen die Dichter dadurch Gewicht, daß
ſie ihrer Neuheit ausdruͤcklich erwaͤhnen. Sachſendorf faͤngt
ein Lied an: „in dieſem neuen Tone wollte ich gerne neue
Lieder ſingen.“ Von Raute am Schluß eines anderen (2. 47.)
verſpricht, von ſo ſuͤßer Handelung ein hohes neues Lied in
ſuͤßer Weiſe zu ſingen. Nicht anders Meiſter Sigeher 2. 220.
„ich beginne an in dieſem Tone“, und 221: „an dem ich be-
ginne in dieſem neuen Tone.“ Vergl. Rumelant CCCLVII.
CCCLXII.
Helleviur CLXXX: „in dieſer Weiſe das erſte Lied.“
Hermann Damen XXXVI: „in dieſem neuen Tone.“ Tanhau-
ſer klagt 2. 69. er koͤnne keinen guten Ton, gebe ihm jemand
dergleichen, ſo wolle er ſchon Minnelieder ſingen. Rubin 1. 170.
er habe der Minne ſo manchen Ton geſungen. Courad 2. 207.
von reſen (rauhen) Toͤnen.

Beim Niederſchreiben der Lieder ſcheint man Anfangs auch
die Toͤne gar nicht unterſchieden zu haben, wir ſehen aus Raß-
manns Vergleichung der Originalhandſchrift, daß ſelbſt die bei
Werners von Honberg (1. 24. 25.) auf einmal befindliche Ru-
brik jedes Lieds: „ein ander Ton“ ſpaͤtere Zuthat war. So
moͤchte auch einem Lied Walters (1. 137.) erſt ſpaͤterhin die

93) Sollte der in dieſem Lied vorkommende Name Kiurenberger
allgemeiner zu nehmen ſeyn? Kuͤrer heißt auf altdaͤniſch ſo
viel als Waͤchter (K. V. p. 60. Str. 20. p. 615. Str. 18. und in
W. H. 2. 284. ſteht ein Tagelied des Waͤchters des edeln von
Kerenſtein. Im W. Kr. (Ms. jen. Docen Str. 70.) ein
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[107/0117] Maneß. Samml. 1. 38. ſingt ein Ritter in des Kiuren- bergers Weiſe, welches dieſer uͤbel zu deuten ſcheint. Doch iſt die Stelle dunkel und leidet andere Auslegung 93). Wizlau nennt des Ungelarten ſehnende Weiſe, was man doch wohl nicht ſo allgemein als durch Liebeslied erklaͤren darf. Burkart 1. 87. die vil ſuͤße Stadelwiſe. Auf neue Toͤne legen die Dichter dadurch Gewicht, daß ſie ihrer Neuheit ausdruͤcklich erwaͤhnen. Sachſendorf faͤngt ein Lied an: „in dieſem neuen Tone wollte ich gerne neue Lieder ſingen.“ Von Raute am Schluß eines anderen (2. 47.) verſpricht, von ſo ſuͤßer Handelung ein hohes neues Lied in ſuͤßer Weiſe zu ſingen. Nicht anders Meiſter Sigeher 2. 220. „ich beginne an in dieſem Tone“, und 221: „an dem ich be- ginne in dieſem neuen Tone.“ Vergl. Rumelant CCCLVII. CCCLXII. Helleviur CLXXX: „in dieſer Weiſe das erſte Lied.“ Hermann Damen XXXVI: „in dieſem neuen Tone.“ Tanhau- ſer klagt 2. 69. er koͤnne keinen guten Ton, gebe ihm jemand dergleichen, ſo wolle er ſchon Minnelieder ſingen. Rubin 1. 170. er habe der Minne ſo manchen Ton geſungen. Courad 2. 207. von reſen (rauhen) Toͤnen. Beim Niederſchreiben der Lieder ſcheint man Anfangs auch die Toͤne gar nicht unterſchieden zu haben, wir ſehen aus Raß- manns Vergleichung der Originalhandſchrift, daß ſelbſt die bei Werners von Honberg (1. 24. 25.) auf einmal befindliche Ru- brik jedes Lieds: „ein ander Ton“ ſpaͤtere Zuthat war. So moͤchte auch einem Lied Walters (1. 137.) erſt ſpaͤterhin die 93) Sollte der in dieſem Lied vorkommende Name Kiurenberger allgemeiner zu nehmen ſeyn? Kuͤrer heißt auf altdaͤniſch ſo viel als Waͤchter (K. V. p. 60. Str. 20. p. 615. Str. 18. und in W. H. 2. 284. ſteht ein Tagelied des Waͤchters des edeln von Kerenſtein. Im W. Kr. (Ms. jen. Docen Str. 70.) ein Kberenbere der Limburgere. Spangenberg (Adelſp. fol. 93vo) nennt indeſſen Kuͤrner von Kuͤrnberg einen baieriſchen Adel.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/117>, abgerufen am 18.04.2024.