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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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tet und verhöhnt. Auf diese Art ist die oben citirte Stelle
Kiurenbergers und vielleicht auch die dunkele Spangenbergs von
Klingsors schwarzem Ton zu nehmen. Der Marner wirft Re-
gimarn v. Zweter (2. 169.) vor, daß er alte Sachen auftische
und nennt ihn: Tönedieb. Noch deutlicher ist eine Strophe
Conrads von Wirzburg (2. 206.) von den schlechten Singern,
die den kunstreichen Meistern Rede und Töne stehlen und sich
damit verdienen.

Ob die nachherige Sitte: gewisse vorzüglich gefallende
Töne zu krönen, früher schon statt gefunden? läßt sich nicht
gut ausmachen. Es gab später vier gekrönte Töne, die vier
langen von Marner, Frauenlob, Regenbogen und Mögeling,
denn offenbar begünstigte man das Mühsame in dem Langen,
vielleicht ist Marners Ton erst nach seinen Lebzeiten gekrönt
worden. Zu Anfang des 14ten Jahrhunderts war indessen der
Gebrauch sicher bekannt, Frauenlob redet 2. 215. deutlich vom
Krönen des Sanges, Mögelin (Götting. Ms. XIII. Str. 1.)
will einen gekrönten Reien singen, und im Weimar. Codex in
einem der letzten Gesänge, ist auch von einem Singen des ge-
krönten Horts, und von dem Krönen desselben mit den sieben
Töchtern, freien, die Rede. Der letzte Beisatz weist wieder
aufs 14te Jahrhundert. Was der von Klingen 1. 32. sagt,
daß er aus den manchen Tönen seiner Frau einen krönen
wolle, kann dem Zusammenhange nach auch nichts mehr als:
schmücken, zieren bedeuten; doch finden wir auch bei Nithart
2. 75: "einen neuen Reien Sanges krönen." Aus Wagenseil
554. erhellt, daß die späteren Meister mit Kränzlein geziert
wurden, welches an Titurel Str. 5314. (wo vom Bekränzen
der Meister) und Gottfried erinnert, wenn er dem Auer den
Lorbeerzweig zuspricht, wie denn auch Geltar (2. 119.), in un-
verhohlen irdischer Gesinnung, für seinen Gesang lieber vier
Kappen, als ein Krenzelin nehmen will. Der Lohn durch Be-

tet und verhoͤhnt. Auf dieſe Art iſt die oben citirte Stelle
Kiurenbergers und vielleicht auch die dunkele Spangenbergs von
Klingſors ſchwarzem Ton zu nehmen. Der Marner wirft Re-
gimarn v. Zweter (2. 169.) vor, daß er alte Sachen auftiſche
und nennt ihn: Toͤnedieb. Noch deutlicher iſt eine Strophe
Conrads von Wirzburg (2. 206.) von den ſchlechten Singern,
die den kunſtreichen Meiſtern Rede und Toͤne ſtehlen und ſich
damit verdienen.

Ob die nachherige Sitte: gewiſſe vorzuͤglich gefallende
Toͤne zu kroͤnen, fruͤher ſchon ſtatt gefunden? laͤßt ſich nicht
gut ausmachen. Es gab ſpaͤter vier gekroͤnte Toͤne, die vier
langen von Marner, Frauenlob, Regenbogen und Moͤgeling,
denn offenbar beguͤnſtigte man das Muͤhſame in dem Langen,
vielleicht iſt Marners Ton erſt nach ſeinen Lebzeiten gekroͤnt
worden. Zu Anfang des 14ten Jahrhunderts war indeſſen der
Gebrauch ſicher bekannt, Frauenlob redet 2. 215. deutlich vom
Kroͤnen des Sanges, Moͤgelin (Goͤtting. Ms. XIII. Str. 1.)
will einen gekroͤnten Reien ſingen, und im Weimar. Codex in
einem der letzten Geſaͤnge, iſt auch von einem Singen des ge-
kroͤnten Horts, und von dem Kroͤnen desſelben mit den ſieben
Toͤchtern, freien, die Rede. Der letzte Beiſatz weiſt wieder
aufs 14te Jahrhundert. Was der von Klingen 1. 32. ſagt,
daß er aus den manchen Toͤnen ſeiner Frau einen kroͤnen
wolle, kann dem Zuſammenhange nach auch nichts mehr als:
ſchmuͤcken, zieren bedeuten; doch finden wir auch bei Nithart
2. 75: „einen neuen Reien Sanges kroͤnen.“ Aus Wagenſeil
554. erhellt, daß die ſpaͤteren Meiſter mit Kraͤnzlein geziert
wurden, welches an Titurel Str. 5314. (wo vom Bekraͤnzen
der Meiſter) und Gottfried erinnert, wenn er dem Auer den
Lorbeerzweig zuſpricht, wie denn auch Geltar (2. 119.), in un-
verhohlen irdiſcher Geſinnung, fuͤr ſeinen Geſang lieber vier
Kappen, als ein Krenzelin nehmen will. Der Lohn durch Be-

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[114/0124] tet und verhoͤhnt. Auf dieſe Art iſt die oben citirte Stelle Kiurenbergers und vielleicht auch die dunkele Spangenbergs von Klingſors ſchwarzem Ton zu nehmen. Der Marner wirft Re- gimarn v. Zweter (2. 169.) vor, daß er alte Sachen auftiſche und nennt ihn: Toͤnedieb. Noch deutlicher iſt eine Strophe Conrads von Wirzburg (2. 206.) von den ſchlechten Singern, die den kunſtreichen Meiſtern Rede und Toͤne ſtehlen und ſich damit verdienen. Ob die nachherige Sitte: gewiſſe vorzuͤglich gefallende Toͤne zu kroͤnen, fruͤher ſchon ſtatt gefunden? laͤßt ſich nicht gut ausmachen. Es gab ſpaͤter vier gekroͤnte Toͤne, die vier langen von Marner, Frauenlob, Regenbogen und Moͤgeling, denn offenbar beguͤnſtigte man das Muͤhſame in dem Langen, vielleicht iſt Marners Ton erſt nach ſeinen Lebzeiten gekroͤnt worden. Zu Anfang des 14ten Jahrhunderts war indeſſen der Gebrauch ſicher bekannt, Frauenlob redet 2. 215. deutlich vom Kroͤnen des Sanges, Moͤgelin (Goͤtting. Ms. XIII. Str. 1.) will einen gekroͤnten Reien ſingen, und im Weimar. Codex in einem der letzten Geſaͤnge, iſt auch von einem Singen des ge- kroͤnten Horts, und von dem Kroͤnen desſelben mit den ſieben Toͤchtern, freien, die Rede. Der letzte Beiſatz weiſt wieder aufs 14te Jahrhundert. Was der von Klingen 1. 32. ſagt, daß er aus den manchen Toͤnen ſeiner Frau einen kroͤnen wolle, kann dem Zuſammenhange nach auch nichts mehr als: ſchmuͤcken, zieren bedeuten; doch finden wir auch bei Nithart 2. 75: „einen neuen Reien Sanges kroͤnen.“ Aus Wagenſeil 554. erhellt, daß die ſpaͤteren Meiſter mit Kraͤnzlein geziert wurden, welches an Titurel Str. 5314. (wo vom Bekraͤnzen der Meiſter) und Gottfried erinnert, wenn er dem Auer den Lorbeerzweig zuſpricht, wie denn auch Geltar (2. 119.), in un- verhohlen irdiſcher Geſinnung, fuͤr ſeinen Geſang lieber vier Kappen, als ein Krenzelin nehmen will. Der Lohn durch Be-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/124>, abgerufen am 19.04.2024.