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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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theilung der Stollen und Abgesänge nicht geben und keine
Tönenamen anführen. Letzteres ist z. B. in drei vaticanischen
Ms. (Nr. 350. 392 und 680.) 111) immer der Fall. Inzwi-
schen ist hier deutlich manches erst später üblich geworden, wie
z. B. das Beifügen von Jahr und Tag vermuthlich erst nach
Hans Sachs. Von den Tönen habe ich vorhin meine Meinung
geäußert, eben so verhält es sich mit den Namen derselben.
So bald sie bei zugegebenen Meisterliedern fehlen, kann es
nicht befremden, daß sie auch nicht vor Minneliedern stehen.
Manches beruht auf zufälliger Bequemlichkeit und Kenntniß
des Copisten, oder dem Fleiß und den Kosten, die man auf
eine Abschrift wenden ließ. So haben viele Meistergesangbü-
cher aus dem 17ten Jahrhundert Musiknoten, andere wieder
nicht, warum hat ihrer also die sorgsame Jenaische Handschrift
ebenfalls, da sie dagegen den meisten andern abgehen? Warum
fügen einige H. S. von Minneliedern die Namen der Dichter
hinzu (wie die Maneßische) und andere nicht? (z. B. die H. S.
der Leipz. Rathsbibl.); eben so halten es auch die H. S. spä-
terer Meisterlieder in ihrer äußeren Einrichtung.

VII. Geographische Ausbreitung.

Folgende Wahrnehmung verdient gleichfalls Erwägung, be-
sonders nach allem, was vorhergegangen. Es ist bekannt, daß
die alten Meister aus Süddeutschland hauptsächlich aus Schwa-

111) Wie gewünscht hätte ich, namentlich diesen Codex benutzen zu
dürsen! Die von Adelung daraus verzeichneten Lieder 10. 18.
28. 29. 31. 32. 37. können gar manche Erläuterung enthalten.
Bloß schon wegen der Töne müssen sie wichtig seyn, so wie die
zu Dresden liegenden zwei und zwanzig Bände, Meistergesänge
aus dem 16ten u. 17ten Jahrh. enthaltend, besonders Nr. 13,
aus dem 15ten Jahrh. Die Einsicht dieser Quellen war mir
vorerst theils unmöglich, theils zu umständlich, so sehr ich den
Mangel fühle.

theilung der Stollen und Abgeſaͤnge nicht geben und keine
Toͤnenamen anfuͤhren. Letzteres iſt z. B. in drei vaticaniſchen
Ms. (Nr. 350. 392 und 680.) 111) immer der Fall. Inzwi-
ſchen iſt hier deutlich manches erſt ſpaͤter uͤblich geworden, wie
z. B. das Beifuͤgen von Jahr und Tag vermuthlich erſt nach
Hans Sachs. Von den Toͤnen habe ich vorhin meine Meinung
geaͤußert, eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Namen derſelben.
So bald ſie bei zugegebenen Meiſterliedern fehlen, kann es
nicht befremden, daß ſie auch nicht vor Minneliedern ſtehen.
Manches beruht auf zufaͤlliger Bequemlichkeit und Kenntniß
des Copiſten, oder dem Fleiß und den Koſten, die man auf
eine Abſchrift wenden ließ. So haben viele Meiſtergeſangbuͤ-
cher aus dem 17ten Jahrhundert Muſiknoten, andere wieder
nicht, warum hat ihrer alſo die ſorgſame Jenaiſche Handſchrift
ebenfalls, da ſie dagegen den meiſten andern abgehen? Warum
fuͤgen einige H. S. von Minneliedern die Namen der Dichter
hinzu (wie die Maneßiſche) und andere nicht? (z. B. die H. S.
der Leipz. Rathsbibl.); eben ſo halten es auch die H. S. ſpaͤ-
terer Meiſterlieder in ihrer aͤußeren Einrichtung.

VII. Geographiſche Ausbreitung.

Folgende Wahrnehmung verdient gleichfalls Erwaͤgung, be-
ſonders nach allem, was vorhergegangen. Es iſt bekannt, daß
die alten Meiſter aus Suͤddeutſchland hauptſaͤchlich aus Schwa-

111) Wie gewuͤnſcht haͤtte ich, namentlich dieſen Codex benutzen zu
duͤrſen! Die von Adelung daraus verzeichneten Lieder 10. 18.
28. 29. 31. 32. 37. koͤnnen gar manche Erlaͤuterung enthalten.
Bloß ſchon wegen der Toͤne muͤſſen ſie wichtig ſeyn, ſo wie die
zu Dresden liegenden zwei und zwanzig Baͤnde, Meiſtergeſaͤnge
aus dem 16ten u. 17ten Jahrh. enthaltend, beſonders Nr. 13,
aus dem 15ten Jahrh. Die Einſicht dieſer Quellen war mir
vorerſt theils unmoͤglich, theils zu umſtaͤndlich, ſo ſehr ich den
Mangel fuͤhle.
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[127/0137] theilung der Stollen und Abgeſaͤnge nicht geben und keine Toͤnenamen anfuͤhren. Letzteres iſt z. B. in drei vaticaniſchen Ms. (Nr. 350. 392 und 680.) 111) immer der Fall. Inzwi- ſchen iſt hier deutlich manches erſt ſpaͤter uͤblich geworden, wie z. B. das Beifuͤgen von Jahr und Tag vermuthlich erſt nach Hans Sachs. Von den Toͤnen habe ich vorhin meine Meinung geaͤußert, eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Namen derſelben. So bald ſie bei zugegebenen Meiſterliedern fehlen, kann es nicht befremden, daß ſie auch nicht vor Minneliedern ſtehen. Manches beruht auf zufaͤlliger Bequemlichkeit und Kenntniß des Copiſten, oder dem Fleiß und den Koſten, die man auf eine Abſchrift wenden ließ. So haben viele Meiſtergeſangbuͤ- cher aus dem 17ten Jahrhundert Muſiknoten, andere wieder nicht, warum hat ihrer alſo die ſorgſame Jenaiſche Handſchrift ebenfalls, da ſie dagegen den meiſten andern abgehen? Warum fuͤgen einige H. S. von Minneliedern die Namen der Dichter hinzu (wie die Maneßiſche) und andere nicht? (z. B. die H. S. der Leipz. Rathsbibl.); eben ſo halten es auch die H. S. ſpaͤ- terer Meiſterlieder in ihrer aͤußeren Einrichtung. VII. Geographiſche Ausbreitung. Folgende Wahrnehmung verdient gleichfalls Erwaͤgung, be- ſonders nach allem, was vorhergegangen. Es iſt bekannt, daß die alten Meiſter aus Suͤddeutſchland hauptſaͤchlich aus Schwa- 111) Wie gewuͤnſcht haͤtte ich, namentlich dieſen Codex benutzen zu duͤrſen! Die von Adelung daraus verzeichneten Lieder 10. 18. 28. 29. 31. 32. 37. koͤnnen gar manche Erlaͤuterung enthalten. Bloß ſchon wegen der Toͤne muͤſſen ſie wichtig ſeyn, ſo wie die zu Dresden liegenden zwei und zwanzig Baͤnde, Meiſtergeſaͤnge aus dem 16ten u. 17ten Jahrh. enthaltend, beſonders Nr. 13, aus dem 15ten Jahrh. Die Einſicht dieſer Quellen war mir vorerſt theils unmoͤglich, theils zu umſtaͤndlich, ſo ſehr ich den Mangel fuͤhle.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/137>, abgerufen am 28.03.2024.