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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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Hier muß ich also noch von einigen berühmten Tönen re-
den, denen wir gleichmäßig in den Verzeichnissen der Meister-
sänger und der Volkspoesie begegnen. Auf den Bremberger
habe ich gleich Anfangs aufmerksam gemacht, wir finden in
der maneßischen Sammlung noch das Muster, woran seine
ungetrübte Schönheit erkannt werden mag, so wie ihn der
Erfinder aufgestellt. Den späteren Namen verdankt er möglich
weniger dieser Erfindung, als einem Lied, worin eine bekannte
Sage auf den altdeutschen Meister, Reinmann von Brennen-
berg übertragen und in dessen eigenem Ton gesungen wird.
Unter den späteren Meistern ist der Ton auch nicht ganz ver-
gessen, obgleich selten vorkommend, Hans Folz dichtete mehre-
res in des Prenbergers Ton und auch Benedict von Watt ci-
tirt ihn in seiner (handschriftlichen) Sammlung von Meister-
gesängen 128).

Ausgebreiteter war der Gebrauch zweier Weisen, welche
die späteren Meister bestimmt dem Wolfram von Eschenbach
zuschreiben, ohne daß sie sich doch in den uns gebliebenen Lie-
dern desselben nachweisen lassen (s. oben.) Die Hönweis
ist die Auflösung des alten großen Nibelungenmaßes in acht
Zeilen, welche den meistersängerischen Typus nicht eben her-
ausheben, wenn sie gleich ihm nicht zuwider. Denn bis in
den spätesten Schulen ist die Weise beliebt und viel gebraucht
und wird in den Handschriften nach Stollen und Abgesang

lich in einer H. S. Clemens Brentanos zu beurtheilen, deren
einige kenntliche Meistergesänge, andere der Manier annähernd,
die man in vielen (man möchte sagen: halb volksmäßigen) un-
ter Forsters frischen Liedlein antrifft. Zu beachten ist für diese
Unterscheidung, wie Hans Sachs (in der Summa seiner Ge-
dichte) die von ihm erfundenen Volkstöne genau von den Mei-
siertönen trennet.
128) Gegen Hagen, Jenaische L. Z. 1810. Nr. 37. p. 291. 292.
Der Ton im Wunderhorn ist ganz sicher der nämliche.

Hier muß ich alſo noch von einigen beruͤhmten Toͤnen re-
den, denen wir gleichmaͤßig in den Verzeichniſſen der Meiſter-
ſaͤnger und der Volkspoeſie begegnen. Auf den Bremberger
habe ich gleich Anfangs aufmerkſam gemacht, wir finden in
der maneßiſchen Sammlung noch das Muſter, woran ſeine
ungetruͤbte Schoͤnheit erkannt werden mag, ſo wie ihn der
Erfinder aufgeſtellt. Den ſpaͤteren Namen verdankt er moͤglich
weniger dieſer Erfindung, als einem Lied, worin eine bekannte
Sage auf den altdeutſchen Meiſter, Reinmann von Brennen-
berg uͤbertragen und in deſſen eigenem Ton geſungen wird.
Unter den ſpaͤteren Meiſtern iſt der Ton auch nicht ganz ver-
geſſen, obgleich ſelten vorkommend, Hans Folz dichtete mehre-
res in des Prenbergers Ton und auch Benedict von Watt ci-
tirt ihn in ſeiner (handſchriftlichen) Sammlung von Meiſter-
geſaͤngen 128).

Ausgebreiteter war der Gebrauch zweier Weiſen, welche
die ſpaͤteren Meiſter beſtimmt dem Wolfram von Eſchenbach
zuſchreiben, ohne daß ſie ſich doch in den uns gebliebenen Lie-
dern desſelben nachweiſen laſſen (ſ. oben.) Die Hoͤnweis
iſt die Aufloͤſung des alten großen Nibelungenmaßes in acht
Zeilen, welche den meiſterſaͤngeriſchen Typus nicht eben her-
ausheben, wenn ſie gleich ihm nicht zuwider. Denn bis in
den ſpaͤteſten Schulen iſt die Weiſe beliebt und viel gebraucht
und wird in den Handſchriften nach Stollen und Abgeſang

lich in einer H. S. Clemens Brentanos zu beurtheilen, deren
einige kenntliche Meiſtergeſaͤnge, andere der Manier annaͤhernd,
die man in vielen (man moͤchte ſagen: halb volksmaͤßigen) un-
ter Forſters friſchen Liedlein antrifft. Zu beachten iſt fuͤr dieſe
Unterſcheidung, wie Hans Sachs (in der Summa ſeiner Ge-
dichte) die von ihm erfundenen Volkstoͤne genau von den Mei-
ſiertoͤnen trennet.
128) Gegen Hagen, Jenaiſche L. Z. 1810. Nr. 37. p. 291. 292.
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[135/0145] Hier muß ich alſo noch von einigen beruͤhmten Toͤnen re- den, denen wir gleichmaͤßig in den Verzeichniſſen der Meiſter- ſaͤnger und der Volkspoeſie begegnen. Auf den Bremberger habe ich gleich Anfangs aufmerkſam gemacht, wir finden in der maneßiſchen Sammlung noch das Muſter, woran ſeine ungetruͤbte Schoͤnheit erkannt werden mag, ſo wie ihn der Erfinder aufgeſtellt. Den ſpaͤteren Namen verdankt er moͤglich weniger dieſer Erfindung, als einem Lied, worin eine bekannte Sage auf den altdeutſchen Meiſter, Reinmann von Brennen- berg uͤbertragen und in deſſen eigenem Ton geſungen wird. Unter den ſpaͤteren Meiſtern iſt der Ton auch nicht ganz ver- geſſen, obgleich ſelten vorkommend, Hans Folz dichtete mehre- res in des Prenbergers Ton und auch Benedict von Watt ci- tirt ihn in ſeiner (handſchriftlichen) Sammlung von Meiſter- geſaͤngen 128). Ausgebreiteter war der Gebrauch zweier Weiſen, welche die ſpaͤteren Meiſter beſtimmt dem Wolfram von Eſchenbach zuſchreiben, ohne daß ſie ſich doch in den uns gebliebenen Lie- dern desſelben nachweiſen laſſen (ſ. oben.) Die Hoͤnweis iſt die Aufloͤſung des alten großen Nibelungenmaßes in acht Zeilen, welche den meiſterſaͤngeriſchen Typus nicht eben her- ausheben, wenn ſie gleich ihm nicht zuwider. Denn bis in den ſpaͤteſten Schulen iſt die Weiſe beliebt und viel gebraucht und wird in den Handſchriften nach Stollen und Abgeſang 127) 128) Gegen Hagen, Jenaiſche L. Z. 1810. Nr. 37. p. 291. 292. Der Ton im Wunderhorn iſt ganz ſicher der naͤmliche. 127) lich in einer H. S. Clemens Brentanos zu beurtheilen, deren einige kenntliche Meiſtergeſaͤnge, andere der Manier annaͤhernd, die man in vielen (man moͤchte ſagen: halb volksmaͤßigen) un- ter Forſters friſchen Liedlein antrifft. Zu beachten iſt fuͤr dieſe Unterſcheidung, wie Hans Sachs (in der Summa ſeiner Ge- dichte) die von ihm erfundenen Volkstoͤne genau von den Mei- ſiertoͤnen trennet.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/145>, abgerufen am 19.04.2024.