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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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aber ist die Bemerkung (S. 170.), daß der Schmiedhammertact
auf den abgezählten Silben und Reimfall unverkennbar ein-
gewirkt, hätte hier Herr v Hagen nicht durchs Tuch geblickt, so
hätte er nichts gerathen; Schade, daß die goldne Schmiede nicht
von ihm, sondern Conrad gesungen worden ist; bei den späteren
Meistern müßten wir dann noch mannichfaltigere Einflüsse der
Pfrieme, Nadel etc. wahrnehmen, mir scheinen Frauenlobs Lieder
nicht weniger, wo nicht mehr zusammengeschweißt, als die des
Regenbogen. Merkwürdig ist auch dieser Gesang über die Unei-
nigkeit der letzt genannten Meistersänger, S 82. m. Abb.; das
Spotten und Strafen ist wie im Wartburger Krieg, (S. 78. m A.)
übrigens sieht man, daß gleich den späteren der bürgerliche Mei-
ster von höflichem Gesang ausgeht und vor Kaiser und Fürsten
singen will.

Am belehrendsten über die damalige Meisterkunst bleibt Nr.
10. von Conrad von Wirzburg und einzelne Terminologien, denen
vorher schwerlich Docen ein solches Alter zugetrauet hätte fin-
den hier die Rechtfertigung, wie: Differenzen (Buchstaben
versetzen, oder Wiederhohlen desselben Worts in einerlei Zeit)
und schullende Reime, (denn statt: Unterfutter im Abges.
der ersten Strophe muß offenbar: unterschulle gelesen werden etc.)
wogegen wir auch einige neue späterhin verlorene kennen lernen.
Dahin selbst die merkwürdigen Fordernisse, die Conrad nach den
Buchstaben macht, ähnlich dem Reinmar der Man. 2. 154 aus
denen im Wort Maria die göttlichen Eigenschaften erläutert. Die
Reiel sind regelmäßige Tanzlieder, unregelmäßige würden wohl
zu den Leichen gehören. Sonderbar, daß der hier abgedruckte
gulden Reyel, bei ganz gleichen Reimen in dem ersten Stollen die
zweite und dritte Zeile Silben verkürzt, da wir nun hier einen ge-
wissen Meistergesang vor uns haben, so wird die oben im Tyturel
(S. 59 u. 61.) bemerkte Anomalie ganz willkommen erläutert und
ist derselben Erklärung fähig. Der Hofeweiser werden mit Be-
deutung zwölfe verlangt, und vielleicht damit zu damaliger Zeit
noch die Minnepoesie, als an den Höfen die beliebteste gemeint.
Man erwäge, daß hier z. B. Nr. 3. ein Minnelied Muscablüts
in dessen Hofweise gehet, wie ein anderes im Mus. 1. 123. ab-
gedrucktes, auch zum Beweis, daß die Minnelieder, gleich den
andern meistersängerische Tönenamen gehabt, wie ich in m. Abh.
S. 185. behauptet habe. Am aller merkwürdigsten sind aber die
von jedem Meister gefoderten 12 Barant und 3 Schalltöne, über
deren Wesen uns die Colmarer H. S. hoffentlich noch Aufschluß
geben wird. So viel ist deutlich, daß das Bar aus dem Parat
Barat geworden ist, wonach meine Note 61. etwas zu berichtigen
wäre, imgleichen durch das Schall meine 189ste.


aber iſt die Bemerkung (S. 170.), daß der Schmiedhammertact
auf den abgezaͤhlten Silben und Reimfall unverkennbar ein-
gewirkt, haͤtte hier Herr v Hagen nicht durchs Tuch geblickt, ſo
haͤtte er nichts gerathen; Schade, daß die goldne Schmiede nicht
von ihm, ſondern Conrad geſungen worden iſt; bei den ſpaͤteren
Meiſtern muͤßten wir dann noch mannichfaltigere Einfluͤſſe der
Pfrieme, Nadel ꝛc. wahrnehmen, mir ſcheinen Frauenlobs Lieder
nicht weniger, wo nicht mehr zuſammengeſchweißt, als die des
Regenbogen. Merkwuͤrdig iſt auch dieſer Geſang uͤber die Unei-
nigkeit der letzt genannten Meiſterſaͤnger, S 82. m. Abb.; das
Spotten und Strafen iſt wie im Wartburger Krieg, (S. 78. m A.)
uͤbrigens ſieht man, daß gleich den ſpaͤteren der buͤrgerliche Mei-
ſter von hoͤflichem Geſang ausgeht und vor Kaiſer und Fuͤrſten
ſingen will.

Am belehrendſten uͤber die damalige Meiſterkunſt bleibt Nr.
10. von Conrad von Wirzburg und einzelne Terminologien, denen
vorher ſchwerlich Docen ein ſolches Alter zugetrauet haͤtte fin-
den hier die Rechtfertigung, wie: Differenzen (Buchſtaben
verſetzen, oder Wiederhohlen desſelben Worts in einerlei Zeit)
und ſchullende Reime, (denn ſtatt: Unterfutter im Abgeſ.
der erſten Strophe muß offenbar: unterſchulle geleſen werden ꝛc.)
wogegen wir auch einige neue ſpaͤterhin verlorene kennen lernen.
Dahin ſelbſt die merkwuͤrdigen Forderniſſe, die Conrad nach den
Buchſtaben macht, aͤhnlich dem Reinmar der Man. 2. 154 aus
denen im Wort Maria die goͤttlichen Eigenſchaften erlaͤutert. Die
Reiel ſind regelmaͤßige Tanzlieder, unregelmaͤßige wuͤrden wohl
zu den Leichen gehoͤren. Sonderbar, daß der hier abgedruckte
gulden Reyel, bei ganz gleichen Reimen in dem erſten Stollen die
zweite und dritte Zeile Silben verkuͤrzt, da wir nun hier einen ge-
wiſſen Meiſtergeſang vor uns haben, ſo wird die oben im Tyturel
(S. 59 u. 61.) bemerkte Anomalie ganz willkommen erlaͤutert und
iſt derſelben Erklaͤrung faͤhig. Der Hofeweiſer werden mit Be-
deutung zwoͤlfe verlangt, und vielleicht damit zu damaliger Zeit
noch die Minnepoeſie, als an den Hoͤfen die beliebteſte gemeint.
Man erwaͤge, daß hier z. B. Nr. 3. ein Minnelied Muſcabluͤts
in deſſen Hofweiſe gehet, wie ein anderes im Muſ. 1. 123. ab-
gedrucktes, auch zum Beweis, daß die Minnelieder, gleich den
andern meiſterſaͤngeriſche Toͤnenamen gehabt, wie ich in m. Abh.
S. 185. behauptet habe. Am aller merkwuͤrdigſten ſind aber die
von jedem Meiſter gefoderten 12 Barant und 3 Schalltoͤne, uͤber
deren Weſen uns die Colmarer H. S. hoffentlich noch Aufſchluß
geben wird. So viel iſt deutlich, daß das Bar aus dem Parat
Barat geworden iſt, wonach meine Note 61. etwas zu berichtigen
waͤre, imgleichen durch das Schall meine 189ſte.


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[193/0203] aber iſt die Bemerkung (S. 170.), daß der Schmiedhammertact auf den abgezaͤhlten Silben und Reimfall unverkennbar ein- gewirkt, haͤtte hier Herr v Hagen nicht durchs Tuch geblickt, ſo haͤtte er nichts gerathen; Schade, daß die goldne Schmiede nicht von ihm, ſondern Conrad geſungen worden iſt; bei den ſpaͤteren Meiſtern muͤßten wir dann noch mannichfaltigere Einfluͤſſe der Pfrieme, Nadel ꝛc. wahrnehmen, mir ſcheinen Frauenlobs Lieder nicht weniger, wo nicht mehr zuſammengeſchweißt, als die des Regenbogen. Merkwuͤrdig iſt auch dieſer Geſang uͤber die Unei- nigkeit der letzt genannten Meiſterſaͤnger, S 82. m. Abb.; das Spotten und Strafen iſt wie im Wartburger Krieg, (S. 78. m A.) uͤbrigens ſieht man, daß gleich den ſpaͤteren der buͤrgerliche Mei- ſter von hoͤflichem Geſang ausgeht und vor Kaiſer und Fuͤrſten ſingen will. Am belehrendſten uͤber die damalige Meiſterkunſt bleibt Nr. 10. von Conrad von Wirzburg und einzelne Terminologien, denen vorher ſchwerlich Docen ein ſolches Alter zugetrauet haͤtte fin- den hier die Rechtfertigung, wie: Differenzen (Buchſtaben verſetzen, oder Wiederhohlen desſelben Worts in einerlei Zeit) und ſchullende Reime, (denn ſtatt: Unterfutter im Abgeſ. der erſten Strophe muß offenbar: unterſchulle geleſen werden ꝛc.) wogegen wir auch einige neue ſpaͤterhin verlorene kennen lernen. Dahin ſelbſt die merkwuͤrdigen Forderniſſe, die Conrad nach den Buchſtaben macht, aͤhnlich dem Reinmar der Man. 2. 154 aus denen im Wort Maria die goͤttlichen Eigenſchaften erlaͤutert. Die Reiel ſind regelmaͤßige Tanzlieder, unregelmaͤßige wuͤrden wohl zu den Leichen gehoͤren. Sonderbar, daß der hier abgedruckte gulden Reyel, bei ganz gleichen Reimen in dem erſten Stollen die zweite und dritte Zeile Silben verkuͤrzt, da wir nun hier einen ge- wiſſen Meiſtergeſang vor uns haben, ſo wird die oben im Tyturel (S. 59 u. 61.) bemerkte Anomalie ganz willkommen erlaͤutert und iſt derſelben Erklaͤrung faͤhig. Der Hofeweiſer werden mit Be- deutung zwoͤlfe verlangt, und vielleicht damit zu damaliger Zeit noch die Minnepoeſie, als an den Hoͤfen die beliebteſte gemeint. Man erwaͤge, daß hier z. B. Nr. 3. ein Minnelied Muſcabluͤts in deſſen Hofweiſe gehet, wie ein anderes im Muſ. 1. 123. ab- gedrucktes, auch zum Beweis, daß die Minnelieder, gleich den andern meiſterſaͤngeriſche Toͤnenamen gehabt, wie ich in m. Abh. S. 185. behauptet habe. Am aller merkwuͤrdigſten ſind aber die von jedem Meiſter gefoderten 12 Barant und 3 Schalltoͤne, uͤber deren Weſen uns die Colmarer H. S. hoffentlich noch Aufſchluß geben wird. So viel iſt deutlich, daß das Bar aus dem Parat Barat geworden iſt, wonach meine Note 61. etwas zu berichtigen waͤre, imgleichen durch das Schall meine 189ſte.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/203>, abgerufen am 28.03.2024.