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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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Lichtenstein 2. 30. 31. (ir edeln frowen etc.)
Derselbe 2. 32. (alle die in etc.) Dritte kurz.
Alram 2. 110. (mich dunket etc.)
v. Regensburg 2. 117. Dritte kürzer.

so wie auch einige sechszeilige, als:

Milons von Sevelingen Lieder (die zwei letzten Stro-
phen gehören ihm schwerlich.)
Kol von Niussen.

In den gleich zugefügten Anmerkungen habe ich nun schon dar-
gethan, wie sich die Zeilen des Abgesangs meistens äußerlich
unterscheiden, und selbst was die ganz gleichzeitigen darunter
betrifft, so komme ich auf meine obige Bemerkung zurück, daß
uns hier die Musik fehlt, welche nicht anders als in den Ni-
belungen die drei Theile bestimmt haben wird. Da ich an-
nehme, daß der Meistersang nicht allein die Sitte der Volks-
dichter beibehalten, sondern auch sein eigenes Princip aus dem
Volksgesang geschöpft und nur äußerlich aufgestellt und fortge-
führt hat, so finde ich es ganz natürlich, daß die Form dieser
einfachen Lieder an den Volksgesang erinnere. Ich halte sie
übrigens für vortrefflich und größten Theils sehr alt, man
glaubt in ihnen die Grundlage aller Liebeslieder zu erblicken.
Allein der meistersängerischen Regel widerstehen sie nicht, wenn
sie solche auch am unscheinbarsten und schwächsten darstellen.
Haben doch die späten Meister noch die einfache Auflösung der
langen gleichen Zeilen, in acht kurze gleiche (Wolframs Hön-
weis) ohne Anstoß geduldet und in den Schulen gebraucht, und
den Abgesang gerade zu mit der fünften (also ohne Auflösung,
mit der dritten) Zeile angefangen 38); womit die Musiknoten
dieser Weise in Volksliederbüchern (wie Forsters) ganz über-
einstimmen.


38) Diese Auflösung sehe man in einem merkwürdigen Beispiel
schon in dem Minnelied des Joh. v. Brabant, 1. 8. frowe
durch got genade etc.) Vergl. auch den Meistersänger Had-
loub
2. 194. (o we si wigt so kleine etc.)

Lichtenſtein 2. 30. 31. (ir edeln frowen ꝛc.)
Derſelbe 2. 32. (alle die in ꝛc.) Dritte kurz.
Alram 2. 110. (mich dunket ꝛc.)
v. Regensburg 2. 117. Dritte kuͤrzer.

ſo wie auch einige ſechszeilige, als:

Milons von Sevelingen Lieder (die zwei letzten Stro-
phen gehoͤren ihm ſchwerlich.)
Kol von Niuſſen.

In den gleich zugefuͤgten Anmerkungen habe ich nun ſchon dar-
gethan, wie ſich die Zeilen des Abgeſangs meiſtens aͤußerlich
unterſcheiden, und ſelbſt was die ganz gleichzeitigen darunter
betrifft, ſo komme ich auf meine obige Bemerkung zuruͤck, daß
uns hier die Muſik fehlt, welche nicht anders als in den Ni-
belungen die drei Theile beſtimmt haben wird. Da ich an-
nehme, daß der Meiſterſang nicht allein die Sitte der Volks-
dichter beibehalten, ſondern auch ſein eigenes Princip aus dem
Volksgeſang geſchoͤpft und nur aͤußerlich aufgeſtellt und fortge-
fuͤhrt hat, ſo finde ich es ganz natuͤrlich, daß die Form dieſer
einfachen Lieder an den Volksgeſang erinnere. Ich halte ſie
uͤbrigens fuͤr vortrefflich und groͤßten Theils ſehr alt, man
glaubt in ihnen die Grundlage aller Liebeslieder zu erblicken.
Allein der meiſterſaͤngeriſchen Regel widerſtehen ſie nicht, wenn
ſie ſolche auch am unſcheinbarſten und ſchwaͤchſten darſtellen.
Haben doch die ſpaͤten Meiſter noch die einfache Aufloͤſung der
langen gleichen Zeilen, in acht kurze gleiche (Wolframs Hoͤn-
weis) ohne Anſtoß geduldet und in den Schulen gebraucht, und
den Abgeſang gerade zu mit der fuͤnften (alſo ohne Aufloͤſung,
mit der dritten) Zeile angefangen 38); womit die Muſiknoten
dieſer Weiſe in Volksliederbuͤchern (wie Forſters) ganz uͤber-
einſtimmen.


38) Dieſe Aufloͤſung ſehe man in einem merkwuͤrdigen Beiſpiel
ſchon in dem Minnelied des Joh. v. Brabant, 1. 8. frowe
durch got genade ꝛc.) Vergl. auch den Meiſterſaͤnger Had-
loub
2. 194. (o we ſi wigt ſo kleine ꝛc.)
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[48/0058] Lichtenſtein 2. 30. 31. (ir edeln frowen ꝛc.) Derſelbe 2. 32. (alle die in ꝛc.) Dritte kurz. Alram 2. 110. (mich dunket ꝛc.) v. Regensburg 2. 117. Dritte kuͤrzer. ſo wie auch einige ſechszeilige, als: Milons von Sevelingen Lieder (die zwei letzten Stro- phen gehoͤren ihm ſchwerlich.) Kol von Niuſſen. In den gleich zugefuͤgten Anmerkungen habe ich nun ſchon dar- gethan, wie ſich die Zeilen des Abgeſangs meiſtens aͤußerlich unterſcheiden, und ſelbſt was die ganz gleichzeitigen darunter betrifft, ſo komme ich auf meine obige Bemerkung zuruͤck, daß uns hier die Muſik fehlt, welche nicht anders als in den Ni- belungen die drei Theile beſtimmt haben wird. Da ich an- nehme, daß der Meiſterſang nicht allein die Sitte der Volks- dichter beibehalten, ſondern auch ſein eigenes Princip aus dem Volksgeſang geſchoͤpft und nur aͤußerlich aufgeſtellt und fortge- fuͤhrt hat, ſo finde ich es ganz natuͤrlich, daß die Form dieſer einfachen Lieder an den Volksgeſang erinnere. Ich halte ſie uͤbrigens fuͤr vortrefflich und groͤßten Theils ſehr alt, man glaubt in ihnen die Grundlage aller Liebeslieder zu erblicken. Allein der meiſterſaͤngeriſchen Regel widerſtehen ſie nicht, wenn ſie ſolche auch am unſcheinbarſten und ſchwaͤchſten darſtellen. Haben doch die ſpaͤten Meiſter noch die einfache Aufloͤſung der langen gleichen Zeilen, in acht kurze gleiche (Wolframs Hoͤn- weis) ohne Anſtoß geduldet und in den Schulen gebraucht, und den Abgeſang gerade zu mit der fuͤnften (alſo ohne Aufloͤſung, mit der dritten) Zeile angefangen 38); womit die Muſiknoten dieſer Weiſe in Volksliederbuͤchern (wie Forſters) ganz uͤber- einſtimmen. 38) Dieſe Aufloͤſung ſehe man in einem merkwuͤrdigen Beiſpiel ſchon in dem Minnelied des Joh. v. Brabant, 1. 8. frowe durch got genade ꝛc.) Vergl. auch den Meiſterſaͤnger Had- loub 2. 194. (o we ſi wigt ſo kleine ꝛc.)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/58>, abgerufen am 18.04.2024.