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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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Frankenberge bewohnt ward. Ihr letzter Sprosse war Graf Rudhard von Frankenberg. Er bewohnte bis zum Jahre 714 die Feste, und seine Besitzungen erstreckten sich weit umher in der Gegend.

Der heilige Kilianus hatte in jener Zeit schon längst das Christenthum in der Gegend gelehrt, und den Fränkischen Herzog Gosbertus in Würzburg getauft, war aber von Geilana, der Gemahlin des Herzogs, die eine Heidin geblieben war, mit seinen Gehilfen Kolomannus und Totnanus durch gedungene Meuchelmörder im Jahre 689 getödtet worden, worauf sich wieder die Spuren seiner Lehre allmählig verloren, und das Christenthum in der Umgegend wieder beinahe ganz und gar erloschen schien.

Es scheint aber, dass es sich doch in einigen Familien in der Stille noch fortgeerbt, und dass vielleicht Graf Rudhard auf diese Weise ein Verehrer der christlichen Religion geworden; vielleicht hatte er sie aber auch an dem Hofe der Frankenkönige kennen und schätzen lernen. Er erkannte ihre Vorzüge und ihren vortheilhaften Einfluss auf die Bildung des Menschen. Darum bemühte er sich, einen Lehrer dieser wohlthätigen Lehre zu finden und in seine Nähe zu ziehen. Er fand diesen auch bald in dem heiligen Pirminius, der sich ein Geschäft daraus machte, die christliche Religion besonders durch Stiftung von Klöstern an verschiedenen Orten auszubreiten. Wo er ihn kennen lernte, weiss man nicht. Gewiss ist aber, dass er ihn in seine damals noch sehr unwirthliche Gegend einlud, und dass Pirminius diese Einladung angenommen hat. Er kam mit mehreren Mönchen zu Rudhard, und dieser baute in der Nähe ein kleines Kloster oder einige Zellen, wahrscheinlich an der Stelle, wo jetzt die Amorskapelle steht, und um das Jahr 714. Pirminius und seine Begleiter verbreiteten nun die christliche Religion mit unausgesetztem Eifer in dieser Gegend.

Inzwischen machte Graf Rudhard die Kriegszüge Karl Martells gegen die Neustrier und Burgundionen im Jahre 716 und den folgenden mit, und darum unterblieb auch vorerst der Bau eines grösseren Klosters, welches er statt der flüchtig errichteten Zellen zu gründen beschlossen hatte. Obgleich aber Pirminius sich bald wieder entfernte, so kehrte er von anderen Orten, wo er Klöster gegründet hatte, doch immer wieder zurück, und war

Frankenberge bewohnt ward. Ihr letzter Sprosse war Graf Rudhard von Frankenberg. Er bewohnte bis zum Jahre 714 die Feste, und seine Besitzungen erstreckten sich weit umher in der Gegend.

Der heilige Kilianus hatte in jener Zeit schon längst das Christenthum in der Gegend gelehrt, und den Fränkischen Herzog Gosbertus in Würzburg getauft, war aber von Geilana, der Gemahlin des Herzogs, die eine Heidin geblieben war, mit seinen Gehilfen Kolomannus und Totnanus durch gedungene Meuchelmörder im Jahre 689 getödtet worden, worauf sich wieder die Spuren seiner Lehre allmählig verloren, und das Christenthum in der Umgegend wieder beinahe ganz und gar erloschen schien.

Es scheint aber, dass es sich doch in einigen Familien in der Stille noch fortgeerbt, und dass vielleicht Graf Rudhard auf diese Weise ein Verehrer der christlichen Religion geworden; vielleicht hatte er sie aber auch an dem Hofe der Frankenkönige kennen und schätzen lernen. Er erkannte ihre Vorzüge und ihren vortheilhaften Einfluss auf die Bildung des Menschen. Darum bemühte er sich, einen Lehrer dieser wohlthätigen Lehre zu finden und in seine Nähe zu ziehen. Er fand diesen auch bald in dem heiligen Pirminius, der sich ein Geschäft daraus machte, die christliche Religion besonders durch Stiftung von Klöstern an verschiedenen Orten auszubreiten. Wo er ihn kennen lernte, weiss man nicht. Gewiss ist aber, dass er ihn in seine damals noch sehr unwirthliche Gegend einlud, und dass Pirminius diese Einladung angenommen hat. Er kam mit mehreren Mönchen zu Rudhard, und dieser baute in der Nähe ein kleines Kloster oder einige Zellen, wahrscheinlich an der Stelle, wo jetzt die Amorskapelle steht, und um das Jahr 714. Pirminius und seine Begleiter verbreiteten nun die christliche Religion mit unausgesetztem Eifer in dieser Gegend.

Inzwischen machte Graf Rudhard die Kriegszüge Karl Martells gegen die Neustrier und Burgundionen im Jahre 716 und den folgenden mit, und darum unterblieb auch vorerst der Bau eines grösseren Klosters, welches er statt der flüchtig errichteten Zellen zu gründen beschlossen hatte. Obgleich aber Pirminius sich bald wieder entfernte, so kehrte er von anderen Orten, wo er Klöster gegründet hatte, doch immer wieder zurück, und war

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[82/0082] Frankenberge bewohnt ward. Ihr letzter Sprosse war Graf Rudhard von Frankenberg. Er bewohnte bis zum Jahre 714 die Feste, und seine Besitzungen erstreckten sich weit umher in der Gegend. Der heilige Kilianus hatte in jener Zeit schon längst das Christenthum in der Gegend gelehrt, und den Fränkischen Herzog Gosbertus in Würzburg getauft, war aber von Geilana, der Gemahlin des Herzogs, die eine Heidin geblieben war, mit seinen Gehilfen Kolomannus und Totnanus durch gedungene Meuchelmörder im Jahre 689 getödtet worden, worauf sich wieder die Spuren seiner Lehre allmählig verloren, und das Christenthum in der Umgegend wieder beinahe ganz und gar erloschen schien. Es scheint aber, dass es sich doch in einigen Familien in der Stille noch fortgeerbt, und dass vielleicht Graf Rudhard auf diese Weise ein Verehrer der christlichen Religion geworden; vielleicht hatte er sie aber auch an dem Hofe der Frankenkönige kennen und schätzen lernen. Er erkannte ihre Vorzüge und ihren vortheilhaften Einfluss auf die Bildung des Menschen. Darum bemühte er sich, einen Lehrer dieser wohlthätigen Lehre zu finden und in seine Nähe zu ziehen. Er fand diesen auch bald in dem heiligen Pirminius, der sich ein Geschäft daraus machte, die christliche Religion besonders durch Stiftung von Klöstern an verschiedenen Orten auszubreiten. Wo er ihn kennen lernte, weiss man nicht. Gewiss ist aber, dass er ihn in seine damals noch sehr unwirthliche Gegend einlud, und dass Pirminius diese Einladung angenommen hat. Er kam mit mehreren Mönchen zu Rudhard, und dieser baute in der Nähe ein kleines Kloster oder einige Zellen, wahrscheinlich an der Stelle, wo jetzt die Amorskapelle steht, und um das Jahr 714. Pirminius und seine Begleiter verbreiteten nun die christliche Religion mit unausgesetztem Eifer in dieser Gegend. Inzwischen machte Graf Rudhard die Kriegszüge Karl Martells gegen die Neustrier und Burgundionen im Jahre 716 und den folgenden mit, und darum unterblieb auch vorerst der Bau eines grösseren Klosters, welches er statt der flüchtig errichteten Zellen zu gründen beschlossen hatte. Obgleich aber Pirminius sich bald wieder entfernte, so kehrte er von anderen Orten, wo er Klöster gegründet hatte, doch immer wieder zurück, und war

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/82>, abgerufen am 24.04.2024.