Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
wann du auch/ wie ich/ zu einem dummen Kalb wor-
den wärest.

Das XII. Capitel.

UNter währendem meinem Discours sahe mich je-
derman an/ und verwunderten sich alle Gegen-
wärtige/ daß ich solche Reden solte vorbringen kön-
nen/ welche wie sie vorgaben/ auch einem verständi-
gen Mann genug wären/ wann er solche so gar ohne
allen Vorbedacht hätte vortragen sollen; Jch aber
machte den Schluß meiner Red/ und sagte: Darum
dann nun/ mein liebster Herr/ will ich nicht mit dir
tauschen; zwar ich bedarffs auch im geringsten nit/
dann die Quellen geben mir einen gesunden Tranck/
an statt deiner köstlichen Wein/ und der jenige/ der
mich zum Kalb werden zu lassen beliebet/ wird mir
auch die Gewächs deß Erdbodens dergestalt zu seg-
nen wissen/ daß sie mir wie dem Nabuchodonosore
zur Speiß und Auffenthalt meines Lebens auch nicht
unbequem seyn werden; so hat mich die Natur auch
mit einem guten Beltz versehen/ da dir hingegen offt
vor dem besten eckelt/ der Wein deinen Kopff zerreist/
und dich bald in diese oder jene Kranckheit wirfft.

Mein Herr antwortet: Jch weiß nicht was ich an
dir habe? du bedünckest mich vor ein Kalb viel zu ver-
ständig zu seyn/ ich vermeyne schier/ du seyest unter
deiner Kalbs-Haut mit einer Schalcks-Haut über-
zogen? Jch stellte mich zornig/ und sagte: Vermey-
net ihr Menschen dann wol/ wir Thiere seyen gar
Narren? Das dörfft ihr euch wol nicht einbilden!
Jch halte darvor/ wann ältere Thier als ich/ so wol
als ich reden könten/ sie würden euch wol anders

auff-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
wann du auch/ wie ich/ zu einem dummen Kalb wor-
den waͤreſt.

Das XII. Capitel.

UNter waͤhrendem meinem Diſcours ſahe mich je-
derman an/ und verwunderten ſich alle Gegen-
waͤrtige/ daß ich ſolche Reden ſolte vorbringen koͤn-
nen/ welche wie ſie vorgaben/ auch einem verſtaͤndi-
gen Mann genug waͤren/ wann er ſolche ſo gar ohne
allen Vorbedacht haͤtte vortragen ſollen; Jch aber
machte den Schluß meiner Red/ und ſagte: Darum
dann nun/ mein liebſter Herꝛ/ will ich nicht mit dir
tauſchen; zwar ich bedarffs auch im geringſten nit/
dann die Quellen geben mir einen geſunden Tranck/
an ſtatt deiner koͤſtlichen Wein/ und der jenige/ der
mich zum Kalb werden zu laſſen beliebet/ wird mir
auch die Gewaͤchs deß Erdbodens dergeſtalt zu ſeg-
nen wiſſen/ daß ſie mir wie dem Nabuchodonoſore
zur Speiß und Auffenthalt meines Lebens auch nicht
unbequem ſeyn werden; ſo hat mich die Natur auch
mit einem guten Beltz verſehen/ da dir hingegen offt
vor dem beſten eckelt/ der Wein deinen Kopff zerꝛeiſt/
und dich bald in dieſe oder jene Kranckheit wirfft.

Mein Herꝛ antwortet: Jch weiß nicht was ich an
dir habe? du beduͤnckeſt mich vor ein Kalb viel zu ver-
ſtaͤndig zu ſeyn/ ich vermeyne ſchier/ du ſeyeſt unter
deiner Kalbs-Haut mit einer Schalcks-Haut uͤber-
zogen? Jch ſtellte mich zornig/ und ſagte: Vermey-
net ihr Menſchen dann wol/ wir Thiere ſeyen gar
Narꝛen? Das doͤrfft ihr euch wol nicht einbilden!
Jch halte darvor/ wann aͤltere Thier als ich/ ſo wol
als ich reden koͤnten/ ſie wuͤrden euch wol anders

auff-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0172" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
wann du auch/ wie ich/ zu einem dummen Kalb wor-<lb/>
den wa&#x0364;re&#x017F;t.</p>
      </div><lb/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#fr">Das</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">XII.</hi> </hi> <hi rendition="#fr">Capitel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>Nter wa&#x0364;hrendem meinem <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cours</hi> &#x017F;ahe mich je-<lb/>
derman an/ und verwunderten &#x017F;ich alle Gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtige/ daß ich &#x017F;olche Reden &#x017F;olte vorbringen ko&#x0364;n-<lb/>
nen/ welche wie &#x017F;ie vorgaben/ auch einem ver&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen Mann genug wa&#x0364;ren/ wann er &#x017F;olche &#x017F;o gar ohne<lb/>
allen Vorbedacht ha&#x0364;tte vortragen &#x017F;ollen; Jch aber<lb/>
machte den Schluß meiner Red/ und &#x017F;agte: Darum<lb/>
dann nun/ mein lieb&#x017F;ter Her&#xA75B;/ will ich nicht mit dir<lb/>
tau&#x017F;chen; zwar ich bedarffs auch im gering&#x017F;ten nit/<lb/>
dann die Quellen geben mir einen ge&#x017F;unden Tranck/<lb/>
an &#x017F;tatt deiner ko&#x0364;&#x017F;tlichen Wein/ und der jenige/ der<lb/>
mich zum Kalb werden zu la&#x017F;&#x017F;en beliebet/ wird mir<lb/>
auch die Gewa&#x0364;chs deß Erdbodens derge&#x017F;talt zu &#x017F;eg-<lb/>
nen wi&#x017F;&#x017F;en/ daß &#x017F;ie mir wie dem Nabuchodono&#x017F;ore<lb/>
zur Speiß und Auffenthalt meines Lebens auch nicht<lb/>
unbequem &#x017F;eyn werden; &#x017F;o hat mich die Natur auch<lb/>
mit einem guten Beltz ver&#x017F;ehen/ da dir hingegen offt<lb/>
vor dem be&#x017F;ten eckelt/ der Wein deinen Kopff zer&#xA75B;ei&#x017F;t/<lb/>
und dich bald in die&#x017F;e oder jene Kranckheit wirfft.</p><lb/>
        <p>Mein Her&#xA75B; antwortet: Jch weiß nicht was ich an<lb/>
dir habe? du bedu&#x0364;ncke&#x017F;t mich vor ein Kalb viel zu ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig zu &#x017F;eyn/ ich vermeyne &#x017F;chier/ du &#x017F;eye&#x017F;t unter<lb/>
deiner Kalbs-Haut mit einer Schalcks-Haut u&#x0364;ber-<lb/>
zogen? Jch &#x017F;tellte mich zornig/ und &#x017F;agte: Vermey-<lb/>
net ihr Men&#x017F;chen dann wol/ wir Thiere &#x017F;eyen gar<lb/>
Nar&#xA75B;en? Das do&#x0364;rfft ihr euch wol nicht einbilden!<lb/>
Jch halte darvor/ wann a&#x0364;ltere Thier als ich/ &#x017F;o wol<lb/>
als ich reden ko&#x0364;nten/ &#x017F;ie wu&#x0364;rden euch wol anders<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auff-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0172] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi wann du auch/ wie ich/ zu einem dummen Kalb wor- den waͤreſt. Das XII. Capitel. UNter waͤhrendem meinem Diſcours ſahe mich je- derman an/ und verwunderten ſich alle Gegen- waͤrtige/ daß ich ſolche Reden ſolte vorbringen koͤn- nen/ welche wie ſie vorgaben/ auch einem verſtaͤndi- gen Mann genug waͤren/ wann er ſolche ſo gar ohne allen Vorbedacht haͤtte vortragen ſollen; Jch aber machte den Schluß meiner Red/ und ſagte: Darum dann nun/ mein liebſter Herꝛ/ will ich nicht mit dir tauſchen; zwar ich bedarffs auch im geringſten nit/ dann die Quellen geben mir einen geſunden Tranck/ an ſtatt deiner koͤſtlichen Wein/ und der jenige/ der mich zum Kalb werden zu laſſen beliebet/ wird mir auch die Gewaͤchs deß Erdbodens dergeſtalt zu ſeg- nen wiſſen/ daß ſie mir wie dem Nabuchodonoſore zur Speiß und Auffenthalt meines Lebens auch nicht unbequem ſeyn werden; ſo hat mich die Natur auch mit einem guten Beltz verſehen/ da dir hingegen offt vor dem beſten eckelt/ der Wein deinen Kopff zerꝛeiſt/ und dich bald in dieſe oder jene Kranckheit wirfft. Mein Herꝛ antwortet: Jch weiß nicht was ich an dir habe? du beduͤnckeſt mich vor ein Kalb viel zu ver- ſtaͤndig zu ſeyn/ ich vermeyne ſchier/ du ſeyeſt unter deiner Kalbs-Haut mit einer Schalcks-Haut uͤber- zogen? Jch ſtellte mich zornig/ und ſagte: Vermey- net ihr Menſchen dann wol/ wir Thiere ſeyen gar Narꝛen? Das doͤrfft ihr euch wol nicht einbilden! Jch halte darvor/ wann aͤltere Thier als ich/ ſo wol als ich reden koͤnten/ ſie wuͤrden euch wol anders auff-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/172
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/172>, abgerufen am 28.03.2024.