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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
denen Schatz zu Cöln ligen hatte/ weil der Cornet
deß Kauffmanns Handschrifft gelesen/ da er mich ge-
fangen bekommen.

Das XVIII. Capitel.

MEin Vorsatz/ die Büchsenmeisterey- und Fecht-
Kunst in diesen 6. Monaten vollkommen zu ler-
nen/ war gut/ und ich begriffs auch: Aber es war nit
genug/ mich vorm Müssiggang/ der ein Ursprung
vieles Ubels ist/ allerdings zu behüten/ vornemlich
weil niemand war/ der mir zu gebieten hatte. Jch saß
zwar embsig über allerhand Büchern/ auß denen ich
viel Guts lernete/ es kamen mir aber auch theils un-
ter die Händ/ die mir wie dem Hund das Gras ge-
segnet wurden: Die unvergleichliche Arcadia, auß
deren ich die Wolredenheit lernen wolte/ war das
erste Stück/ das mich von den rechten Historien zu
den Liebes-Büchern/ und von den warhafften Ge-
schichten zu den Helden-Gedichten zoge: Solcher-
ley Gattungen brachte ich zu wegen wo ich konte/
und wann mir eins zu theil wurde/ hörte ich nit auff/
biß ichs durchgelesen/ und solte ich Tag und Nacht
darüber gesessen seyn; diese lerneten mich vor das
Wol-reden mit der Leimstangen lauffen. Doch wur-
de dieser Mangel damals bey mir nicht so hefftig und
starck/ daß man ihn mit Seneca ein göttliches Rasen/
oder wie er in Thomae Thomaj Wald-Gärtlein be-
schrieben wird/ eine beschwerliche Kranckheit hätte
nennen können; dann wo meine Lieb hinfiel/ da er-
hielte ich leichtlich und ohne sonderbare Mühe/ was
ich begehrte/ also daß ich keine Ursach zu klagen be-
kam/ wie andere Buler und Leimstängler/ die voller

phan-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
denen Schatz zu Coͤln ligen hatte/ weil der Cornet
deß Kauffmanns Handſchrifft geleſen/ da er mich ge-
fangen bekommen.

Das XVIII. Capitel.

MEin Vorſatz/ die Buͤchſenmeiſterey- und Fecht-
Kunſt in dieſen 6. Monaten vollkommen zu ler-
nen/ war gut/ und ich begriffs auch: Aber es war nit
genug/ mich vorm Muͤſſiggang/ der ein Urſprung
vieles Ubels iſt/ allerdings zu behuͤten/ vornemlich
weil niemand war/ der mir zu gebieten hatte. Jch ſaß
zwar embſig uͤber allerhand Buͤchern/ auß denen ich
viel Guts lernete/ es kamen mir aber auch theils un-
ter die Haͤnd/ die mir wie dem Hund das Gras ge-
ſegnet wurden: Die unvergleichliche Arcadia, auß
deren ich die Wolredenheit lernen wolte/ war das
erſte Stuͤck/ das mich von den rechten Hiſtorien zu
den Liebes-Buͤchern/ und von den warhafften Ge-
ſchichten zu den Helden-Gedichten zoge: Solcher-
ley Gattungen brachte ich zu wegen wo ich konte/
und wann mir eins zu theil wurde/ hoͤrte ich nit auff/
biß ichs durchgeleſen/ und ſolte ich Tag und Nacht
daruͤber geſeſſen ſeyn; dieſe lerneten mich vor das
Wol-reden mit der Leimſtangen lauffen. Doch wur-
de dieſer Mangel damals bey mir nicht ſo hefftig und
ſtarck/ daß man ihn mit Seneca ein goͤttliches Raſen/
oder wie er in Thomæ Thomaj Wald-Gaͤrtlein be-
ſchrieben wird/ eine beſchwerliche Kranckheit haͤtte
nennen koͤnnen; dann wo meine Lieb hinfiel/ da er-
hielte ich leichtlich und ohne ſonderbare Muͤhe/ was
ich begehrte/ alſo daß ich keine Urſach zu klagen be-
kam/ wie andere Buler und Leimſtaͤngler/ die voller

phan-
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[348/0354] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi denen Schatz zu Coͤln ligen hatte/ weil der Cornet deß Kauffmanns Handſchrifft geleſen/ da er mich ge- fangen bekommen. Das XVIII. Capitel. MEin Vorſatz/ die Buͤchſenmeiſterey- und Fecht- Kunſt in dieſen 6. Monaten vollkommen zu ler- nen/ war gut/ und ich begriffs auch: Aber es war nit genug/ mich vorm Muͤſſiggang/ der ein Urſprung vieles Ubels iſt/ allerdings zu behuͤten/ vornemlich weil niemand war/ der mir zu gebieten hatte. Jch ſaß zwar embſig uͤber allerhand Buͤchern/ auß denen ich viel Guts lernete/ es kamen mir aber auch theils un- ter die Haͤnd/ die mir wie dem Hund das Gras ge- ſegnet wurden: Die unvergleichliche Arcadia, auß deren ich die Wolredenheit lernen wolte/ war das erſte Stuͤck/ das mich von den rechten Hiſtorien zu den Liebes-Buͤchern/ und von den warhafften Ge- ſchichten zu den Helden-Gedichten zoge: Solcher- ley Gattungen brachte ich zu wegen wo ich konte/ und wann mir eins zu theil wurde/ hoͤrte ich nit auff/ biß ichs durchgeleſen/ und ſolte ich Tag und Nacht daruͤber geſeſſen ſeyn; dieſe lerneten mich vor das Wol-reden mit der Leimſtangen lauffen. Doch wur- de dieſer Mangel damals bey mir nicht ſo hefftig und ſtarck/ daß man ihn mit Seneca ein goͤttliches Raſen/ oder wie er in Thomæ Thomaj Wald-Gaͤrtlein be- ſchrieben wird/ eine beſchwerliche Kranckheit haͤtte nennen koͤnnen; dann wo meine Lieb hinfiel/ da er- hielte ich leichtlich und ohne ſonderbare Muͤhe/ was ich begehrte/ alſo daß ich keine Urſach zu klagen be- kam/ wie andere Buler und Leimſtaͤngler/ die voller phan-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/354>, abgerufen am 29.03.2024.