Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
lichen Sachen zimlich berichtet wurde/ mein Chri-
stenthum wol verstunde/ und die Teutsche Sprach
so schön redete/ als wann sie die Orthographia selbst
außspräche/ daß ich dannoch der einfältigste verblie-
be; gestalten ich/ wie ich den Wald verlassen/ ein
solcher elender Tropff in die Welt war/ daß man kei-
nen Hund mit mir auß dem Ofen hätte locken können.

Das XII. Capitel.

ZWey Jahr ungefähr hatte ich zugebracht/ und
das harte Eremitisch Leben kaum gewohnet/ als
mein bester Freund auff Erden seine Haue nam/ mir
aber die Schauffel gab/ und mich seiner täglichen
Gewonheit nach/ an der Hand in unsern Garten
führte/ da wir unser Gebet zu verrichten pflegten:
Nun Simplici/ liebes Kind/ sagte er/ dieweil GOtt
Lob die Zeit vorhanden/ daß ich auß dieser Welt
scheiden/ die Schuld der Natur bezahlen/ und dich
in dieser Welt hinder mir verlassen solle/ zumalen
deines Lebens künfftige Begegnussen beyläuffig sehe/
und wol weiß/ daß du in dieser Einöde nicht lang
verharren wirst/ so hab ich dich auff dem angetrette-
nen Weg der Tugend stärcken/ und dir einige Lehren
zum Unterricht geben wollen/ vermittelst deren du/
als nach einer ohnfehlbaren Richtschnur/ zur ewigen
Seeligkeit zu gelangen/ dein Leben anstellen sollest/
damit du mit allen heiligen Außerwehlten das Ange-
sicht GOttes in jenem Leben ewiglich anzuschauen
gewürdiget werdest.

Diese Wort setzten meine Augen ins Wasser/ wie
hiebevor deß Feinds Erfindung die Statt Villingen/
einmal/ sie waren mir so unerträglich/ daß ich sie

nicht

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
lichen Sachen zimlich berichtet wurde/ mein Chri-
ſtenthum wol verſtunde/ und die Teutſche Sprach
ſo ſchoͤn redete/ als wann ſie die Orthographia ſelbſt
außſpraͤche/ daß ich dannoch der einfaͤltigſte verblie-
be; geſtalten ich/ wie ich den Wald verlaſſen/ ein
ſolcher elender Tropff in die Welt war/ daß man kei-
nen Hund mit mir auß dem Ofen haͤtte locken koͤnnen.

Das XII. Capitel.

ZWey Jahr ungefaͤhr hatte ich zugebracht/ und
das harte Eremitiſch Leben kaum gewohnet/ als
mein beſter Freund auff Erden ſeine Haue nam/ mir
aber die Schauffel gab/ und mich ſeiner taͤglichen
Gewonheit nach/ an der Hand in unſern Garten
fuͤhrte/ da wir unſer Gebet zu verꝛichten pflegten:
Nun Simplici/ liebes Kind/ ſagte er/ dieweil GOtt
Lob die Zeit vorhanden/ daß ich auß dieſer Welt
ſcheiden/ die Schuld der Natur bezahlen/ und dich
in dieſer Welt hinder mir verlaſſen ſolle/ zumalen
deines Lebens kuͤnfftige Begegnuſſen beylaͤuffig ſehe/
und wol weiß/ daß du in dieſer Einoͤde nicht lang
verharꝛen wirſt/ ſo hab ich dich auff dem angetrette-
nen Weg der Tugend ſtaͤrcken/ und dir einige Lehren
zum Unterꝛicht geben wollen/ vermittelſt deren du/
als nach einer ohnfehlbaren Richtſchnur/ zur ewigen
Seeligkeit zu gelangen/ dein Leben anſtellen ſolleſt/
damit du mit allen heiligen Außerwehlten das Ange-
ſicht GOttes in jenem Leben ewiglich anzuſchauen
gewuͤrdiget werdeſt.

Dieſe Wort ſetzten meine Augen ins Waſſer/ wie
hiebevor deß Feinds Erfindung die Statt Villingen/
einmal/ ſie waren mir ſo unertraͤglich/ daß ich ſie

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0046" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl.</hi><hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></fw><lb/>
lichen Sachen zimlich berichtet wurde/ mein Chri-<lb/>
&#x017F;tenthum wol ver&#x017F;tunde/ und die Teut&#x017F;che Sprach<lb/>
&#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n redete/ als wann &#x017F;ie die <hi rendition="#aq">Orthographia</hi> &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
auß&#x017F;pra&#x0364;che/ daß ich dannoch der einfa&#x0364;ltig&#x017F;te verblie-<lb/>
be; ge&#x017F;talten ich/ wie ich den Wald verla&#x017F;&#x017F;en/ ein<lb/>
&#x017F;olcher elender Tropff in die Welt war/ daß man kei-<lb/>
nen Hund mit mir auß dem Ofen ha&#x0364;tte locken ko&#x0364;nnen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#fr">Das</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">XII.</hi> </hi> <hi rendition="#fr">Capitel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">Z</hi>Wey Jahr ungefa&#x0364;hr hatte ich zugebracht/ und<lb/>
das harte Eremiti&#x017F;ch Leben kaum gewohnet/ als<lb/>
mein be&#x017F;ter Freund auff Erden &#x017F;eine Haue nam/ mir<lb/>
aber die Schauffel gab/ und mich &#x017F;einer ta&#x0364;glichen<lb/>
Gewonheit nach/ an der Hand in un&#x017F;ern Garten<lb/>
fu&#x0364;hrte/ da wir un&#x017F;er Gebet zu ver&#xA75B;ichten pflegten:<lb/>
Nun Simplici/ liebes Kind/ &#x017F;agte er/ dieweil GOtt<lb/>
Lob die Zeit vorhanden/ daß ich auß die&#x017F;er Welt<lb/>
&#x017F;cheiden/ die Schuld der Natur bezahlen/ und dich<lb/>
in die&#x017F;er Welt hinder mir verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle/ zumalen<lb/>
deines Lebens ku&#x0364;nfftige Begegnu&#x017F;&#x017F;en beyla&#x0364;uffig &#x017F;ehe/<lb/>
und wol weiß/ daß du in die&#x017F;er Eino&#x0364;de nicht lang<lb/>
verhar&#xA75B;en wir&#x017F;t/ &#x017F;o hab ich dich auff dem angetrette-<lb/>
nen Weg der Tugend &#x017F;ta&#x0364;rcken/ und dir einige Lehren<lb/>
zum Unter&#xA75B;icht geben wollen/ vermittel&#x017F;t deren du/<lb/>
als nach einer ohnfehlbaren Richt&#x017F;chnur/ zur ewigen<lb/>
Seeligkeit zu gelangen/ dein Leben an&#x017F;tellen &#x017F;olle&#x017F;t/<lb/>
damit du mit allen heiligen Außerwehlten das Ange-<lb/>
&#x017F;icht GOttes in jenem Leben ewiglich anzu&#x017F;chauen<lb/>
gewu&#x0364;rdiget werde&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Wort &#x017F;etzten meine Augen ins Wa&#x017F;&#x017F;er/ wie<lb/>
hiebevor deß Feinds Erfindung die Statt Villingen/<lb/>
einmal/ &#x017F;ie waren mir &#x017F;o unertra&#x0364;glich/ daß ich &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0046] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi lichen Sachen zimlich berichtet wurde/ mein Chri- ſtenthum wol verſtunde/ und die Teutſche Sprach ſo ſchoͤn redete/ als wann ſie die Orthographia ſelbſt außſpraͤche/ daß ich dannoch der einfaͤltigſte verblie- be; geſtalten ich/ wie ich den Wald verlaſſen/ ein ſolcher elender Tropff in die Welt war/ daß man kei- nen Hund mit mir auß dem Ofen haͤtte locken koͤnnen. Das XII. Capitel. ZWey Jahr ungefaͤhr hatte ich zugebracht/ und das harte Eremitiſch Leben kaum gewohnet/ als mein beſter Freund auff Erden ſeine Haue nam/ mir aber die Schauffel gab/ und mich ſeiner taͤglichen Gewonheit nach/ an der Hand in unſern Garten fuͤhrte/ da wir unſer Gebet zu verꝛichten pflegten: Nun Simplici/ liebes Kind/ ſagte er/ dieweil GOtt Lob die Zeit vorhanden/ daß ich auß dieſer Welt ſcheiden/ die Schuld der Natur bezahlen/ und dich in dieſer Welt hinder mir verlaſſen ſolle/ zumalen deines Lebens kuͤnfftige Begegnuſſen beylaͤuffig ſehe/ und wol weiß/ daß du in dieſer Einoͤde nicht lang verharꝛen wirſt/ ſo hab ich dich auff dem angetrette- nen Weg der Tugend ſtaͤrcken/ und dir einige Lehren zum Unterꝛicht geben wollen/ vermittelſt deren du/ als nach einer ohnfehlbaren Richtſchnur/ zur ewigen Seeligkeit zu gelangen/ dein Leben anſtellen ſolleſt/ damit du mit allen heiligen Außerwehlten das Ange- ſicht GOttes in jenem Leben ewiglich anzuſchauen gewuͤrdiget werdeſt. Dieſe Wort ſetzten meine Augen ins Waſſer/ wie hiebevor deß Feinds Erfindung die Statt Villingen/ einmal/ ſie waren mir ſo unertraͤglich/ daß ich ſie nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/46
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/46>, abgerufen am 19.04.2024.