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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
als wenn sie Bilsensamen genossen hätten. Es war
eben ein wunderliches Faßnacht-Spiel an ihnen zu
sehen/ und war doch niemand/ der sich darüber ver-
wundert/ als ich; einer sang/ der ander weynet/
einer lachte/ der ander traurete/ einer fluchte/ der
ander betete/ einer schrye überlaut Courage, der
ander konte nicht mehr reden/ einer war stille und
friedlich/ der ander wolte den Teuffel mit Rauff-
Händeln bannen/ einer schlieff und schwiege still/
der ander plaudert/ daß sonst keiner vor ihm zukom-
men konte; Einer erzehlte seine liebliche Bulerey/
der ander seine erschröckliche Kriegs-Thaten/ etli-
che redeten von der Kirch und geistlichen Sachen/
andere von Ratione Status, der Politic, Welt- und
Reichs-Händeln; theils lieffen hin und wider/ und
konten an keiner Stelle bleiben/ andere lagen und
vermochten nicht/ den kleinesten Finger zu regen/
geschweige auffrecht zu gehen oder zu stehen/ etliche
frassen wie die Drescher/ und als ob sie acht Tage
Hunger gelitten hätten/ andere kotzten wieder/ was
sie denselbigen gantzen Tag eingeschlucket hatten.
Einmal/ ihr gantzes Thun und Lassen war dermas-
sen possierlich/ närrisch/ seltzam/ und darbey so
sündhafftig und gottloß/ daß der mir entwischte
üble Geruch/ darumb ich gleichwol so greulich zer-
schlagen worden/ nur ein Schertz dargegen zu rech-
nen. Endlich setzt es unden an der Tafel ernstliche
Streit-Händel/ da warff man einander Gläser/
Becher/ Schüssel und Deller an die Köpff/ und
schlug nicht allein mit Fäusten/ sondern auch mit
Stülen/ Stul-Beinen/ Degen/ und allerhand

siben-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
als wenn ſie Bilſenſamen genoſſen haͤtten. Es war
eben ein wunderliches Faßnacht-Spiel an ihnen zu
ſehen/ und war doch niemand/ der ſich daruͤber ver-
wundert/ als ich; einer ſang/ der ander weynet/
einer lachte/ der ander traurete/ einer fluchte/ der
ander betete/ einer ſchrye uͤberlaut Courage, der
ander konte nicht mehr reden/ einer war ſtille und
friedlich/ der ander wolte den Teuffel mit Rauff-
Haͤndeln bannen/ einer ſchlieff und ſchwiege ſtill/
der ander plaudert/ daß ſonſt keiner vor ihm zukom-
men konte; Einer erzehlte ſeine liebliche Bulerey/
der ander ſeine erſchroͤckliche Kriegs-Thaten/ etli-
che redeten von der Kirch und geiſtlichen Sachen/
andere von Ratione Status, der Politic, Welt- und
Reichs-Haͤndeln; theils lieffen hin und wider/ und
konten an keiner Stelle bleiben/ andere lagen und
vermochten nicht/ den kleineſten Finger zu regen/
geſchweige auffrecht zu gehen oder zu ſtehen/ etliche
fraſſen wie die Dreſcher/ und als ob ſie acht Tage
Hunger gelitten haͤtten/ andere kotzten wieder/ was
ſie denſelbigen gantzen Tag eingeſchlucket hatten.
Einmal/ ihr gantzes Thun und Laſſen war dermaſ-
ſen poſſierlich/ naͤrꝛiſch/ ſeltzam/ und darbey ſo
ſuͤndhafftig und gottloß/ daß der mir entwiſchte
uͤble Geruch/ darumb ich gleichwol ſo greulich zer-
ſchlagen worden/ nur ein Schertz dargegen zu rech-
nen. Endlich ſetzt es unden an der Tafel ernſtliche
Streit-Haͤndel/ da warff man einander Glaͤſer/
Becher/ Schuͤſſel und Deller an die Koͤpff/ und
ſchlug nicht allein mit Faͤuſten/ ſondern auch mit
Stuͤlen/ Stul-Beinen/ Degen/ und allerhand

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[112/0118] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi als wenn ſie Bilſenſamen genoſſen haͤtten. Es war eben ein wunderliches Faßnacht-Spiel an ihnen zu ſehen/ und war doch niemand/ der ſich daruͤber ver- wundert/ als ich; einer ſang/ der ander weynet/ einer lachte/ der ander traurete/ einer fluchte/ der ander betete/ einer ſchrye uͤberlaut Courage, der ander konte nicht mehr reden/ einer war ſtille und friedlich/ der ander wolte den Teuffel mit Rauff- Haͤndeln bannen/ einer ſchlieff und ſchwiege ſtill/ der ander plaudert/ daß ſonſt keiner vor ihm zukom- men konte; Einer erzehlte ſeine liebliche Bulerey/ der ander ſeine erſchroͤckliche Kriegs-Thaten/ etli- che redeten von der Kirch und geiſtlichen Sachen/ andere von Ratione Status, der Politic, Welt- und Reichs-Haͤndeln; theils lieffen hin und wider/ und konten an keiner Stelle bleiben/ andere lagen und vermochten nicht/ den kleineſten Finger zu regen/ geſchweige auffrecht zu gehen oder zu ſtehen/ etliche fraſſen wie die Dreſcher/ und als ob ſie acht Tage Hunger gelitten haͤtten/ andere kotzten wieder/ was ſie denſelbigen gantzen Tag eingeſchlucket hatten. Einmal/ ihr gantzes Thun und Laſſen war dermaſ- ſen poſſierlich/ naͤrꝛiſch/ ſeltzam/ und darbey ſo ſuͤndhafftig und gottloß/ daß der mir entwiſchte uͤble Geruch/ darumb ich gleichwol ſo greulich zer- ſchlagen worden/ nur ein Schertz dargegen zu rech- nen. Endlich ſetzt es unden an der Tafel ernſtliche Streit-Haͤndel/ da warff man einander Glaͤſer/ Becher/ Schuͤſſel und Deller an die Koͤpff/ und ſchlug nicht allein mit Faͤuſten/ ſondern auch mit Stuͤlen/ Stul-Beinen/ Degen/ und allerhand ſiben-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/118>, abgerufen am 29.03.2024.