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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
witzig/ und Hans in allen Gassen/ dann hinder den
Bergen wohnen auch Leut.

Das VIII. Capitel.

AM Morgen als ich erwachte/ waren meine beyde
verkälberte Schlaff Gesellen schon fort/ dero-
wegen stunde ich auch auff/ und schliche/ als der Ad-
jutant
die Schlüssel holete/ die Statt zu öffnen/ auß
dem Hauß zu meinem Pfarrer/ demselben erzehlte
ich alles/ wie mirs so wol im Himmel als in der Höll
ergangen. Und wie er sahe/ daß ich mir ein Gewissen
machte/ weil ich so viel Leut/ und sonderlich meinen
Herrn betröge/ wenn ich mich närrisch stellete/ sagte
er: Hierumb darffst du dich nicht bekümmern/ die
närrische Welt will betrogen seyn/ hat man dir deine
Witz noch übrig gelassen/ so gebrauche dich derselben
zu deinem Vortheil/ bilde dir ein/ als ob du gleich
dem Phoenix, vom Unverstand zum Verstand durchs
Feuer/ und also zu einem neuen menschlichen Leben
auch neu geboren worden seyest: Doch wisse dabey/
daß du noch nicht über den Graben/ sondern mit Ge-
fahr deiner Vernunfft in diese Narren-Kappe ge-
schloffen bist/ die Zeiten seyn so wunderlich/ daß nie-
mand wissen kan/ ob du ohne Verlust deines Lebens
wieder herauß kommest/ man kan geschwind in die
Höll rennen/ aber wieder herauß zu entrinnen/ wirds
Schnauffens und Bartwischens brauchen/ du bist
bey weitem noch nicht so gemannet/ deiner bevorste-
henden Gefahr zu entgehen/ wie du dir wol einbilden
möchtest/ darumb wird dir mehr Vorsichtigkeit und
Verstand vonnöthen seyn/ als zu der Zeit/ da du noch
nicht wustest/ was Verstand oder Unverstand war/

bleibe
G iij

Zweytes Buch.
witzig/ und Hans in allen Gaſſen/ dann hinder den
Bergen wohnen auch Leut.

Das VIII. Capitel.

AM Morgen als ich erwachte/ waren meine beyde
verkaͤlberte Schlaff Geſellen ſchon fort/ dero-
wegen ſtunde ich auch auff/ und ſchliche/ als der Ad-
jutant
die Schluͤſſel holete/ die Statt zu oͤffnen/ auß
dem Hauß zu meinem Pfarꝛer/ demſelben erzehlte
ich alles/ wie mirs ſo wol im Him̃el als in der Hoͤll
ergangen. Und wie er ſahe/ daß ich mir ein Gewiſſen
machte/ weil ich ſo viel Leut/ und ſonderlich meinen
Herꝛn betroͤge/ wenn ich mich naͤrꝛiſch ſtellete/ ſagte
er: Hierumb darffſt du dich nicht bekuͤmmern/ die
naͤrꝛiſche Welt will betrogen ſeyn/ hat man dir deine
Witz noch uͤbrig gelaſſen/ ſo gebrauche dich derſelben
zu deinem Vortheil/ bilde dir ein/ als ob du gleich
dem Phœnix, vom Unverſtand zum Verſtand durchs
Feuer/ und alſo zu einem neuen menſchlichen Leben
auch neu geboren worden ſeyeſt: Doch wiſſe dabey/
daß du noch nicht uͤber den Graben/ ſondern mit Ge-
fahr deiner Vernunfft in dieſe Narꝛen-Kappe ge-
ſchloffen biſt/ die Zeiten ſeyn ſo wunderlich/ daß nie-
mand wiſſen kan/ ob du ohne Verluſt deines Lebens
wieder herauß kommeſt/ man kan geſchwind in die
Hoͤll rennen/ aber wieder herauß zu entrinnen/ wirds
Schnauffens und Bartwiſchens brauchen/ du biſt
bey weitem noch nicht ſo gemannet/ deiner bevorſte-
henden Gefahr zu entgehen/ wie du dir wol einbilden
moͤchteſt/ darumb wird dir mehr Vorſichtigkeit und
Verſtand vonnoͤthen ſeyn/ als zu der Zeit/ da du noch
nicht wuſteſt/ was Verſtand oder Unverſtand war/

bleibe
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[147/0153] Zweytes Buch. witzig/ und Hans in allen Gaſſen/ dann hinder den Bergen wohnen auch Leut. Das VIII. Capitel. AM Morgen als ich erwachte/ waren meine beyde verkaͤlberte Schlaff Geſellen ſchon fort/ dero- wegen ſtunde ich auch auff/ und ſchliche/ als der Ad- jutant die Schluͤſſel holete/ die Statt zu oͤffnen/ auß dem Hauß zu meinem Pfarꝛer/ demſelben erzehlte ich alles/ wie mirs ſo wol im Him̃el als in der Hoͤll ergangen. Und wie er ſahe/ daß ich mir ein Gewiſſen machte/ weil ich ſo viel Leut/ und ſonderlich meinen Herꝛn betroͤge/ wenn ich mich naͤrꝛiſch ſtellete/ ſagte er: Hierumb darffſt du dich nicht bekuͤmmern/ die naͤrꝛiſche Welt will betrogen ſeyn/ hat man dir deine Witz noch uͤbrig gelaſſen/ ſo gebrauche dich derſelben zu deinem Vortheil/ bilde dir ein/ als ob du gleich dem Phœnix, vom Unverſtand zum Verſtand durchs Feuer/ und alſo zu einem neuen menſchlichen Leben auch neu geboren worden ſeyeſt: Doch wiſſe dabey/ daß du noch nicht uͤber den Graben/ ſondern mit Ge- fahr deiner Vernunfft in dieſe Narꝛen-Kappe ge- ſchloffen biſt/ die Zeiten ſeyn ſo wunderlich/ daß nie- mand wiſſen kan/ ob du ohne Verluſt deines Lebens wieder herauß kommeſt/ man kan geſchwind in die Hoͤll rennen/ aber wieder herauß zu entrinnen/ wirds Schnauffens und Bartwiſchens brauchen/ du biſt bey weitem noch nicht ſo gemannet/ deiner bevorſte- henden Gefahr zu entgehen/ wie du dir wol einbilden moͤchteſt/ darumb wird dir mehr Vorſichtigkeit und Verſtand vonnoͤthen ſeyn/ als zu der Zeit/ da du noch nicht wuſteſt/ was Verſtand oder Unverſtand war/ bleibe G iij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/153>, abgerufen am 16.04.2024.