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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
lesen/ außwendig. So schreibt auch Colerus lib. 18.
cap.
21. Auß Marco Antonio Mureto, von einem Cor-
sicaner,
welcher 6000. Menschen-Nahmen ange-
höret/ und dieselbige hernach in richtiger Ordnung
schnell herwieder gesagt.

Dieses erzehle ich alles darumb/ sagte er ferner/
damit du nicht vor unmüglich haltest/ daß durch Me-
dicin
einem Menschen sein Gedächtnus trefflich ge-
stärcket und erhalten werden könne/ gleich wie es
hingegen auch auff mancherley Weis geschwächt/
und gar außgetilgt wird/ massen Plinius lib. 7. cap.
24. schreibet/ daß am Menschen nichts so blöd seye/
als eben das Gedächtnus/ und daß sie durch Kranck-
heit/ Schrecken/ Forcht/ Sorg und Bekummernus
entweder gantz verschwinde/ oder doch einen grossen
Theil ihrer Krafft verliere. Von einem Gelehrten
zu Athen wird gelesen/ daß er alles was er je studiert
gehabt/ so gar auch das A B C vergessen/ nachdem
ein Stein von oben herab auff ihn gefallen. Ein an-
derer kam durch eine Kranckheit dahin/ daß er seines
Dieners Nahmen vergaß/ und Messala Corvinus wu-
sie seinen eigenen Nahmen nicht mehr/ der doch vor-
hin ein gut Gedächtnus gehabt. Schramhans schrei-
bet in fasciculo Historiarum, fol. 60. (welches aber
so Auffschneiderisch klinget/ als ob es Plinius selbst
geschrieben) daß ein Priester auß seiner eigenen Ader
Blut getruncken/ und dardurch schreiben und lesen
vergessen/ sonst aber sein Gedächtnus unverruckt be-
halten/ und als er übers Jahr hernach eben an selbi-
gem Ort/ und damaliger Zeit/ abermal desselbigen
Bluts getruncken/ hätte er wieder wie zuvor schrei-
ben und lesen können. Zwar ists glaublicher/ was

Jo.

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
leſen/ außwendig. So ſchreibt auch Colerus lib. 18.
cap.
21. Auß Marco Antonio Mureto, von einem Cor-
ſicaner,
welcher 6000. Menſchen-Nahmen ange-
hoͤret/ und dieſelbige hernach in richtiger Ordnung
ſchnell herwieder geſagt.

Dieſes erzehle ich alles darumb/ ſagte er ferner/
damit du nicht vor unmuͤglich halteſt/ daß durch Me-
dicin
einem Menſchen ſein Gedaͤchtnus trefflich ge-
ſtaͤrcket und erhalten werden koͤnne/ gleich wie es
hingegen auch auff mancherley Weis geſchwaͤcht/
und gar außgetilgt wird/ maſſen Plinius lib. 7. cap.
24. ſchreibet/ daß am Menſchen nichts ſo bloͤd ſeye/
als eben das Gedaͤchtnus/ und daß ſie durch Kranck-
heit/ Schrecken/ Forcht/ Sorg und Bekůmmernus
entweder gantz verſchwinde/ oder doch einen groſſen
Theil ihrer Krafft verliere. Von einem Gelehrten
zu Athen wird geleſen/ daß er alles was er je ſtudiert
gehabt/ ſo gar auch das A B C vergeſſen/ nachdem
ein Stein von oben herab auff ihn gefallen. Ein an-
derer kam durch eine Kranckheit dahin/ daß er ſeines
Dieners Nahmen vergaß/ und Meſſala Corvinus wu-
ſie ſeinen eigenen Nahmen nicht mehr/ der doch vor-
hin ein gut Gedaͤchtnus gehabt. Schramhans ſchrei-
bet in faſciculo Hiſtoriarum, fol. 60. (welches aber
ſo Auffſchneideriſch klinget/ als ob es Plinius ſelbſt
geſchrieben) daß ein Prieſter auß ſeiner eigenen Ader
Blut getruncken/ und dardurch ſchreiben und leſen
vergeſſen/ ſonſt aber ſein Gedaͤchtnus unverꝛuckt be-
halten/ und als er uͤbers Jahr hernach eben an ſelbi-
gem Ort/ und damaliger Zeit/ abermal deſſelbigen
Bluts getruncken/ haͤtte er wieder wie zuvor ſchrei-
ben und leſen koͤnnen. Zwar iſts glaublicher/ was

Jo.
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[150/0156] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi leſen/ außwendig. So ſchreibt auch Colerus lib. 18. cap. 21. Auß Marco Antonio Mureto, von einem Cor- ſicaner, welcher 6000. Menſchen-Nahmen ange- hoͤret/ und dieſelbige hernach in richtiger Ordnung ſchnell herwieder geſagt. Dieſes erzehle ich alles darumb/ ſagte er ferner/ damit du nicht vor unmuͤglich halteſt/ daß durch Me- dicin einem Menſchen ſein Gedaͤchtnus trefflich ge- ſtaͤrcket und erhalten werden koͤnne/ gleich wie es hingegen auch auff mancherley Weis geſchwaͤcht/ und gar außgetilgt wird/ maſſen Plinius lib. 7. cap. 24. ſchreibet/ daß am Menſchen nichts ſo bloͤd ſeye/ als eben das Gedaͤchtnus/ und daß ſie durch Kranck- heit/ Schrecken/ Forcht/ Sorg und Bekůmmernus entweder gantz verſchwinde/ oder doch einen groſſen Theil ihrer Krafft verliere. Von einem Gelehrten zu Athen wird geleſen/ daß er alles was er je ſtudiert gehabt/ ſo gar auch das A B C vergeſſen/ nachdem ein Stein von oben herab auff ihn gefallen. Ein an- derer kam durch eine Kranckheit dahin/ daß er ſeines Dieners Nahmen vergaß/ und Meſſala Corvinus wu- ſie ſeinen eigenen Nahmen nicht mehr/ der doch vor- hin ein gut Gedaͤchtnus gehabt. Schramhans ſchrei- bet in faſciculo Hiſtoriarum, fol. 60. (welches aber ſo Auffſchneideriſch klinget/ als ob es Plinius ſelbſt geſchrieben) daß ein Prieſter auß ſeiner eigenen Ader Blut getruncken/ und dardurch ſchreiben und leſen vergeſſen/ ſonſt aber ſein Gedaͤchtnus unverꝛuckt be- halten/ und als er uͤbers Jahr hernach eben an ſelbi- gem Ort/ und damaliger Zeit/ abermal deſſelbigen Bluts getruncken/ haͤtte er wieder wie zuvor ſchrei- ben und leſen koͤnnen. Zwar iſts glaublicher/ was Jo.

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/156>, abgerufen am 18.04.2024.