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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Gleich wie nun aber meines Knans Haußwesen
sehr Adelich vermerckt wird/ also kan ein jeder Ver-
ständiger auch leichtlich schliessen/ daß meine Auff-
erziehung derselben gemäß und ähnlich gewesen; und
wer solches davor hält/ findet sich auch nicht betro-
gen/ dann in meinem zehen-jährigen Alter/ hatte ich
schon die principia in obgemeldten meines Knans
Adelichen Exercitien begriffen/ aber der Studien hal-
ber konte ich neben dem berühmten Amplistidi hin pas-
sir
en/ von welchem Suidas meldet/ daß er nicht über
fünffe zehlen konte; dann mein Knan hatte vielleicht
einen viel zu hohen Geist/ und folgte dahero dem ge-
wöhnlichen Gebrauch jetziger Zeit/ in welcher viel
vornehme Leut mit studiren/ oder wie sie es nennen/
mit Schulpossen sich nicht viel bekümmern/ weil sie
ihre Leut haben/ der Plackscheisserey abzuwarten:
Sonst war ich ein trefflicher Musicus auff der Sack-
pfeiffen/ mit deren ich schöne Jalemi-Gesäng machen
konte: Aber die Theologiam anbelangend/ laß ich
mich nicht bereden/ daß einer meines Alters damals
in der gantzen Christenwelt gewest seye/ der mir da-
rinn hätte gleichen mögen/ dann ich kennete weder
GOtt noch Menschen/ weder Himmel noch Höll/
weder Engel noch Teuffel/ und wuste weder Gutes
noch Böses zu unterscheiden: Dahero ohnschwer zu
gedencken/ daß ich vermittelst solcher Theologiae wie
unsere erste Eltern im Paradis gelebt/ die in ihrer
Unschuld von Kranckheit/ Todt und Sterben/ weni-
ger von der Aufferstehung nichts gewust/ O edels Le-
ben! (du mögst wol Eselsleben sagen) in welchem
man sich auch nichts umb die Medicin bekümmert.
Eben auff diesen Schlag kan man mein Erfahrenheit

in
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi

Gleich wie nun aber meines Knans Haußweſen
ſehr Adelich vermerckt wird/ alſo kan ein jeder Ver-
ſtaͤndiger auch leichtlich ſchlieſſen/ daß meine Auff-
erziehung derſelben gemaͤß und aͤhnlich geweſen; und
wer ſolches davor haͤlt/ findet ſich auch nicht betro-
gen/ dann in meinem zehen-jaͤhrigen Alter/ hatte ich
ſchon die principia in obgemeldten meines Knans
Adelichen Exercitien begriffen/ aber der Studien hal-
ber konte ich neben dem beruͤhmten Ampliſtidi hin paſ-
ſir
en/ von welchem Suidas meldet/ daß er nicht uͤber
fuͤnffe zehlen konte; dann mein Knan hatte vielleicht
einen viel zu hohen Geiſt/ und folgte dahero dem ge-
woͤhnlichen Gebrauch jetziger Zeit/ in welcher viel
vornehme Leut mit ſtudiren/ oder wie ſie es nennen/
mit Schulpoſſen ſich nicht viel bekuͤmmern/ weil ſie
ihre Leut haben/ der Plackſcheiſſerey abzuwarten:
Sonſt war ich ein trefflicher Muſicus auff der Sack-
pfeiffen/ mit deren ich ſchoͤne Jalemi-Geſaͤng machen
konte: Aber die Theologiam anbelangend/ laß ich
mich nicht bereden/ daß einer meines Alters damals
in der gantzen Chriſtenwelt geweſt ſeye/ der mir da-
rinn haͤtte gleichen moͤgen/ dann ich kennete weder
GOtt noch Menſchen/ weder Himmel noch Hoͤll/
weder Engel noch Teuffel/ und wuſte weder Gutes
noch Boͤſes zu unterſcheiden: Dahero ohnſchwer zu
gedencken/ daß ich vermittelſt ſolcher Theologiæ wie
unſere erſte Eltern im Paradis gelebt/ die in ihrer
Unſchuld von Kranckheit/ Todt und Sterben/ weni-
ger von der Aufferſtehung nichts gewuſt/ O edels Le-
ben! (du moͤgſt wol Eſelsleben ſagen) in welchem
man ſich auch nichts umb die Medicin bekuͤmmert.
Eben auff dieſen Schlag kan man mein Erfahrenheit

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[10/0016] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Gleich wie nun aber meines Knans Haußweſen ſehr Adelich vermerckt wird/ alſo kan ein jeder Ver- ſtaͤndiger auch leichtlich ſchlieſſen/ daß meine Auff- erziehung derſelben gemaͤß und aͤhnlich geweſen; und wer ſolches davor haͤlt/ findet ſich auch nicht betro- gen/ dann in meinem zehen-jaͤhrigen Alter/ hatte ich ſchon die principia in obgemeldten meines Knans Adelichen Exercitien begriffen/ aber der Studien hal- ber konte ich neben dem beruͤhmten Ampliſtidi hin paſ- ſiren/ von welchem Suidas meldet/ daß er nicht uͤber fuͤnffe zehlen konte; dann mein Knan hatte vielleicht einen viel zu hohen Geiſt/ und folgte dahero dem ge- woͤhnlichen Gebrauch jetziger Zeit/ in welcher viel vornehme Leut mit ſtudiren/ oder wie ſie es nennen/ mit Schulpoſſen ſich nicht viel bekuͤmmern/ weil ſie ihre Leut haben/ der Plackſcheiſſerey abzuwarten: Sonſt war ich ein trefflicher Muſicus auff der Sack- pfeiffen/ mit deren ich ſchoͤne Jalemi-Geſaͤng machen konte: Aber die Theologiam anbelangend/ laß ich mich nicht bereden/ daß einer meines Alters damals in der gantzen Chriſtenwelt geweſt ſeye/ der mir da- rinn haͤtte gleichen moͤgen/ dann ich kennete weder GOtt noch Menſchen/ weder Himmel noch Hoͤll/ weder Engel noch Teuffel/ und wuſte weder Gutes noch Boͤſes zu unterſcheiden: Dahero ohnſchwer zu gedencken/ daß ich vermittelſt ſolcher Theologiæ wie unſere erſte Eltern im Paradis gelebt/ die in ihrer Unſchuld von Kranckheit/ Todt und Sterben/ weni- ger von der Aufferſtehung nichts gewuſt/ O edels Le- ben! (du moͤgſt wol Eſelsleben ſagen) in welchem man ſich auch nichts umb die Medicin bekuͤmmert. Eben auff dieſen Schlag kan man mein Erfahrenheit in

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/16>, abgerufen am 29.03.2024.