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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
in dem er fort gieng/ wurde dem guten alten Hertz-
bruder gantz ohnmächtig/ also daß man genug an
ihm zu laben/ und der Obrist selbst an ihm zu trösten
batte/ welcher sagte: Daß ein frommer Vatter sei-
nes ungerathenen Kinds gar nicht zu entgelten hätte.
Also erlangte Olivier durch Hülff deß Teuffels das
jenige/ wornach er vorlängst gerungen/ auff einem
ehrlichen Weg aber nicht ereylen mögen.

Das XXIII. Capitel.

SO bald deß jungen Hertzbruders Capitain diese
Geschicht erfuhr/ nam er ihm auch die Muster-
schreiber-Stell/ und lud ihm eine Bieque auff/ von
welcher Zeit an er bey männiglich so veracht wurde/
daß ihn die Hund hätten anpissen mögen/ darumb er
ihme dann offt den Todt wünschete! Sein Vatter
aber bekümmerte sich dergestalt darüber/ daß er in
ein schwere Kranckheit fiel/ und sich auff das Ster-
ben gefast machte. Und demnach er ihme ohne das
hiebevor selbst prognosticirt hatte/ daß er den 26.
Julii Leib- und Lebensgefahr außstehen müste: (wel-
cher Tag dann nächst vor der Thür war) Als er-
langte er bey dem Obristen/ daß sein Sohn noch ein-
mal zu ihm kommen dorffte/ damit er wegen seiner
Verlassenschafft mit ihm reden/ und seinen letzten
Willen eröffnen möchte. Jch wurde bey ihrer Zu-
sammenkunfft nicht außgeschlossen/ sondern war der
dritte Mitgesell ihres Leyds; Da sahe ich/ daß der
Sohn keiner Entschuldigung bedörfft gegen seinem
Vatter/ weil er seine Art und gute Aufferziehung wol
wuste/ und dahero seiner Unschuld genugsam verst-
chert war: Er als ein weiser/ verständiger und tieff-

sinniger

Zweytes Buch.
in dem er fort gieng/ wurde dem guten alten Hertz-
bruder gantz ohnmaͤchtig/ alſo daß man genug an
ihm zu laben/ und der Obriſt ſelbſt an ihm zu troͤſten
batte/ welcher ſagte: Daß ein frommer Vatter ſei-
nes ungerathenen Kinds gar nicht zu entgelten haͤtte.
Alſo erlangte Olivier durch Huͤlff deß Teuffels das
jenige/ wornach er vorlaͤngſt gerungen/ auff einem
ehrlichen Weg aber nicht ereylen moͤgen.

Das XXIII. Capitel.

SO bald deß jungen Hertzbruders Capitain dieſe
Geſchicht erfuhr/ nam er ihm auch die Muſter-
ſchreiber-Stell/ und lud ihm eine Bieque auff/ von
welcher Zeit an er bey maͤnniglich ſo veracht wurde/
daß ihn die Hund haͤtten anpiſſen moͤgen/ darumb er
ihme dann offt den Todt wuͤnſchete! Sein Vatter
aber bekuͤmmerte ſich dergeſtalt daruͤber/ daß er in
ein ſchwere Kranckheit fiel/ und ſich auff das Ster-
ben gefaſt machte. Und demnach er ihme ohne das
hiebevor ſelbſt prognoſticirt hatte/ daß er den 26.
Julii Leib- und Lebensgefahr außſtehen muͤſte: (wel-
cher Tag dann naͤchſt vor der Thuͤr war) Als er-
langte er bey dem Obriſten/ daß ſein Sohn noch ein-
mal zu ihm kommen dorffte/ damit er wegen ſeiner
Verlaſſenſchafft mit ihm reden/ und ſeinen letzten
Willen eroͤffnen moͤchte. Jch wurde bey ihrer Zu-
ſammenkunfft nicht außgeſchloſſen/ ſondern war der
dritte Mitgeſell ihres Leyds; Da ſahe ich/ daß der
Sohn keiner Entſchuldigung bedoͤrfft gegen ſeinem
Vatter/ weil er ſeine Art und gute Aufferziehung wol
wuſte/ und dahero ſeiner Unſchuld genugſam verſt-
chert war: Er als ein weiſer/ verſtaͤndiger und tieff-

ſinniger
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[213/0219] Zweytes Buch. in dem er fort gieng/ wurde dem guten alten Hertz- bruder gantz ohnmaͤchtig/ alſo daß man genug an ihm zu laben/ und der Obriſt ſelbſt an ihm zu troͤſten batte/ welcher ſagte: Daß ein frommer Vatter ſei- nes ungerathenen Kinds gar nicht zu entgelten haͤtte. Alſo erlangte Olivier durch Huͤlff deß Teuffels das jenige/ wornach er vorlaͤngſt gerungen/ auff einem ehrlichen Weg aber nicht ereylen moͤgen. Das XXIII. Capitel. SO bald deß jungen Hertzbruders Capitain dieſe Geſchicht erfuhr/ nam er ihm auch die Muſter- ſchreiber-Stell/ und lud ihm eine Bieque auff/ von welcher Zeit an er bey maͤnniglich ſo veracht wurde/ daß ihn die Hund haͤtten anpiſſen moͤgen/ darumb er ihme dann offt den Todt wuͤnſchete! Sein Vatter aber bekuͤmmerte ſich dergeſtalt daruͤber/ daß er in ein ſchwere Kranckheit fiel/ und ſich auff das Ster- ben gefaſt machte. Und demnach er ihme ohne das hiebevor ſelbſt prognoſticirt hatte/ daß er den 26. Julii Leib- und Lebensgefahr außſtehen muͤſte: (wel- cher Tag dann naͤchſt vor der Thuͤr war) Als er- langte er bey dem Obriſten/ daß ſein Sohn noch ein- mal zu ihm kommen dorffte/ damit er wegen ſeiner Verlaſſenſchafft mit ihm reden/ und ſeinen letzten Willen eroͤffnen moͤchte. Jch wurde bey ihrer Zu- ſammenkunfft nicht außgeſchloſſen/ ſondern war der dritte Mitgeſell ihres Leyds; Da ſahe ich/ daß der Sohn keiner Entſchuldigung bedoͤrfft gegen ſeinem Vatter/ weil er ſeine Art und gute Aufferziehung wol wuſte/ und dahero ſeiner Unſchuld genugſam verſt- chert war: Er als ein weiſer/ verſtaͤndiger und tieff- ſinniger

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/219>, abgerufen am 18.04.2024.