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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
Bruder/ antwortet er mir hinwiederumb/ was ist
das? bistu dann ein rechter Narr? oder so leicht-
fertig/ daß du uns in unserer äussersten Trübseelig-
keit noch schertzest? Nein/ nein/ sagte ich/ ich will
dir das Geld herschiessen; sträiffte darauff mein
Wambs ab/ und thät das eine Esels-ohr von mei-
nem Arm/ öffnete es/ und ließ ihn selbst 100. Duca-
ten darauß zehlen und zu sich nemmen/ das übrige
behielt ich/ und sagte: Hiermit will ich deinem kran-
cken Vatter außwarten/ wann er dessen bedarff. Hie-
rauff fielen sie mir umb den Hals/ küßten mich/ und
wusten vor Freuden nicht was sie thaten/ wolten mir
auch eine Handschrifft zustellen/ und mich darinnen
versichern/ daß ich an dem alten Hertzbruder neben
seinem Sohn ein Mit-Erb seyn solte; oder daß sie
mich/ wann ihnen Gott wieder zu dem Jhrigen hülf-
fe/ umb diese Summam sampt dem Interesse wiede-
rumb mit grossem Danck befriedigen wolten: Deren
ich aber keines annam/ sondern allein mich in ihre
beständige Freundschafft befohle. Hierauff wolte
der junge Hertzbruder verschwören/ sich an dem Oli-
vier
zu rächen/ oder darumb zu sterben! Aber sein
Vatter verbotte ihm solches/ und versichert ihn/ daß
der jenige/ der den Olivier todt schlüg/ wieder von
mir dem Simplicio den Rest kriegen werde; doch/
sagte er/ bin ich dessen wol vergewissert/ daß ihr beyde
einander nicht umbbringen werdet/ weil keiner von
euch durch Waffen umbkommen solle. Demnach hielte
er uns an/ daß wir Aydlich zusammen schwuren/ ein-
ander biß in den Todt zu lieben/ und in allen Nöthen
beyzustehen. Der junge Hertzbruder aber entledigte
sich mit dreissig Reichsthalern/ darvor ihm sein Ca-

pitain
K

Zweytes Buch.
Bruder/ antwortet er mir hinwiederumb/ was iſt
das? biſtu dann ein rechter Narꝛ? oder ſo leicht-
fertig/ daß du uns in unſerer aͤuſſerſten Truͤbſeelig-
keit noch ſchertzeſt? Nein/ nein/ ſagte ich/ ich will
dir das Geld herſchieſſen; ſtraͤiffte darauff mein
Wambs ab/ und thaͤt das eine Eſels-ohr von mei-
nem Arm/ oͤffnete es/ und ließ ihn ſelbſt 100. Duca-
ten darauß zehlen und zu ſich nemmen/ das uͤbrige
behielt ich/ und ſagte: Hiermit will ich deinem kran-
cken Vatter außwarten/ wann er deſſen bedarff. Hie-
rauff fielen ſie mir umb den Hals/ kuͤßten mich/ und
wuſten vor Freuden nicht was ſie thaten/ wolten mir
auch eine Handſchrifft zuſtellen/ und mich darinnen
verſichern/ daß ich an dem alten Hertzbruder neben
ſeinem Sohn ein Mit-Erb ſeyn ſolte; oder daß ſie
mich/ wann ihnen Gott wieder zu dem Jhrigen huͤlf-
fe/ umb dieſe Summam ſampt dem Intereſſe wiede-
rumb mit groſſem Danck befriedigen wolten: Deren
ich aber keines annam/ ſondern allein mich in ihre
beſtaͤndige Freundſchafft befohle. Hierauff wolte
der junge Hertzbruder verſchwoͤren/ ſich an dem Oli-
vier
zu raͤchen/ oder darumb zu ſterben! Aber ſein
Vatter verbotte ihm ſolches/ und verſichert ihn/ daß
der jenige/ der den Olivier todt ſchluͤg/ wieder von
mir dem Simplicio den Reſt kriegen werde; doch/
ſagte er/ bin ich deſſen wol vergewiſſert/ daß ihr beyde
einander nicht umbbringen werdet/ weil keiner von
euch durch Waffen umbkom̃en ſolle. Demnach hielte
er uns an/ daß wir Aydlich zuſammen ſchwuren/ ein-
ander biß in den Todt zu lieben/ und in allen Noͤthen
beyzuſtehen. Der junge Hertzbruder aber entledigte
ſich mit dreiſſig Reichsthalern/ darvor ihm ſein Ca-

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[215/0221] Zweytes Buch. Bruder/ antwortet er mir hinwiederumb/ was iſt das? biſtu dann ein rechter Narꝛ? oder ſo leicht- fertig/ daß du uns in unſerer aͤuſſerſten Truͤbſeelig- keit noch ſchertzeſt? Nein/ nein/ ſagte ich/ ich will dir das Geld herſchieſſen; ſtraͤiffte darauff mein Wambs ab/ und thaͤt das eine Eſels-ohr von mei- nem Arm/ oͤffnete es/ und ließ ihn ſelbſt 100. Duca- ten darauß zehlen und zu ſich nemmen/ das uͤbrige behielt ich/ und ſagte: Hiermit will ich deinem kran- cken Vatter außwarten/ wann er deſſen bedarff. Hie- rauff fielen ſie mir umb den Hals/ kuͤßten mich/ und wuſten vor Freuden nicht was ſie thaten/ wolten mir auch eine Handſchrifft zuſtellen/ und mich darinnen verſichern/ daß ich an dem alten Hertzbruder neben ſeinem Sohn ein Mit-Erb ſeyn ſolte; oder daß ſie mich/ wann ihnen Gott wieder zu dem Jhrigen huͤlf- fe/ umb dieſe Summam ſampt dem Intereſſe wiede- rumb mit groſſem Danck befriedigen wolten: Deren ich aber keines annam/ ſondern allein mich in ihre beſtaͤndige Freundſchafft befohle. Hierauff wolte der junge Hertzbruder verſchwoͤren/ ſich an dem Oli- vier zu raͤchen/ oder darumb zu ſterben! Aber ſein Vatter verbotte ihm ſolches/ und verſichert ihn/ daß der jenige/ der den Olivier todt ſchluͤg/ wieder von mir dem Simplicio den Reſt kriegen werde; doch/ ſagte er/ bin ich deſſen wol vergewiſſert/ daß ihr beyde einander nicht umbbringen werdet/ weil keiner von euch durch Waffen umbkom̃en ſolle. Demnach hielte er uns an/ daß wir Aydlich zuſammen ſchwuren/ ein- ander biß in den Todt zu lieben/ und in allen Noͤthen beyzuſtehen. Der junge Hertzbruder aber entledigte ſich mit dreiſſig Reichsthalern/ darvor ihm ſein Ca- pitain K

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/221>, abgerufen am 29.03.2024.