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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
geben/ wenn sie mich dann so unter dem Harnisch
plagten und nagten/ so wischte ich mit einer Pistoln
herauß/ als ob ich hätte Kuglen mit ihnen wechseln
wollen/ nam aber nur den Ladstecken/ und stiesse sie
damit von der Kost; endlich erfand ich die Kunst/ daß
ich einen Beltzfleck darumb wickelte/ und ein artlich
Klebgarn vor sie zurichtete/ wann ich dann mit die-
sem Lauß. Angel unter den Harnisch fuhr/ fischte ich
sie Dutzetweis auß ihrem Vortel/ welchen ich mit-
einander die Häls über das Pferd abstürtzte/ es moch-
te aber wenig erklecken.

Einsmals wurde mein Obrist Leutenant comman-
di
rt/ eine Cavalcada mit einer starcken Parthey in
Westphalen zu thun/ und wäre er damals so starck
an Reutern gewesen/ als ich an Läusen/ so hätte er
die gantze Welt erschreckt/ weil solches aber nicht
war/ muste er behutsam gehen/ auch solcher Ursachen
halber sich in der Gemmer Marck (das ist ein so ge-
nanter Wald zwischen Ham und Soest) heimlich
halten; Damals wars mit den meinigen auffs höch-
ste kommen/ sie quälten mich so hart mit Miniren/
daß ich sorgte/ sie möchten sich gar zwischen Fell
und Fleisch hinein logiren. Kein Wunder ists/ daß
die Brastlianer ihre Läus auß Zorn und Rachgier
fressen/ weil sie einen so drängen! Einmal/ ich ge-
traute meine Pein nicht länger zu gedulden/ sondern
gienge als theils Reuter fütterten/ theils schlieffen/
und theils Schildwacht hielten/ ein wenig beyseits
unter einen Baum/ meinen Feinden eine Schlacht
zu liefern/ zu solchem End zog ich den Harnisch auß/
unangesehen andere denselben anziehen/ wann sie
fechten wollen/ und fienge ein solches Würgen und

Morden

Zweytes Buch.
geben/ wenn ſie mich dann ſo unter dem Harniſch
plagten und nagten/ ſo wiſchte ich mit einer Piſtoln
herauß/ als ob ich haͤtte Kuglen mit ihnen wechſeln
wollen/ nam aber nur den Ladſtecken/ und ſtieſſe ſie
damit von der Koſt; endlich erfand ich die Kunſt/ daß
ich einen Beltzfleck darumb wickelte/ und ein artlich
Klebgarn vor ſie zurichtete/ wann ich dann mit die-
ſem Lauß. Angel unter den Harniſch fuhr/ fiſchte ich
ſie Dutzetweis auß ihrem Vortel/ welchen ich mit-
einander die Haͤls uͤber das Pferd abſtuͤrtzte/ es moch-
te aber wenig erklecken.

Einsmals wurde mein Obriſt Leutenant comman-
di
rt/ eine Cavalcada mit einer ſtarcken Parthey in
Weſtphalen zu thun/ und waͤre er damals ſo ſtarck
an Reutern geweſen/ als ich an Laͤuſen/ ſo haͤtte er
die gantze Welt erſchreckt/ weil ſolches aber nicht
war/ muſte er behutſam gehen/ auch ſolcher Urſachen
halber ſich in der Gemmer Marck (das iſt ein ſo ge-
nanter Wald zwiſchen Ham und Soeſt) heimlich
halten; Damals wars mit den meinigen auffs hoͤch-
ſte kommen/ ſie quaͤlten mich ſo hart mit Miniren/
daß ich ſorgte/ ſie moͤchten ſich gar zwiſchen Fell
und Fleiſch hinein logiren. Kein Wunder iſts/ daß
die Braſtlianer ihre Laͤus auß Zorn und Rachgier
freſſen/ weil ſie einen ſo draͤngen! Einmal/ ich ge-
traute meine Pein nicht laͤnger zu gedulden/ ſondern
gienge als theils Reuter fuͤtterten/ theils ſchlieffen/
und theils Schildwacht hielten/ ein wenig beyſeits
unter einen Baum/ meinen Feinden eine Schlacht
zu liefern/ zu ſolchem End zog ich den Harniſch auß/
unangeſehen andere denſelben anziehen/ wann ſie
fechten wollen/ und fienge ein ſolches Wuͤrgen und

Morden
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[237/0243] Zweytes Buch. geben/ wenn ſie mich dann ſo unter dem Harniſch plagten und nagten/ ſo wiſchte ich mit einer Piſtoln herauß/ als ob ich haͤtte Kuglen mit ihnen wechſeln wollen/ nam aber nur den Ladſtecken/ und ſtieſſe ſie damit von der Koſt; endlich erfand ich die Kunſt/ daß ich einen Beltzfleck darumb wickelte/ und ein artlich Klebgarn vor ſie zurichtete/ wann ich dann mit die- ſem Lauß. Angel unter den Harniſch fuhr/ fiſchte ich ſie Dutzetweis auß ihrem Vortel/ welchen ich mit- einander die Haͤls uͤber das Pferd abſtuͤrtzte/ es moch- te aber wenig erklecken. Einsmals wurde mein Obriſt Leutenant comman- dirt/ eine Cavalcada mit einer ſtarcken Parthey in Weſtphalen zu thun/ und waͤre er damals ſo ſtarck an Reutern geweſen/ als ich an Laͤuſen/ ſo haͤtte er die gantze Welt erſchreckt/ weil ſolches aber nicht war/ muſte er behutſam gehen/ auch ſolcher Urſachen halber ſich in der Gemmer Marck (das iſt ein ſo ge- nanter Wald zwiſchen Ham und Soeſt) heimlich halten; Damals wars mit den meinigen auffs hoͤch- ſte kommen/ ſie quaͤlten mich ſo hart mit Miniren/ daß ich ſorgte/ ſie moͤchten ſich gar zwiſchen Fell und Fleiſch hinein logiren. Kein Wunder iſts/ daß die Braſtlianer ihre Laͤus auß Zorn und Rachgier freſſen/ weil ſie einen ſo draͤngen! Einmal/ ich ge- traute meine Pein nicht laͤnger zu gedulden/ ſondern gienge als theils Reuter fuͤtterten/ theils ſchlieffen/ und theils Schildwacht hielten/ ein wenig beyſeits unter einen Baum/ meinen Feinden eine Schlacht zu liefern/ zu ſolchem End zog ich den Harniſch auß/ unangeſehen andere denſelben anziehen/ wann ſie fechten wollen/ und fienge ein ſolches Wuͤrgen und Morden

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/243>, abgerufen am 24.04.2024.