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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
dung/ und die Augen voller Schlaff: Jch gieng dan-
noch fürter/ wuste aber nicht wohin/ je weiter ich
aber gieng/ je tieffer ich von den Leuten hinweg in
Wald kam: Damals stunde ich auß/ und empfande
(jedoch gantz unvermerckt) die Würckung deß Un-
verstands und der Unwissenheit/ wann ein unver-
nünfftig Thier an meiner Stell gewesen wäre/ so
hätte es besser gewust/ was es zu seiner Erhaltung
hätte thun sollen/ als ich/ doch war ich noch so witzig/
als mich abermal die Nacht ereylte/ daß ich in einen
holen Baum kroche/ mein Nachtläger darinnen zu
halten.

Das VI. Capitel.

KAum hatte ich mich zum Schlaff accommodiret/
da hörete ich folgende Stimm: O grosse Liebe/
gegen uns und anckbarn Menschen! Ach mein eini-
ger Trost! mein Hoffnung/ mein Reichthum/ mein
GOtt! und so dergleichen mehr/ das ich nicht alles
mercken noch verstehen können.

Dieses waren wol Wort/ die einen Christen men-
schen/ der sich in einem solchen Stand/ wie ich mich
dazumal befunden/ billich auffmuntern/ trösten und
erfreuen hätten sollen: Aber/ O Einfalt und Unwis-
senheit! es waren mir nur Böhmische Dörffer/ und
alles ein gantz unverständliche Sprach/ auß deren
ich nicht allein nichts fassen konte/ sondern auch ein
solche/ vor deren Selzamkeit ich mich entsetzte; da
ich aber hörete/ daß dessen/ der sie redete/ Hunger und
Durst gestillt werden solte/ riethe mir mein ohner-
[tr]äglicher Hunger/ mich auch zu Gast zu laden/ de-
[r]owegen fasste ich das Hertz/ wieder auß meinem
holen Baum zu gehen/ und mich der gehörten Stimm

zu
B

Erſtes Buch.
dung/ und die Augen voller Schlaff: Jch gieng dan-
noch fuͤrter/ wuſte aber nicht wohin/ je weiter ich
aber gieng/ je tieffer ich von den Leuten hinweg in
Wald kam: Damals ſtunde ich auß/ und empfande
(jedoch gantz unvermerckt) die Wuͤrckung deß Un-
verſtands und der Unwiſſenheit/ wann ein unver-
nuͤnfftig Thier an meiner Stell geweſen waͤre/ ſo
haͤtte es beſſer gewuſt/ was es zu ſeiner Erhaltung
haͤtte thun ſollen/ als ich/ doch war ich noch ſo witzig/
als mich abermal die Nacht ereylte/ daß ich in einen
holen Baum kroche/ mein Nachtlaͤger darinnen zu
halten.

Das VI. Capitel.

KAum hatte ich mich zum Schlaff accommodiret/
da hoͤrete ich folgende Stimm: O groſſe Liebe/
gegen uns und anckbarn Menſchen! Ach mein eini-
ger Troſt! mein Hoffnung/ mein Reichthum/ mein
GOtt! und ſo dergleichen mehr/ das ich nicht alles
mercken noch verſtehen koͤnnen.

Dieſes waren wol Wort/ die einen Chriſten men-
ſchen/ der ſich in einem ſolchen Stand/ wie ich mich
dazumal befunden/ billich auffmuntern/ troͤſten und
erfreuen haͤtten ſollen: Aber/ O Einfalt und Unwiſ-
ſenheit! es waren mir nur Boͤhmiſche Doͤrffer/ und
alles ein gantz unverſtaͤndliche Sprach/ auß deren
ich nicht allein nichts faſſen konte/ ſondern auch ein
ſolche/ vor deren Selzamkeit ich mich entſetzte; da
ich aber hoͤrete/ daß deſſen/ der ſie redete/ Hunger und
Durſt geſtillt werden ſolte/ riethe mir mein ohner-
[tr]aͤglicher Hunger/ mich auch zu Gaſt zu laden/ de-
[r]owegen faſſte ich das Hertz/ wieder auß meinem
holen Baum zu gehen/ und mich der gehoͤrten Stim̃

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[23/0029] Erſtes Buch. dung/ und die Augen voller Schlaff: Jch gieng dan- noch fuͤrter/ wuſte aber nicht wohin/ je weiter ich aber gieng/ je tieffer ich von den Leuten hinweg in Wald kam: Damals ſtunde ich auß/ und empfande (jedoch gantz unvermerckt) die Wuͤrckung deß Un- verſtands und der Unwiſſenheit/ wann ein unver- nuͤnfftig Thier an meiner Stell geweſen waͤre/ ſo haͤtte es beſſer gewuſt/ was es zu ſeiner Erhaltung haͤtte thun ſollen/ als ich/ doch war ich noch ſo witzig/ als mich abermal die Nacht ereylte/ daß ich in einen holen Baum kroche/ mein Nachtlaͤger darinnen zu halten. Das VI. Capitel. KAum hatte ich mich zum Schlaff accommodiret/ da hoͤrete ich folgende Stimm: O groſſe Liebe/ gegen uns und anckbarn Menſchen! Ach mein eini- ger Troſt! mein Hoffnung/ mein Reichthum/ mein GOtt! und ſo dergleichen mehr/ das ich nicht alles mercken noch verſtehen koͤnnen. Dieſes waren wol Wort/ die einen Chriſten men- ſchen/ der ſich in einem ſolchen Stand/ wie ich mich dazumal befunden/ billich auffmuntern/ troͤſten und erfreuen haͤtten ſollen: Aber/ O Einfalt und Unwiſ- ſenheit! es waren mir nur Boͤhmiſche Doͤrffer/ und alles ein gantz unverſtaͤndliche Sprach/ auß deren ich nicht allein nichts faſſen konte/ ſondern auch ein ſolche/ vor deren Selzamkeit ich mich entſetzte; da ich aber hoͤrete/ daß deſſen/ der ſie redete/ Hunger und Durſt geſtillt werden ſolte/ riethe mir mein ohner- traͤglicher Hunger/ mich auch zu Gaſt zu laden/ de- rowegen faſſte ich das Hertz/ wieder auß meinem holen Baum zu gehen/ und mich der gehoͤrten Stim̃ zu B

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/29>, abgerufen am 29.03.2024.