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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
sidel zu bewegen/ daß er mich bey ihm behielte: Ob
es ihm nun zwar beschwerlich gefallen/ meine ver-
drüßliche Gegenwart zu gedulden/ so hat er jedoch
beschlossen/ mich bey ihm zu leiden/ mehr/ daß er
mich in der Christlichen Religion unterrichtete/ als
sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu
bedienen/ sein gröste Sorg war/ mein zarte Jugend
dörffte ein solche harte Art zu leben/ in die Länge nit
außharren mögen.

Eine Zeit von ungefähr drey Wochen war mein
Probier-Jahr/ in welcher eben S. Gertraud mit
den Gärtnern zu Feld lag/ also daß ich mich auch
in deren Profession gebrauchen liesse/ ich hielte mich
so wol/ daß der Einsidel ein sonderliches Gefallen
an mir hatte/ nicht zwar der Arbeit halber/ so ich zu-
vor zu vollbringen gewohnet war/ sondern weil er
sahe/ daß ich eben so begierig seine Unterweisungen
hörete/ als geschickt die Waxwaiche/ und zwar noch
glatte Tafel meines Hertzens solche zu fassen/ sich er-
zeigte: Solcher Ursachen halber wurde er auch de-
sto eyferiger/ mich in allem Guten anzuführen/ er
machte den Anfang seiner Unterrichtungen vom Fall
Lucifers/ von dannen kam er in das Paradeis/ und
als wir mit unsern Eltern dar auß verstossen wurden/
passirte er durch das Gesetz Mosis/ und lernete mich
vermittelst der zehen Gebot Gottes und ihrer Außle-
gungen (von denen er sagte/ daß sie ein wahre Richt-
schnur seyen/ den Willen GOttes zu erkennen/ und
nach denselben ein heiliges Gott wolgefälliges Leben
anzustellen) die Tugenden von den Lastern zu unter-
scheiden/ das gute zu thun/ und das böse zu lassen:
Endlich kam er auff das Evangelium/ und sagte mir

von

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſidel zu bewegen/ daß er mich bey ihm behielte: Ob
es ihm nun zwar beſchwerlich gefallen/ meine ver-
druͤßliche Gegenwart zu gedulden/ ſo hat er jedoch
beſchloſſen/ mich bey ihm zu leiden/ mehr/ daß er
mich in der Chriſtlichen Religion unterꝛichtete/ als
ſich in ſeinem vorhandenen Alter meiner Dienſte zu
bedienen/ ſein groͤſte Sorg war/ mein zarte Jugend
doͤrffte ein ſolche harte Art zu leben/ in die Laͤnge nit
außharꝛen moͤgen.

Eine Zeit von ungefaͤhr drey Wochen war mein
Probier-Jahr/ in welcher eben S. Gertraud mit
den Gaͤrtnern zu Feld lag/ alſo daß ich mich auch
in deren Profeſſion gebrauchen lieſſe/ ich hielte mich
ſo wol/ daß der Einſidel ein ſonderliches Gefallen
an mir hatte/ nicht zwar der Arbeit halber/ ſo ich zu-
vor zu vollbringen gewohnet war/ ſondern weil er
ſahe/ daß ich eben ſo begierig ſeine Unterweiſungen
hoͤrete/ als geſchickt die Waxwaiche/ und zwar noch
glatte Tafel meines Hertzens ſolche zu faſſen/ ſich er-
zeigte: Solcher Urſachen halber wurde er auch de-
ſto eyferiger/ mich in allem Guten anzufuͤhren/ er
machte den Anfang ſeiner Unterꝛichtungen vom Fall
Lucifers/ von dannen kam er in das Paradeis/ und
als wir mit unſern Eltern dar auß verſtoſſen wurden/
paſſirte er durch das Geſetz Moſis/ und lernete mich
vermittelſt der zehen Gebot Gottes und ihrer Außle-
gungen (von denen er ſagte/ daß ſie ein wahre Richt-
ſchnur ſeyen/ den Willen GOttes zu erkennen/ und
nach denſelben ein heiliges Gott wolgefaͤlliges Leben
anzuſtellen) die Tugenden von den Laſtern zu unter-
ſcheiden/ das gute zu thun/ und das boͤſe zu laſſen:
Endlich kam er auff das Evangelium/ und ſagte mir

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[32/0038] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſidel zu bewegen/ daß er mich bey ihm behielte: Ob es ihm nun zwar beſchwerlich gefallen/ meine ver- druͤßliche Gegenwart zu gedulden/ ſo hat er jedoch beſchloſſen/ mich bey ihm zu leiden/ mehr/ daß er mich in der Chriſtlichen Religion unterꝛichtete/ als ſich in ſeinem vorhandenen Alter meiner Dienſte zu bedienen/ ſein groͤſte Sorg war/ mein zarte Jugend doͤrffte ein ſolche harte Art zu leben/ in die Laͤnge nit außharꝛen moͤgen. Eine Zeit von ungefaͤhr drey Wochen war mein Probier-Jahr/ in welcher eben S. Gertraud mit den Gaͤrtnern zu Feld lag/ alſo daß ich mich auch in deren Profeſſion gebrauchen lieſſe/ ich hielte mich ſo wol/ daß der Einſidel ein ſonderliches Gefallen an mir hatte/ nicht zwar der Arbeit halber/ ſo ich zu- vor zu vollbringen gewohnet war/ ſondern weil er ſahe/ daß ich eben ſo begierig ſeine Unterweiſungen hoͤrete/ als geſchickt die Waxwaiche/ und zwar noch glatte Tafel meines Hertzens ſolche zu faſſen/ ſich er- zeigte: Solcher Urſachen halber wurde er auch de- ſto eyferiger/ mich in allem Guten anzufuͤhren/ er machte den Anfang ſeiner Unterꝛichtungen vom Fall Lucifers/ von dannen kam er in das Paradeis/ und als wir mit unſern Eltern dar auß verſtoſſen wurden/ paſſirte er durch das Geſetz Moſis/ und lernete mich vermittelſt der zehen Gebot Gottes und ihrer Außle- gungen (von denen er ſagte/ daß ſie ein wahre Richt- ſchnur ſeyen/ den Willen GOttes zu erkennen/ und nach denſelben ein heiliges Gott wolgefaͤlliges Leben anzuſtellen) die Tugenden von den Laſtern zu unter- ſcheiden/ das gute zu thun/ und das boͤſe zu laſſen: Endlich kam er auff das Evangelium/ und ſagte mir von

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/38>, abgerufen am 28.03.2024.