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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
allerdings fähig/ könne aber nichts ohne fleissige
Ubung hinein gebracht werden) diesen klaren Auß-
schlag gibt: nemlich/ es seye diese Scientia oder U-
bung die perfection der Seelen/ welche für sich selbst
überall nichts an sich habe; Solches bestätigt Cice-
ro lib. 2. Tuscul. quaest.
Welcher die Seel deß Men-
schen ohne Lehr/ Wissenschafft und Ubung/ einem
solchen Feld vergleicht/ das zwar von Natur frucht-
bar seye/ aber wann man es nicht baue und besaame/
gleichwol keine Frucht bringe.

Solches alles erwiese ich mit meinem eigenen
Exempel/ denn daß ich alles so bald gefasst/ was mir
der fromme Einsidel vorgehalten/ ist daher kommen/
weil er die geschlichte Tafel meiner Seelen gantz
läer/ und ohn einige zuvor hinein gedruckte Bildnus-
sen gefunden/ so etwas anders hinein zu bringen hätt
hindern mögen; gleichwol aber ist die pure Einfalt
gegen andern Menschen zu rechnen/ noch immerzu
bey mir verblieben/ dahero der Einsidel (weil weder
er noch ich meinen rechten Nahmen gewust) mich
nur Simplicium genennet.

Mithin lernete ich auch beten/ und als er meinem
steiffen Vorsatz/ bey ihm zu bleiben/ ein Genügen zu
thun entschlossen/ baueten wir vor mich eine Hütten
gleich der seinigen/ von Holtz/ Reisern und Erden/
fast formirt wie der Musquetirer im Feld ihre Zelten/
oder besser zu sageu/ die Bauren an theils Orten ihre
Rubenlöcher haben/ zwar so nider/ daß ich kaum auff-
recht darinn sitzen konte/ mein Bett war von dürrem
Laub und Gras/ und eben so groß als die Hütte selbst/
so daß ich nit weiß/ ob ich dergleichen Wohnung oder
Hölen eine bedeckte Lägerstatt/ oder eine Hütte nennen
soll.

Das

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
allerdings faͤhig/ koͤnne aber nichts ohne fleiſſige
Ubung hinein gebracht werden) dieſen klaren Auß-
ſchlag gibt: nemlich/ es ſeye dieſe Scientia oder U-
bung die perfection der Seelen/ welche fuͤr ſich ſelbſt
uͤberall nichts an ſich habe; Solches beſtaͤtigt Cice-
ro lib. 2. Tuſcul. quæſt.
Welcher die Seel deß Men-
ſchen ohne Lehr/ Wiſſenſchafft und Ubung/ einem
ſolchen Feld vergleicht/ das zwar von Natur frucht-
bar ſeye/ aber wann man es nicht baue und beſaame/
gleichwol keine Frucht bringe.

Solches alles erwieſe ich mit meinem eigenen
Exempel/ denn daß ich alles ſo bald gefaſſt/ was mir
der fromme Einſidel vorgehalten/ iſt daher kommen/
weil er die geſchlichte Tafel meiner Seelen gantz
laͤer/ und ohn einige zuvor hinein gedruckte Bildnuſ-
ſen gefunden/ ſo etwas anders hinein zu bringen haͤtt
hindern moͤgen; gleichwol aber iſt die pure Einfalt
gegen andern Menſchen zu rechnen/ noch immerzu
bey mir verblieben/ dahero der Einſidel (weil weder
er noch ich meinen rechten Nahmen gewuſt) mich
nur Simplicium genennet.

Mithin lernete ich auch beten/ und als er meinem
ſteiffen Vorſatz/ bey ihm zu bleiben/ ein Genuͤgen zu
thun entſchloſſen/ baueten wir vor mich eine Huͤtten
gleich der ſeinigen/ von Holtz/ Reiſern und Erden/
faſt formirt wie der Muſquetirer im Feld ihre Zelten/
oder beſſer zu ſageu/ die Bauren an theils Orten ihre
Rubenloͤcher haben/ zwar ſo nider/ daß ich kaum auff-
recht darinn ſitzen konte/ mein Bett war von duͤrꝛem
Laub und Gras/ und eben ſo groß als die Huͤtte ſelbſt/
ſo daß ich nit weiß/ ob ich dergleichen Wohnung oder
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ſoll.

Das
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[34/0040] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi allerdings faͤhig/ koͤnne aber nichts ohne fleiſſige Ubung hinein gebracht werden) dieſen klaren Auß- ſchlag gibt: nemlich/ es ſeye dieſe Scientia oder U- bung die perfection der Seelen/ welche fuͤr ſich ſelbſt uͤberall nichts an ſich habe; Solches beſtaͤtigt Cice- ro lib. 2. Tuſcul. quæſt. Welcher die Seel deß Men- ſchen ohne Lehr/ Wiſſenſchafft und Ubung/ einem ſolchen Feld vergleicht/ das zwar von Natur frucht- bar ſeye/ aber wann man es nicht baue und beſaame/ gleichwol keine Frucht bringe. Solches alles erwieſe ich mit meinem eigenen Exempel/ denn daß ich alles ſo bald gefaſſt/ was mir der fromme Einſidel vorgehalten/ iſt daher kommen/ weil er die geſchlichte Tafel meiner Seelen gantz laͤer/ und ohn einige zuvor hinein gedruckte Bildnuſ- ſen gefunden/ ſo etwas anders hinein zu bringen haͤtt hindern moͤgen; gleichwol aber iſt die pure Einfalt gegen andern Menſchen zu rechnen/ noch immerzu bey mir verblieben/ dahero der Einſidel (weil weder er noch ich meinen rechten Nahmen gewuſt) mich nur Simplicium genennet. Mithin lernete ich auch beten/ und als er meinem ſteiffen Vorſatz/ bey ihm zu bleiben/ ein Genuͤgen zu thun entſchloſſen/ baueten wir vor mich eine Huͤtten gleich der ſeinigen/ von Holtz/ Reiſern und Erden/ faſt formirt wie der Muſquetirer im Feld ihre Zelten/ oder beſſer zu ſageu/ die Bauren an theils Orten ihre Rubenloͤcher haben/ zwar ſo nider/ daß ich kaum auff- recht darinn ſitzen konte/ mein Bett war von duͤrꝛem Laub und Gras/ und eben ſo groß als die Huͤtte ſelbſt/ ſo daß ich nit weiß/ ob ich dergleichen Wohnung oder Hoͤlen eine bedeckte Laͤgerſtatt/ oder eine Huͤtte neñen ſoll. Das

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/40>, abgerufen am 29.03.2024.