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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
voll kostbar Leinengezeug/ das mir aber niemand ab-
kauffen wolte/ weil jeder sorgte/ ich möchte ihm auch
eine Kranckheit damit an Hals hencken. Solches
nam ich auff den Buckel/ den Degen in die Hand/ und
den Weg unter die Füß/ der mich in ein klein Stätt-
lein trug/ so gleichwol ein eigene Apotheck vermoch-
te/ in dieselbe gieng ich/ und ließ mir eine Salbe zu-
richten/ die mir die Urschlechten-mähler im Gesicht
vertreiben solten/ und weil ich kein Geld hatte/ gab
ich dem Apothecker-Gesellen ein schön zart Hemd da-
vor/ der nit so eckel war/ wie andere Narren/ so keine
Kleider von mir haben wolten. Jch gedachte/ wenn
du nur der schandlichen Flecken loß wirst/ so wird
sichs schon auch wieder mit deinem Elend bessern;
und weil mich der Apothecker tröstete/ man würde
mir über acht Tag/ ohne die tieffe Narben/ so mir die
Purpeln in die Haut gefressen/ wenig mehr ansehen/
war ich schon behertzter. Es war eben Marckt da-
selbst/ und auff demselben befand sich ein Zahnbrecher/
der trefflich Geld lösete/ da er doch liederlich Ding
den Leuten dafür anhängte: Narr/ sagte ich zu mir
selber/ was machstu/ daß du nicht auch so einen Kram
auffrichtest? bistu so lang bey Mons. Canard gewest/
und hast nit so viel gelernt/ ein einfältigen Bauren zu
betrügen/ und dein Maul futter darvon zu gewinnen/
so mustu wol ein elender Tropff seyn.

Das VIII. Capitel.

JCh mochte damals fressen wie ein Drescher/ dann
mein Magen war nicht zu ersättigen/ wiewol ich
nichts mehr im Vorrath hatte/ als noch einen einzi-
gen güldenen Ring mit einem Demant/ der etwa 20.

Cronen
S v

Viertes Buch.
voll koſtbar Leinengezeug/ das mir aber niemand ab-
kauffen wolte/ weil jeder ſorgte/ ich moͤchte ihm auch
eine Kranckheit damit an Hals hencken. Solches
nam ich auff den Buckel/ den Degen in die Hand/ und
den Weg unter die Fuͤß/ der mich in ein klein Staͤtt-
lein trug/ ſo gleichwol ein eigene Apotheck vermoch-
te/ in dieſelbe gieng ich/ und ließ mir eine Salbe zu-
richten/ die mir die Urſchlechten-maͤhler im Geſicht
vertreiben ſolten/ und weil ich kein Geld hatte/ gab
ich dem Apothecker-Geſellen ein ſchoͤn zart Hemd da-
vor/ der nit ſo eckel war/ wie andere Narꝛen/ ſo keine
Kleider von mir haben wolten. Jch gedachte/ wenn
du nur der ſchandlichen Flecken loß wirſt/ ſo wird
ſichs ſchon auch wieder mit deinem Elend beſſern;
und weil mich der Apothecker troͤſtete/ man wuͤrde
mir uͤber acht Tag/ ohne die tieffe Narben/ ſo mir die
Purpeln in die Haut gefreſſen/ wenig mehr anſehen/
war ich ſchon behertzter. Es war eben Marckt da-
ſelbſt/ und auff demſelben befand ſich ein Zahnbrecher/
der trefflich Geld loͤſete/ da er doch liederlich Ding
den Leuten dafuͤr anhaͤngte: Narꝛ/ ſagte ich zu mir
ſelber/ was machſtu/ daß du nicht auch ſo einen Kram
auffrichteſt? biſtu ſo lang bey Monſ. Canard geweſt/
und haſt nit ſo viel gelernt/ ein einfaͤltigen Bauren zu
betruͤgen/ und dein Maul futter darvon zu gewinnen/
ſo muſtu wol ein elender Tropff ſeyn.

Das VIII. Capitel.

JCh mochte damals freſſen wie ein Dreſcher/ dann
mein Magen war nicht zu erſaͤttigen/ wiewol ich
nichts mehr im Vorꝛath hatte/ als noch einen einzi-
gen guͤldenen Ring mit einem Demant/ der etwa 20.

Cronen
S v
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[415/0421] Viertes Buch. voll koſtbar Leinengezeug/ das mir aber niemand ab- kauffen wolte/ weil jeder ſorgte/ ich moͤchte ihm auch eine Kranckheit damit an Hals hencken. Solches nam ich auff den Buckel/ den Degen in die Hand/ und den Weg unter die Fuͤß/ der mich in ein klein Staͤtt- lein trug/ ſo gleichwol ein eigene Apotheck vermoch- te/ in dieſelbe gieng ich/ und ließ mir eine Salbe zu- richten/ die mir die Urſchlechten-maͤhler im Geſicht vertreiben ſolten/ und weil ich kein Geld hatte/ gab ich dem Apothecker-Geſellen ein ſchoͤn zart Hemd da- vor/ der nit ſo eckel war/ wie andere Narꝛen/ ſo keine Kleider von mir haben wolten. Jch gedachte/ wenn du nur der ſchandlichen Flecken loß wirſt/ ſo wird ſichs ſchon auch wieder mit deinem Elend beſſern; und weil mich der Apothecker troͤſtete/ man wuͤrde mir uͤber acht Tag/ ohne die tieffe Narben/ ſo mir die Purpeln in die Haut gefreſſen/ wenig mehr anſehen/ war ich ſchon behertzter. Es war eben Marckt da- ſelbſt/ und auff demſelben befand ſich ein Zahnbrecher/ der trefflich Geld loͤſete/ da er doch liederlich Ding den Leuten dafuͤr anhaͤngte: Narꝛ/ ſagte ich zu mir ſelber/ was machſtu/ daß du nicht auch ſo einen Kram auffrichteſt? biſtu ſo lang bey Monſ. Canard geweſt/ und haſt nit ſo viel gelernt/ ein einfaͤltigen Bauren zu betruͤgen/ und dein Maul futter darvon zu gewinnen/ ſo muſtu wol ein elender Tropff ſeyn. Das VIII. Capitel. JCh mochte damals freſſen wie ein Dreſcher/ dann mein Magen war nicht zu erſaͤttigen/ wiewol ich nichts mehr im Vorꝛath hatte/ als noch einen einzi- gen guͤldenen Ring mit einem Demant/ der etwa 20. Cronen S v

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/421>, abgerufen am 29.03.2024.