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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
seines Uberflusses zärtlich auffziehen liesse/ ich wurde
in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann/ in Essen
wie ein Freyherr/ und in der übrigen Wartung wie
ein Graf/ welches ich alles mehr dem Kupffer und
Galmey/ als dem Silber und Gold zu dancken.

Ehe ich das sidende Jahr völlig überlebte/ erzeigte
sich schon/ was auß mir werden wolte/ dann was zur
Nessel werden soll/ brennt bey Zeiten; kein Schelm-
stück war mit zu viel/ und wo ich einem konte einen
Possen reissen/ unterließ ichs nicht/ dann mich weder
Vatter noch Mutter hierumb straffte; ich terminirte
mit meines gleichen bösen Buben durch dinn und dick
auff der Gassen herumb/ und hatte schon das Hertz/
mit stärckern als ich war/ herumb zu schlagen/ krieg-
te ich dann Stöß/ so sagten meine Eltern/ Was ist
das? soll so ein grosser Flegel sich mit einem Kind
schlagen? überwand denn ich (massen ich kratzte/ biß
und warff) so sagten sie/ Unser Oliviergen wird ein
draver Kerl werden! Davon wuchs mir der Muth/
zum beten war ich noch zu klein/ wenn ich aber fluch-
te wie ein Fuhrmann/ so hieß/ ich verstünde es nicht:
Also wurde ich immer ärger/ biß man mich zur Schul
schickte/ was denn andere böse Buben auß Boßheit
ersannen/ und nicht practiciren dorfften/ das setzte ich
ins Werck. Wenn ich meine Bücher verklettert oder
zerrisse/ so schaffte mir die Mutter wieder andere/ da-
mit mein geitziger Vatter sich nit erzörnte. Meinem
Schulmeister thät ich grossen Dampff an/ dann er
dorffte mich nit hart halten/ weiler zimliche Vereh-
rungen von meinen Eltern bekam/ als deren unziem-
liche Affen-Liebe gegen mir ihm wol bekant ware;
Jm Sommer fieng ich Feldgrillen/ und setzte sie fein

heim-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſeines Uberfluſſes zaͤrtlich auffziehen lieſſe/ ich wurde
in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann/ in Eſſen
wie ein Freyherꝛ/ und in der uͤbrigen Wartung wie
ein Graf/ welches ich alles mehr dem Kupffer und
Galmey/ als dem Silber und Gold zu dancken.

Ehe ich das ſidende Jahr voͤllig uͤberlebte/ erzeigte
ſich ſchon/ was auß mir werden wolte/ dann was zur
Neſſel werden ſoll/ brennt bey Zeiten; kein Schelm-
ſtuͤck war mit zu viel/ und wo ich einem konte einen
Poſſen reiſſen/ unterließ ichs nicht/ dann mich weder
Vatter noch Mutter hierumb ſtraffte; ich terminirte
mit meines gleichen boͤſen Buben durch dinn und dick
auff der Gaſſen herumb/ und hatte ſchon das Hertz/
mit ſtaͤrckern als ich war/ herumb zu ſchlagen/ krieg-
te ich dann Stoͤß/ ſo ſagten meine Eltern/ Was iſt
das? ſoll ſo ein groſſer Flegel ſich mit einem Kind
ſchlagen? uͤberwand denn ich (maſſen ich kratzte/ biß
und warff) ſo ſagten ſie/ Unſer Oliviergen wird ein
draver Kerl werden! Davon wuchs mir der Muth/
zum beten war ich noch zu klein/ wenn ich aber fluch-
te wie ein Fuhrmann/ ſo hieß/ ich verſtuͤnde es nicht:
Alſo wurde ich immer aͤrger/ biß man mich zur Schul
ſchickte/ was denn andere boͤſe Buben auß Boßheit
erſannen/ und nicht practiciren doꝛfften/ das ſetzte ich
ins Werck. Wenn ich meine Buͤcher verklettert oder
zerꝛiſſe/ ſo ſchaffte mir die Mutter wieder andere/ da-
mit mein geitziger Vatter ſich nit erzoͤrnte. Meinem
Schulmeiſter thaͤt ich groſſen Dampff an/ dann er
dorffte mich nit hart halten/ weiler zimliche Vereh-
rungen von meinen Eltern bekam/ als deren unziem-
liche Affen-Liebe gegen mir ihm wol bekant ware;
Jm Sommer fieng ich Feldgrillen/ und ſetzte ſie fein

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[460/0466] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſeines Uberfluſſes zaͤrtlich auffziehen lieſſe/ ich wurde in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann/ in Eſſen wie ein Freyherꝛ/ und in der uͤbrigen Wartung wie ein Graf/ welches ich alles mehr dem Kupffer und Galmey/ als dem Silber und Gold zu dancken. Ehe ich das ſidende Jahr voͤllig uͤberlebte/ erzeigte ſich ſchon/ was auß mir werden wolte/ dann was zur Neſſel werden ſoll/ brennt bey Zeiten; kein Schelm- ſtuͤck war mit zu viel/ und wo ich einem konte einen Poſſen reiſſen/ unterließ ichs nicht/ dann mich weder Vatter noch Mutter hierumb ſtraffte; ich terminirte mit meines gleichen boͤſen Buben durch dinn und dick auff der Gaſſen herumb/ und hatte ſchon das Hertz/ mit ſtaͤrckern als ich war/ herumb zu ſchlagen/ krieg- te ich dann Stoͤß/ ſo ſagten meine Eltern/ Was iſt das? ſoll ſo ein groſſer Flegel ſich mit einem Kind ſchlagen? uͤberwand denn ich (maſſen ich kratzte/ biß und warff) ſo ſagten ſie/ Unſer Oliviergen wird ein draver Kerl werden! Davon wuchs mir der Muth/ zum beten war ich noch zu klein/ wenn ich aber fluch- te wie ein Fuhrmann/ ſo hieß/ ich verſtuͤnde es nicht: Alſo wurde ich immer aͤrger/ biß man mich zur Schul ſchickte/ was denn andere boͤſe Buben auß Boßheit erſannen/ und nicht practiciren doꝛfften/ das ſetzte ich ins Werck. Wenn ich meine Buͤcher verklettert oder zerꝛiſſe/ ſo ſchaffte mir die Mutter wieder andere/ da- mit mein geitziger Vatter ſich nit erzoͤrnte. Meinem Schulmeiſter thaͤt ich groſſen Dampff an/ dann er dorffte mich nit hart halten/ weiler zimliche Vereh- rungen von meinen Eltern bekam/ als deren unziem- liche Affen-Liebe gegen mir ihm wol bekant ware; Jm Sommer fieng ich Feldgrillen/ und ſetzte ſie fein heim-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/466>, abgerufen am 24.04.2024.