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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
heimlich in die Schul/ die uns ein lieblich Gesang
machten/ im Winter aber stahl ich Nießwurtz/ und
stäubte sie an den Ort/ da man die Knaben zu castigi-
ren pflegt/ wann sich dann etwan ein Halsstarriger
wehrte/ so stobe mein Pulver herumb/ und machte
mir ein angenehme Kurtzweil/ weil alles niessen mu-
ste. Hernach dünckte ich mich viel zu gut seyn/ nur
so gemeine Schelmstück anzustellen/ sondern all mein
Thun gieng auff obigen Schlag; ich stabl offt dem
einen etwas/ und steckte es einem andern in Sack/
dem ich gern Stöß angerichtet/ und mit solchen Grif-
fen konte ich so behutsam umbgehen/ daß ich sast nie-
mals darüber erdappt wurde. Von den Kriegen/ die
wir damals geführt/ bey denen ich gemerniglich ein
Obrister gewesen/ item von den Stössen die ich offt
bekommen/ (denn ich hatte stets ein zerkratzt Gesicht/
und den Kopff voll Beulen) mag ich jetzt nichts sa-
gen/ es weiß ja jederman ohne das wol/ was die Bu-
ben offt anstellen. So kanst du auch an oberzehlten
Stücken leicht abnebmen/ wie ich mich sonst in mei-
ner Jugend angelassen.

Das XIX. Capitel.

WEilen sich meines Vattern Reichthum täglich
mehrte/ als bekam er auch desto mehr Schma-
rotzer und Fuchsschwäntzer/ die meinen guten Kopff
zum Studiren trefflich lobten/ sonsten aber alle meine
Untugenden verschwiegen/ oder auffs wenigst zu ent-
schuldigen wusten/ denn sie spürten wol/ daß der je-
nige so solches nicht thät/ weder bey Vatter noch
Mutter wol dran seyn könte/ derowegen hatten meine
Eltern ein grössere Freud über ihren Sohn/ als die

Gras-
U jv

Viertes Buch.
heimlich in die Schul/ die uns ein lieblich Geſang
machten/ im Winter aber ſtahl ich Nießwurtz/ und
ſtaͤubte ſie an den Ort/ da man die Knaben zu caſtigi-
ren pflegt/ wann ſich dann etwan ein Halsſtarꝛiger
wehrte/ ſo ſtobe mein Pulver herumb/ und machte
mir ein angenehme Kurtzweil/ weil alles nieſſen mu-
ſte. Hernach duͤnckte ich mich viel zu gut ſeyn/ nur
ſo gemeine Schelmſtuͤck anzuſtellen/ ſondern all mein
Thun gieng auff obigen Schlag; ich ſtabl offt dem
einen etwas/ und ſteckte es einem andern in Sack/
dem ich gern Stoͤß angerichtet/ und mit ſolchen Grif-
fen konte ich ſo behutſam umbgehen/ daß ich ſaſt nie-
mals daruͤber erdappt wurde. Von den Kriegen/ die
wir damals gefuͤhrt/ bey denen ich gemeꝛniglich ein
Obriſter geweſen/ item von den Stoͤſſen die ich offt
bekommen/ (denn ich hatte ſtets ein zerkratzt Geſicht/
und den Kopff voll Beulen) mag ich jetzt nichts ſa-
gen/ es weiß ja jederman ohne das wol/ was die Bu-
ben offt anſtellen. So kanſt du auch an oberzehlten
Stuͤcken leicht abnebmen/ wie ich mich ſonſt in mei-
ner Jugend angelaſſen.

Das XIX. Capitel.

WEilen ſich meines Vattern Reichthum taͤglich
mehrte/ als bekam er auch deſto mehr Schma-
rotzer und Fuchsſchwaͤntzer/ die meinen guten Kopff
zum Studiren trefflich lobten/ ſonſten aber alle meine
Untugenden verſchwiegen/ oder auffs wenigſt zu ent-
ſchuldigen wuſten/ denn ſie ſpuͤrten wol/ daß der je-
nige ſo ſolches nicht thaͤt/ weder bey Vatter noch
Mutter wol dran ſeyn koͤnte/ derowegen hatten meine
Eltern ein groͤſſere Freud uͤber ihren Sohn/ als die

Gras-
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[461/0467] Viertes Buch. heimlich in die Schul/ die uns ein lieblich Geſang machten/ im Winter aber ſtahl ich Nießwurtz/ und ſtaͤubte ſie an den Ort/ da man die Knaben zu caſtigi- ren pflegt/ wann ſich dann etwan ein Halsſtarꝛiger wehrte/ ſo ſtobe mein Pulver herumb/ und machte mir ein angenehme Kurtzweil/ weil alles nieſſen mu- ſte. Hernach duͤnckte ich mich viel zu gut ſeyn/ nur ſo gemeine Schelmſtuͤck anzuſtellen/ ſondern all mein Thun gieng auff obigen Schlag; ich ſtabl offt dem einen etwas/ und ſteckte es einem andern in Sack/ dem ich gern Stoͤß angerichtet/ und mit ſolchen Grif- fen konte ich ſo behutſam umbgehen/ daß ich ſaſt nie- mals daruͤber erdappt wurde. Von den Kriegen/ die wir damals gefuͤhrt/ bey denen ich gemeꝛniglich ein Obriſter geweſen/ item von den Stoͤſſen die ich offt bekommen/ (denn ich hatte ſtets ein zerkratzt Geſicht/ und den Kopff voll Beulen) mag ich jetzt nichts ſa- gen/ es weiß ja jederman ohne das wol/ was die Bu- ben offt anſtellen. So kanſt du auch an oberzehlten Stuͤcken leicht abnebmen/ wie ich mich ſonſt in mei- ner Jugend angelaſſen. Das XIX. Capitel. WEilen ſich meines Vattern Reichthum taͤglich mehrte/ als bekam er auch deſto mehr Schma- rotzer und Fuchsſchwaͤntzer/ die meinen guten Kopff zum Studiren trefflich lobten/ ſonſten aber alle meine Untugenden verſchwiegen/ oder auffs wenigſt zu ent- ſchuldigen wuſten/ denn ſie ſpuͤrten wol/ daß der je- nige ſo ſolches nicht thaͤt/ weder bey Vatter noch Mutter wol dran ſeyn koͤnte/ derowegen hatten meine Eltern ein groͤſſere Freud uͤber ihren Sohn/ als die Gras- U jv

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/467>, abgerufen am 28.03.2024.