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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Fünfftes Buch.
plicio ein Melchior/ auß einem Witwer ein Ehmann/
auß einem Ehmann ein Gauch/ und auß einem Gauch
wieder ein Witwer worden wäre; Jtem/ daß ich
auß eines Baurn Sohn/ zu einem Sohn eines recht-
schaffenen Soldaten/ und gleichwol wieder zu einem
Sohn meines Knans worden. Da führte ich zu Ge-
müt/ wie mich seithero mein fatum deß Hertzbruders
beraubt/ und hingegen vor ihn mit zweyen alten Ehe-
leuten versorgt hätte; ich gedachte an das gottselige
Leben und Absterben meines Vatters/ an den erbärm-
lichen Todt meiner Mutter/ und darneben auch an
die vielfältige Veränderungen/ deren ich mein Leb-
tag unterworffen gewesen/ also daß ich mich deß
weynens nit enthalten konte. Und in dem ich zu Ge-
müth führte/ wie viel schön Geld ich die Tage mei-
nes Lebens gehabt und verschwendet/ zumal solches
zu bedauren anfienge/ kamen zween gute Schlucker
oder Weinbeisser/ (denen die Cholica in die Glieder
geschlagen/ deßwegen sie denn erlahmet/ und das
Bad sampt dem Saurbrunnen brauchten) die setzten
sich zu nächst bey mir nieder/ weil es eine gute Ruhe-
statt hatte/ und klagte je einer dem andern seine Noth/
weil sie vermey[n]eten allein zu seyn/ der eine sagte:
Mein Doctor hat mich hieher gewiesen/ als einen/
an dessen Gesundheit er verzweiffelt/ oder als einen/
der neben andern dem Wirth umb das Fäßlein mit
Butter so er ihm neulich geschickt/ Satisfaction thun
solle/ ich wolte/ daß ich ihn entweder die Tage mei-
nes Lebens niemals gesehen/ oder daß er mir gleich
anfangs in Sauerbrunnen gerathen hätte/ so würde
ich entweder mehr Geld haben oder gesünder seyn
als jetzt/ denn der Sauerbrunnen schlägt mir wol zu.

Ach

Fuͤnfftes Buch.
plicio ein Melchior/ auß einem Witwer ein Ehmann/
auß einem Ehmañ ein Gauch/ und auß einem Gauch
wieder ein Witwer worden waͤre; Jtem/ daß ich
auß eines Baurn Sohn/ zu einem Sohn eines recht-
ſchaffenen Soldaten/ und gleichwol wieder zu einem
Sohn meines Knans worden. Da fuͤhrte ich zu Ge-
muͤt/ wie mich ſeithero mein fatum deß Hertzbruders
beraubt/ und hingegen vor ihn mit zweyen alten Ehe-
leuten verſorgt haͤtte; ich gedachte an das gottſelige
Leben und Abſterben meines Vatters/ an den erbaͤrm-
lichen Todt meiner Mutter/ und darneben auch an
die vielfaͤltige Veraͤnderungen/ deren ich mein Leb-
tag unterworffen geweſen/ alſo daß ich mich deß
weynens nit enthalten konte. Und in dem ich zu Ge-
muͤth fuͤhrte/ wie viel ſchoͤn Geld ich die Tage mei-
nes Lebens gehabt und verſchwendet/ zumal ſolches
zu bedauren anfienge/ kamen zween gute Schlucker
oder Weinbeiſſer/ (denen die Cholica in die Glieder
geſchlagen/ deßwegen ſie denn erlahmet/ und das
Bad ſampt dem Saurbrunnen brauchten) die ſetzten
ſich zu naͤchſt bey mir nieder/ weil es eine gute Ruhe-
ſtatt hatte/ und klagte je einer dem andern ſeine Noth/
weil ſie vermey[n]eten allein zu ſeyn/ der eine ſagte:
Mein Doctor hat mich hieher gewieſen/ als einen/
an deſſen Geſundheit er verzweiffelt/ oder als einen/
der neben andern dem Wirth umb das Faͤßlein mit
Butter ſo er ihm neulich geſchickt/ Satisfaction thun
ſolle/ ich wolte/ daß ich ihn entweder die Tage mei-
nes Lebens niemals geſehen/ oder daß er mir gleich
anfangs in Sauerbrunnen gerathen haͤtte/ ſo wuͤrde
ich entweder mehr Geld haben oder geſuͤnder ſeyn
als jetzt/ denn der Sauerbrunnen ſchlaͤgt mir wol zu.

Ach
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[543/0549] Fuͤnfftes Buch. plicio ein Melchior/ auß einem Witwer ein Ehmann/ auß einem Ehmañ ein Gauch/ und auß einem Gauch wieder ein Witwer worden waͤre; Jtem/ daß ich auß eines Baurn Sohn/ zu einem Sohn eines recht- ſchaffenen Soldaten/ und gleichwol wieder zu einem Sohn meines Knans worden. Da fuͤhrte ich zu Ge- muͤt/ wie mich ſeithero mein fatum deß Hertzbruders beraubt/ und hingegen vor ihn mit zweyen alten Ehe- leuten verſorgt haͤtte; ich gedachte an das gottſelige Leben und Abſterben meines Vatters/ an den erbaͤrm- lichen Todt meiner Mutter/ und darneben auch an die vielfaͤltige Veraͤnderungen/ deren ich mein Leb- tag unterworffen geweſen/ alſo daß ich mich deß weynens nit enthalten konte. Und in dem ich zu Ge- muͤth fuͤhrte/ wie viel ſchoͤn Geld ich die Tage mei- nes Lebens gehabt und verſchwendet/ zumal ſolches zu bedauren anfienge/ kamen zween gute Schlucker oder Weinbeiſſer/ (denen die Cholica in die Glieder geſchlagen/ deßwegen ſie denn erlahmet/ und das Bad ſampt dem Saurbrunnen brauchten) die ſetzten ſich zu naͤchſt bey mir nieder/ weil es eine gute Ruhe- ſtatt hatte/ und klagte je einer dem andern ſeine Noth/ weil ſie vermeyneten allein zu ſeyn/ der eine ſagte: Mein Doctor hat mich hieher gewieſen/ als einen/ an deſſen Geſundheit er verzweiffelt/ oder als einen/ der neben andern dem Wirth umb das Faͤßlein mit Butter ſo er ihm neulich geſchickt/ Satisfaction thun ſolle/ ich wolte/ daß ich ihn entweder die Tage mei- nes Lebens niemals geſehen/ oder daß er mir gleich anfangs in Sauerbrunnen gerathen haͤtte/ ſo wuͤrde ich entweder mehr Geld haben oder geſuͤnder ſeyn als jetzt/ denn der Sauerbrunnen ſchlaͤgt mir wol zu. Ach

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/549>, abgerufen am 19.04.2024.