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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
cher er fein zugerichtes Bett/ und sonst nichts darbey
als sein Nacht geschirr neben einem Wasserkrug und
weissen Handzwel fande/ damit er mit gewaschenen
Händen beydes schlaffen gehen/ und den Morgen
wieder an seine Arbeit auffstehen möchte; Uber das
hiessen sie alle einander Schwestern und Brüder/ und
war doch eine solche ehrbare Verträulichkeit keine
Ursach unkeusch zu seyn. Ein solch seeliges Leben/
wie diese Widertäufferische Ketzer führen/ hätte ich
gerne auch auffgebracht/ dann so viel mich dünckte/
so übertraff es auch das Clösterliche: Jch gedachte/
köntestu ein solches ehrbares Christliches Thun auff-
bringen unter dem Schutz deiner Obrigkeit/ so wä-
rest du ein anderer Dominicus oder Franciscus; Ach/
sagte ich offt/ köntest du doch die Widertäuffer bekeh-
ren/ daß sie unsere Glaubensgenossen ihre Manier
zu leben lerneten/ wie wärest du doch so ein seeliger
Mensch! Oder wenn du nur deine Mit-Christen be-
reden köntest/ daß sie wie diese Widertäuffer ein sol-
ches (dem Schein nach) Christliches und ehrbares
Leben führten/ was hättestu nicht außgerichtet? Jch
sagte zwar zu mir selber: Narr/ was gehen dich an-
dere Leut an/ werde ein Capucciner/ dir sind ohne
das alle Weibsbilder erleidet; Aber bald gedachte
ich/ du bist morgen nicht wie heut/ und wer weiß/
was du künfftig vor Mittel bedörfftig/ den Weg
Christi recht zu gehen? heut bistu geneigt zur Keusch-
heit/ morgen aber kanstu brennen.

Mit solchen und dergleichen Gedancken gienge
ich lang umb/ und hätte gerne so einer vereinigten
Christlichen Gesellschafft meinen Hof und gantzes

Ver-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
cher er fein zugerichtes Bett/ und ſonſt nichts darbey
als ſein Nacht geſchirꝛ neben einem Waſſerkrug und
weiſſen Handzwel fande/ damit er mit gewaſchenen
Haͤnden beydes ſchlaffen gehen/ und den Morgen
wieder an ſeine Arbeit auffſtehen moͤchte; Uber das
hieſſen ſie alle einander Schweſtern und Bruͤder/ und
war doch eine ſolche ehrbare Vertraͤulichkeit keine
Urſach unkeuſch zu ſeyn. Ein ſolch ſeeliges Leben/
wie dieſe Widertaͤufferiſche Ketzer führen/ haͤtte ich
gerne auch auffgebracht/ dann ſo viel mich duͤnckte/
ſo uͤbertraff es auch das Cloͤſterliche: Jch gedachte/
koͤnteſtu ein ſolches ehrbares Chriſtliches Thun auff-
bringen unter dem Schutz deiner Obrigkeit/ ſo waͤ-
reſt du ein anderer Dominicus oder Franciſcus; Ach/
ſagte ich offt/ koͤnteſt du doch die Widertaͤuffer bekeh-
ren/ daß ſie unſere Glaubensgenoſſen ihre Manier
zu leben lerneten/ wie waͤreſt du doch ſo ein ſeeliger
Menſch! Oder wenn du nur deine Mit-Chriſten be-
reden koͤnteſt/ daß ſie wie dieſe Widertaͤuffer ein ſol-
ches (dem Schein nach) Chriſtliches und ehrbares
Leben fuͤhrten/ was haͤtteſtu nicht außgerichtet? Jch
ſagte zwar zu mir ſelber: Narꝛ/ was gehen dich an-
dere Leut an/ werde ein Capucciner/ dir ſind ohne
das alle Weibsbilder erleidet; Aber bald gedachte
ich/ du biſt morgen nicht wie heut/ und wer weiß/
was du kuͤnfftig vor Mittel bedoͤrfftig/ den Weg
Chriſti recht zu gehen? heut biſtu geneigt zur Keuſch-
heit/ morgen aber kanſtu brennen.

Mit ſolchen und dergleichen Gedancken gienge
ich lang umb/ und haͤtte gerne ſo einer vereinigten
Chriſtlichen Geſellſchafft meinen Hof und gantzes

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[588/0594] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi cher er fein zugerichtes Bett/ und ſonſt nichts darbey als ſein Nacht geſchirꝛ neben einem Waſſerkrug und weiſſen Handzwel fande/ damit er mit gewaſchenen Haͤnden beydes ſchlaffen gehen/ und den Morgen wieder an ſeine Arbeit auffſtehen moͤchte; Uber das hieſſen ſie alle einander Schweſtern und Bruͤder/ und war doch eine ſolche ehrbare Vertraͤulichkeit keine Urſach unkeuſch zu ſeyn. Ein ſolch ſeeliges Leben/ wie dieſe Widertaͤufferiſche Ketzer führen/ haͤtte ich gerne auch auffgebracht/ dann ſo viel mich duͤnckte/ ſo uͤbertraff es auch das Cloͤſterliche: Jch gedachte/ koͤnteſtu ein ſolches ehrbares Chriſtliches Thun auff- bringen unter dem Schutz deiner Obrigkeit/ ſo waͤ- reſt du ein anderer Dominicus oder Franciſcus; Ach/ ſagte ich offt/ koͤnteſt du doch die Widertaͤuffer bekeh- ren/ daß ſie unſere Glaubensgenoſſen ihre Manier zu leben lerneten/ wie waͤreſt du doch ſo ein ſeeliger Menſch! Oder wenn du nur deine Mit-Chriſten be- reden koͤnteſt/ daß ſie wie dieſe Widertaͤuffer ein ſol- ches (dem Schein nach) Chriſtliches und ehrbares Leben fuͤhrten/ was haͤtteſtu nicht außgerichtet? Jch ſagte zwar zu mir ſelber: Narꝛ/ was gehen dich an- dere Leut an/ werde ein Capucciner/ dir ſind ohne das alle Weibsbilder erleidet; Aber bald gedachte ich/ du biſt morgen nicht wie heut/ und wer weiß/ was du kuͤnfftig vor Mittel bedoͤrfftig/ den Weg Chriſti recht zu gehen? heut biſtu geneigt zur Keuſch- heit/ morgen aber kanſtu brennen. Mit ſolchen und dergleichen Gedancken gienge ich lang umb/ und haͤtte gerne ſo einer vereinigten Chriſtlichen Geſellſchafft meinen Hof und gantzes Ver-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/594>, abgerufen am 28.03.2024.