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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
Das XXII. Capitel.

DEnselben Morgen befahl mir deß Gouverneurs
Hofmeister/ ich solte zu obgemeldtem Pfarrern
geben/ und vernehmen/ was sein Herr meinetwegen
mit ihm geredt hätte: Er gab mir einen Leibschützen
mit/ der mich zu ihm brachte/ der Pfarrer aber führet
mich in sein Museum, setzt sich/ hieß mich auch sitzen/
und sagte: Lieber Simplici, der Einsidel/ bey dem du
dich im Wald auffgehalten/ ist nicht allein deß hie-
sigen Couverneurs Schwager/ sondern auch im Krieg
sein Beförderer und werthester Freund gewesen; wie
dem Gubernator mir zu erzehlen beliebt/ so ist dem-
selben von Jugend auff weder an Dapfferkeit eines
heroischen Soldaten/ noch an Gottseeligkeit und
Andacht/ die sonst einem Religioso zuständig/ niemal
nichts abgangen/ welche beyde Tugenden man zwar
selten beyeinander zu finden pflegt; Sein geistlicher
Sinn und widerwertige Begegnüssen/ hemmeten end-
lich den Lauff seiner weltlichen Glückseeligkeit/ so/
daß er seinen Adel und ansehenliche Güter in Schot-
ten/ da er gebürtig/ verschmähet und hindan setzet/
weil ihm alle Welthändel abgeschmack/ eitel und
verwerfflich vorkamen: Er verhoffte/ mit einem
Wort/ seine gegenwärtige Hoheit/ umb ein künffti-
ge bessere Glory zu verwechseln/ weil sein hoher Geist
einen Eckel an allem zeitlichen Pracht hatte/ und
sein Dichten und Trachten war nur nach einem sol-
chen erbärmlichen Leben gerichtet/ darinn du ihn im
Wald angetroffen/ und biß in seinen Todt Gesell-
schafft geleistet hast: Meines Erachtens ist er durch
Lesung vieler Papistischen Bücher/ von dem Leben

der
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Das XXII. Capitel.

DEnſelben Morgen befahl mir deß Gouverneurs
Hofmeiſter/ ich ſolte zu obgemeldtem Pfarꝛern
geben/ und vernehmen/ was ſein Herꝛ meinetwegen
mit ihm geredt haͤtte: Er gab mir einen Leibſchuͤtzen
mit/ der mich zu ihm brachte/ der Pfarꝛer aber fuͤhret
mich in ſein Muſeum, ſetzt ſich/ hieß mich auch ſitzen/
und ſagte: Lieber Simplici, der Einſidel/ bey dem du
dich im Wald auffgehalten/ iſt nicht allein deß hie-
ſigen Couverneurs Schwager/ ſondern auch im Krieg
ſein Befoͤrderer und wertheſter Freund geweſen; wie
dem Gubernator mir zu erzehlen beliebt/ ſo iſt dem-
ſelben von Jugend auff weder an Dapfferkeit eines
heroiſchen Soldaten/ noch an Gottſeeligkeit und
Andacht/ die ſonſt einem Religioſo zuſtaͤndig/ niemal
nichts abgangen/ welche beyde Tugenden man zwar
ſelten beyeinander zu finden pflegt; Sein geiſtlicher
Sinn und widerwertige Begegnuͤſſen/ hem̃eten end-
lich den Lauff ſeiner weltlichen Gluͤckſeeligkeit/ ſo/
daß er ſeinen Adel und anſehenliche Guͤter in Schot-
ten/ da er gebuͤrtig/ verſchmaͤhet und hindan ſetzet/
weil ihm alle Welthaͤndel abgeſchmack/ eitel und
verwerfflich vorkamen: Er verhoffte/ mit einem
Wort/ ſeine gegenwaͤrtige Hoheit/ umb ein kuͤnffti-
ge beſſere Glory zu verwechſeln/ weil ſein hoher Geiſt
einen Eckel an allem zeitlichen Pracht hatte/ und
ſein Dichten und Trachten war nur nach einem ſol-
chen erbaͤrmlichen Leben gerichtet/ darinn du ihn im
Wald angetroffen/ und biß in ſeinen Todt Geſell-
ſchafft geleiſtet haſt: Meines Erachtens iſt er durch
Leſung vieler Papiſtiſchen Buͤcher/ von dem Leben

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[76/0082] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Das XXII. Capitel. DEnſelben Morgen befahl mir deß Gouverneurs Hofmeiſter/ ich ſolte zu obgemeldtem Pfarꝛern geben/ und vernehmen/ was ſein Herꝛ meinetwegen mit ihm geredt haͤtte: Er gab mir einen Leibſchuͤtzen mit/ der mich zu ihm brachte/ der Pfarꝛer aber fuͤhret mich in ſein Muſeum, ſetzt ſich/ hieß mich auch ſitzen/ und ſagte: Lieber Simplici, der Einſidel/ bey dem du dich im Wald auffgehalten/ iſt nicht allein deß hie- ſigen Couverneurs Schwager/ ſondern auch im Krieg ſein Befoͤrderer und wertheſter Freund geweſen; wie dem Gubernator mir zu erzehlen beliebt/ ſo iſt dem- ſelben von Jugend auff weder an Dapfferkeit eines heroiſchen Soldaten/ noch an Gottſeeligkeit und Andacht/ die ſonſt einem Religioſo zuſtaͤndig/ niemal nichts abgangen/ welche beyde Tugenden man zwar ſelten beyeinander zu finden pflegt; Sein geiſtlicher Sinn und widerwertige Begegnuͤſſen/ hem̃eten end- lich den Lauff ſeiner weltlichen Gluͤckſeeligkeit/ ſo/ daß er ſeinen Adel und anſehenliche Guͤter in Schot- ten/ da er gebuͤrtig/ verſchmaͤhet und hindan ſetzet/ weil ihm alle Welthaͤndel abgeſchmack/ eitel und verwerfflich vorkamen: Er verhoffte/ mit einem Wort/ ſeine gegenwaͤrtige Hoheit/ umb ein kuͤnffti- ge beſſere Glory zu verwechſeln/ weil ſein hoher Geiſt einen Eckel an allem zeitlichen Pracht hatte/ und ſein Dichten und Trachten war nur nach einem ſol- chen erbaͤrmlichen Leben gerichtet/ darinn du ihn im Wald angetroffen/ und biß in ſeinen Todt Geſell- ſchafft geleiſtet haſt: Meines Erachtens iſt er durch Leſung vieler Papiſtiſchen Buͤcher/ von dem Leben der

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/82>, abgerufen am 28.03.2024.