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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
und hörete/ erwog ich/ und schloß vestiglich/ daß diese
Balger keine Christen seyen/ suchte derowegen eine
andere Gesellschafft.

Zum aller-erschröcklichsten kam mirs vor/ wenn
ich etliche Großsprecher sich ihrer Boßhett/ Sünd/
Schand und Laster rühmen hörete/ dann ich vernam
zu unterschiedlichen Zeiten/ und zwar täglich/ daß
sie sagten: Potz Blut/ wie haben wir gester gesoffen!
Jch hab mich in einem Tag wol dreymal voll gesof-
fen/ und eben so vielmal gekotzt. Potz Stern/ wie
haben wir die Bauren/ die Schelmen/ tribulirt. Potz
Stral/ wie haben wir Beuten gemacht. Potz hun-
dert Gifft/ wie haben wir ein Spaß mit den Wei-
hern und Mägden gehabt. Jtem/ ich hab ihn darni-
der gehauen/ als wenn ihn der Hagel hätte nider ge-
schlagen. Jch hab ihn geschossen/ daß er das Weiß
übersich kehrte. Jch hab ihn so artlich über den Döl-
pel geworffen/ daß ihn der Teuffel hätte holen mögen.
Jch hab ihm den Stein gestossen/ daß er den Hals
hätt brechen mögen. Solche und dergleichen un-
Christliche Reden erfüllten mir alle Tag die Ohren/
und über das/ so hörte und sahe ich auch in GOttes
Nahmen sündigen/ welches wol zu erbarmen ist; von
den Kriegern wurde es am meisten practicirt/ wenn
sie nemlich sagten: Wir wollen in Gottes Nahmen
auff Partey/ Plündern/ Mitnemmen/ Todtschies-
sen/ Nidermachen/ Angreiffen/ gefangen nemmen/
in Brand stecken/ und was ihrer schröcklichen Arbei-
ten und Verrichtungen mehr seyn mögen. Also wa-
gens auch die Wucherer mit dem Verkauff in Got-
tes Nahmen/ damit sie ihrem Teufflischen Geitz nach
schinden und schaben mögen. Jch habe zween Mauß-

köpff

Erſtes Buch.
und hoͤrete/ erwog ich/ und ſchloß veſtiglich/ daß dieſe
Balger keine Chriſten ſeyen/ ſuchte derowegen eine
andere Geſellſchafft.

Zum aller-erſchroͤcklichſten kam mirs vor/ wenn
ich etliche Großſprecher ſich ihrer Boßhett/ Suͤnd/
Schand und Laſter ruͤhmen hoͤrete/ dann ich vernam
zu unterſchiedlichen Zeiten/ und zwar taͤglich/ daß
ſie ſagten: Potz Blut/ wie haben wir geſter geſoffen!
Jch hab mich in einem Tag wol dreymal voll geſof-
fen/ und eben ſo vielmal gekotzt. Potz Stern/ wie
haben wir die Bauren/ die Schelmen/ tribulirt. Potz
Stral/ wie haben wir Beuten gemacht. Potz hun-
dert Gifft/ wie haben wir ein Spaß mit den Wei-
hern und Maͤgden gehabt. Jtem/ ich hab ihn darni-
der gehauen/ als wenn ihn der Hagel haͤtte nider ge-
ſchlagen. Jch hab ihn geſchoſſen/ daß er das Weiß
uͤberſich kehrte. Jch hab ihn ſo artlich uͤber den Doͤl-
pel geworffen/ daß ihn der Teuffel haͤtte holen moͤgen.
Jch hab ihm den Stein geſtoſſen/ daß er den Hals
haͤtt brechen moͤgen. Solche und dergleichen un-
Chriſtliche Reden erfuͤllten mir alle Tag die Ohren/
und uͤber das/ ſo hoͤrte und ſahe ich auch in GOttes
Nahmen ſuͤndigen/ welches wol zu erbarmen iſt; von
den Kriegern wurde es am meiſten practicirt/ wenn
ſie nemlich ſagten: Wir wollen in Gottes Nahmen
auff Partey/ Pluͤndern/ Mitnemmen/ Todtſchieſ-
ſen/ Nidermachen/ Angreiffen/ gefangen nemmen/
in Brand ſtecken/ und was ihrer ſchroͤcklichen Arbei-
ten und Verꝛichtungen mehr ſeyn moͤgen. Alſo wa-
gens auch die Wucherer mit dem Verkauff in Got-
tes Nahmen/ damit ſie ihrem Teuffliſchen Geitz nach
ſchinden und ſchaben moͤgen. Jch habe zween Mauß-

koͤpff
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[93/0099] Erſtes Buch. und hoͤrete/ erwog ich/ und ſchloß veſtiglich/ daß dieſe Balger keine Chriſten ſeyen/ ſuchte derowegen eine andere Geſellſchafft. Zum aller-erſchroͤcklichſten kam mirs vor/ wenn ich etliche Großſprecher ſich ihrer Boßhett/ Suͤnd/ Schand und Laſter ruͤhmen hoͤrete/ dann ich vernam zu unterſchiedlichen Zeiten/ und zwar taͤglich/ daß ſie ſagten: Potz Blut/ wie haben wir geſter geſoffen! Jch hab mich in einem Tag wol dreymal voll geſof- fen/ und eben ſo vielmal gekotzt. Potz Stern/ wie haben wir die Bauren/ die Schelmen/ tribulirt. Potz Stral/ wie haben wir Beuten gemacht. Potz hun- dert Gifft/ wie haben wir ein Spaß mit den Wei- hern und Maͤgden gehabt. Jtem/ ich hab ihn darni- der gehauen/ als wenn ihn der Hagel haͤtte nider ge- ſchlagen. Jch hab ihn geſchoſſen/ daß er das Weiß uͤberſich kehrte. Jch hab ihn ſo artlich uͤber den Doͤl- pel geworffen/ daß ihn der Teuffel haͤtte holen moͤgen. Jch hab ihm den Stein geſtoſſen/ daß er den Hals haͤtt brechen moͤgen. Solche und dergleichen un- Chriſtliche Reden erfuͤllten mir alle Tag die Ohren/ und uͤber das/ ſo hoͤrte und ſahe ich auch in GOttes Nahmen ſuͤndigen/ welches wol zu erbarmen iſt; von den Kriegern wurde es am meiſten practicirt/ wenn ſie nemlich ſagten: Wir wollen in Gottes Nahmen auff Partey/ Pluͤndern/ Mitnemmen/ Todtſchieſ- ſen/ Nidermachen/ Angreiffen/ gefangen nemmen/ in Brand ſtecken/ und was ihrer ſchroͤcklichen Arbei- ten und Verꝛichtungen mehr ſeyn moͤgen. Alſo wa- gens auch die Wucherer mit dem Verkauff in Got- tes Nahmen/ damit ſie ihrem Teuffliſchen Geitz nach ſchinden und ſchaben moͤgen. Jch habe zween Mauß- koͤpff

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/99>, abgerufen am 29.03.2024.