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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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Großgünstiger Leser.

JN dem vnser gantzes Vatter-
land sich nuhmehr in seine eigene
Aschen verscharret/ vnd in einen
Schawplatz der Eitelkeit verwan-
delt; bin ich geflissen dir die ver-
gänglichkeit menschlicher sachen in
gegenwertigem/ vnd etlich folgenden Trawerspielen
vorzustellen. Nicht zwar/ weil ich nicht etwas an-
ders vnd dir vielleicht angenehmers vnter hän-
den habe: sondern weil mir noch dieses mal et-
was anders vorzubringen so wenig geliebet/ alß er-
laubet. Die Alten gleichwol haben diese art zu
schreiben nicht so gar geringe gehalten/ sondern alß
ein bequemes mittel menschliche Gemütter von al-
lerhand vnartigen vnd schädlichen Neigungen zu säu-
bern/ gerühmet; wie zuerweisen vnschwer fallen
solte/ wenn nicht andere ver mir solches weitläuftig
dargethan/ vnd ich nicht Eckel trüge/ dieses zu
entdecken/ was Niemand verborgen. Viel we-
niger bin ich gesonnen mit prächtigen vnd vmb-
schweiffenden Vorreden dieses zu rühmen/ was
frembdem Vrtheil nuhmmehr vntergeben wird.
Böse Bücher werden durch kein Lob gebes-
sert/ vnd angeborne Schönheit bedarff keiner
schmincke. Gleichwol muß ich nur erinnern daß/

wie
)?( ij


Großguͤnſtiger Leſer.

JN dem vnſer gantzes Vatter-
land ſich nuhmehr in ſeine eigene
Aſchen verſcharꝛet/ vnd in einen
Schawplatz der Eitelkeit verwan-
delt; bin ich gefliſſen dir die ver-
gaͤnglichkeit menſchlicher ſachen in
gegenwertigem/ vnd etlich folgenden Trawerſpielen
vorzuſtellen. Nicht zwar/ weil ich nicht etwas an-
ders vnd dir vielleicht angenehmers vnter haͤn-
den habe: ſondern weil mir noch dieſes mal et-
was anders vorzubringen ſo wenig geliebet/ alß er-
laubet. Die Alten gleichwol haben dieſe art zu
ſchreiben nicht ſo gar geringe gehalten/ ſondern alß
ein bequemes mittel menſchliche Gemuͤtter von al-
lerhand vnartigen vnd ſchaͤdlichen Neigungẽ zu ſaͤu-
bern/ geruͤhmet; wie zuerweiſen vnſchwer fallen
ſolte/ wenn nicht andere ver mir ſolches weitlaͤuftig
dargethan/ vnd ich nicht Eckel truͤge/ dieſes zu
entdecken/ was Niemand verborgen. Viel we-
niger bin ich geſonnen mit praͤchtigen vnd vmb-
ſchweiffenden Vorꝛeden dieſes zu ruͤhmen/ was
frembdem Vrtheil nuhmmehr vntergeben wird.
Boͤſe Buͤcher werden durch kein Lob gebeſ-
ſert/ vnd angeborne Schoͤnheit bedarff keiner
ſchmincke. Gleichwol muß ich nur erinnern daß/

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[0007] Großguͤnſtiger Leſer. JN dem vnſer gantzes Vatter- land ſich nuhmehr in ſeine eigene Aſchen verſcharꝛet/ vnd in einen Schawplatz der Eitelkeit verwan- delt; bin ich gefliſſen dir die ver- gaͤnglichkeit menſchlicher ſachen in gegenwertigem/ vnd etlich folgenden Trawerſpielen vorzuſtellen. Nicht zwar/ weil ich nicht etwas an- ders vnd dir vielleicht angenehmers vnter haͤn- den habe: ſondern weil mir noch dieſes mal et- was anders vorzubringen ſo wenig geliebet/ alß er- laubet. Die Alten gleichwol haben dieſe art zu ſchreiben nicht ſo gar geringe gehalten/ ſondern alß ein bequemes mittel menſchliche Gemuͤtter von al- lerhand vnartigen vnd ſchaͤdlichen Neigungẽ zu ſaͤu- bern/ geruͤhmet; wie zuerweiſen vnſchwer fallen ſolte/ wenn nicht andere ver mir ſolches weitlaͤuftig dargethan/ vnd ich nicht Eckel truͤge/ dieſes zu entdecken/ was Niemand verborgen. Viel we- niger bin ich geſonnen mit praͤchtigen vnd vmb- ſchweiffenden Vorꝛeden dieſes zu ruͤhmen/ was frembdem Vrtheil nuhmmehr vntergeben wird. Boͤſe Buͤcher werden durch kein Lob gebeſ- ſert/ vnd angeborne Schoͤnheit bedarff keiner ſchmincke. Gleichwol muß ich nur erinnern daß/ wie )?( ij

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/7>, abgerufen am 29.03.2024.