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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und den europäischen insbesondere.
§. 29.
Die ottomannische Pforte.

Die asiatischen Provinzen des ottomannischen Reichs
wurden in den ältern Zeiten ebenfals von verschiedenen
Völkerschaften bewohnt, unter denen die Türken, wel-
che im sechsten Jahrhundert zuerst vorkommen, die merk-
würdigsten sind. Ihr Reich machte bald einen eignen
Staat aus, bald stand es unter der Herschaft andrer
Nazionen. Osmann oder Ottomann I. stiftete im
Jahr 1300 das gegenwärtige ottomannische Reich, und
nahm zugleich den Titel eines Sultans an. Orchan
erstreckt durch seinen Sohn Soliman seine Eroberungen
1355 zuerst bis nach Europa, und Mohamed II. ero-
bert endlich 1453 Constantinopel, die Hauptstadt des
ehemaligen griechischen Kaiserthums, welche seitdem die
Residenz der türkischen Kaiser geblieben ist. Die Besitz-
ungen in diesem Welttheile sind es allein, um derent-
willen die Pforte zu den europäischen Staaten gerechnet
wird.

§. 30.
Verschiedene Klassen der europäischen Na-
zionen
.

Die vorgenanten Staaten lassen sich, in Rücksicht
ihrer Gröse, Lage, Regierungsform etc. in verschiedene
Klassen theilen, indem einige entweder Land- oder See-
mächte, Reiche oder Republiken, Erb- oder Wahlrei-
che etc. sind. Diese mannichfaltigen Bestimmungen lernt
man in der Geographie und Statistick kennen. Keine
derselben aber vermehrt oder vermindert die Eigenschaft
eines freien Volks oder den Gebrauch des Völkerrechts,
die einem ieden, nach Verschiedenheit seiner natürlichen
und politischen Verfassung und der daraus entspringen-
den Verhältnisse, gebühren.

§. 31.
und den europaͤiſchen insbeſondere.
§. 29.
Die ottomanniſche Pforte.

Die aſiatiſchen Provinzen des ottomanniſchen Reichs
wurden in den aͤltern Zeiten ebenfals von verſchiedenen
Voͤlkerſchaften bewohnt, unter denen die Tuͤrken, wel-
che im ſechſten Jahrhundert zuerſt vorkommen, die merk-
wuͤrdigſten ſind. Ihr Reich machte bald einen eignen
Staat aus, bald ſtand es unter der Herſchaft andrer
Nazionen. Osmann oder Ottomann I. ſtiftete im
Jahr 1300 das gegenwaͤrtige ottomanniſche Reich, und
nahm zugleich den Titel eines Sultans an. Orchan
erſtreckt durch ſeinen Sohn Soliman ſeine Eroberungen
1355 zuerſt bis nach Europa, und Mohamed II. ero-
bert endlich 1453 Conſtantinopel, die Hauptſtadt des
ehemaligen griechiſchen Kaiſerthums, welche ſeitdem die
Reſidenz der tuͤrkiſchen Kaiſer geblieben iſt. Die Beſitz-
ungen in dieſem Welttheile ſind es allein, um derent-
willen die Pforte zu den europaͤiſchen Staaten gerechnet
wird.

§. 30.
Verſchiedene Klaſſen der europaͤiſchen Na-
zionen
.

Die vorgenanten Staaten laſſen ſich, in Ruͤckſicht
ihrer Groͤſe, Lage, Regierungsform ꝛc. in verſchiedene
Klaſſen theilen, indem einige entweder Land- oder See-
maͤchte, Reiche oder Republiken, Erb- oder Wahlrei-
che ꝛc. ſind. Dieſe mannichfaltigen Beſtimmungen lernt
man in der Geographie und Statiſtick kennen. Keine
derſelben aber vermehrt oder vermindert die Eigenſchaft
eines freien Volks oder den Gebrauch des Voͤlkerrechts,
die einem ieden, nach Verſchiedenheit ſeiner natuͤrlichen
und politiſchen Verfaſſung und der daraus entſpringen-
den Verhaͤltniſſe, gebuͤhren.

§. 31.
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[109/0135] und den europaͤiſchen insbeſondere. §. 29. Die ottomanniſche Pforte. Die aſiatiſchen Provinzen des ottomanniſchen Reichs wurden in den aͤltern Zeiten ebenfals von verſchiedenen Voͤlkerſchaften bewohnt, unter denen die Tuͤrken, wel- che im ſechſten Jahrhundert zuerſt vorkommen, die merk- wuͤrdigſten ſind. Ihr Reich machte bald einen eignen Staat aus, bald ſtand es unter der Herſchaft andrer Nazionen. Osmann oder Ottomann I. ſtiftete im Jahr 1300 das gegenwaͤrtige ottomanniſche Reich, und nahm zugleich den Titel eines Sultans an. Orchan erſtreckt durch ſeinen Sohn Soliman ſeine Eroberungen 1355 zuerſt bis nach Europa, und Mohamed II. ero- bert endlich 1453 Conſtantinopel, die Hauptſtadt des ehemaligen griechiſchen Kaiſerthums, welche ſeitdem die Reſidenz der tuͤrkiſchen Kaiſer geblieben iſt. Die Beſitz- ungen in dieſem Welttheile ſind es allein, um derent- willen die Pforte zu den europaͤiſchen Staaten gerechnet wird. §. 30. Verſchiedene Klaſſen der europaͤiſchen Na- zionen. Die vorgenanten Staaten laſſen ſich, in Ruͤckſicht ihrer Groͤſe, Lage, Regierungsform ꝛc. in verſchiedene Klaſſen theilen, indem einige entweder Land- oder See- maͤchte, Reiche oder Republiken, Erb- oder Wahlrei- che ꝛc. ſind. Dieſe mannichfaltigen Beſtimmungen lernt man in der Geographie und Statiſtick kennen. Keine derſelben aber vermehrt oder vermindert die Eigenſchaft eines freien Volks oder den Gebrauch des Voͤlkerrechts, die einem ieden, nach Verſchiedenheit ſeiner natuͤrlichen und politiſchen Verfaſſung und der daraus entſpringen- den Verhaͤltniſſe, gebuͤhren. §. 31.

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/135>, abgerufen am 29.03.2024.