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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den souverainen Staaten überhaupt,
§. 31.
Streitige souveraine Staaten.

Ausser diesen giebt es noch verschiedene andere Staa-
ten, die theils von ihren Besitzern selbst, theils nur von
einigen Schriftstellern für souverain ausgegeben werden,
deren Unabhängigkeit aber bey den übrigen europäischen
Nazionen selten oder gar nicht in Betrachtung kommt a],
mit unter auch noch manchen Zweifeln unterworfen, oder
wohl gar ungegründet und daher nicht durchgängig aner-
kant ist. Zu den Letztern gehören die meisten italiänischen
Fürsten, die der Herschaft des reutschen Reichs ehemals
ohnstreitig unterworfen gewesen, und noch zur Zeit durch
nichts davon losgezählt sind, die ihre Lande iedoch grö-
stenteils als souveraine Staaten regieren, weil die Gele-
genheiten selten vorkommen, wo die Gerechtsame des
Reichs auf einleuchtende Art geltend gemacht werden
könten b].

a] Es giebt, sagt Loyseau im traite des Seigneuries c. 2.
n.
95. kleine souveraine Herschaften, deren Fürsten, ob sie
sich gleich eben der Gewalt wie die Monarchen bedienen,
doch ausser ihrem Territorium ganz und gar keinen Ehren-
rang unter andern Souverainen haben: und Real rechnet
dahin z. B. den Herzog von Bouillon, den Fürsten von
Monaco und den Grafen von Orval-Bethüne, wegen des
Fürstenthums Henrichemont. Science du Gouv. T. V.
C. I. Sect. VI.
Das Vorgeben von dem ehemals zum
Königreich erhoben seyn sollenden freien Erbgut Yvetot in
Frankreich erklären die neuesten französischen Schriftsteller
selbst für eine Fabel. Real am ang. O. Cap. IV. Sect. 8.
b] Man sehe hierüber:
Gottfr. Rühlmanns unwiederrufliches Recht, welches
Sr. Kaiserl. Maj. von wegen des heil. röm. Reichs teut-
scher Nation nicht nur an Parma und Placenz, son-

Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
§. 31.
Streitige ſouveraine Staaten.

Auſſer dieſen giebt es noch verſchiedene andere Staa-
ten, die theils von ihren Beſitzern ſelbſt, theils nur von
einigen Schriftſtellern fuͤr ſouverain ausgegeben werden,
deren Unabhaͤngigkeit aber bey den uͤbrigen europaͤiſchen
Nazionen ſelten oder gar nicht in Betrachtung kommt a],
mit unter auch noch manchen Zweifeln unterworfen, oder
wohl gar ungegruͤndet und daher nicht durchgaͤngig aner-
kant iſt. Zu den Letztern gehoͤren die meiſten italiaͤniſchen
Fuͤrſten, die der Herſchaft des reutſchen Reichs ehemals
ohnſtreitig unterworfen geweſen, und noch zur Zeit durch
nichts davon losgezaͤhlt ſind, die ihre Lande iedoch groͤ-
ſtenteils als ſouveraine Staaten regieren, weil die Gele-
genheiten ſelten vorkommen, wo die Gerechtſame des
Reichs auf einleuchtende Art geltend gemacht werden
koͤnten b].

a] Es giebt, ſagt Loyſeau im traité des Seigneuries c. 2.
n.
95. kleine ſouveraine Herſchaften, deren Fuͤrſten, ob ſie
ſich gleich eben der Gewalt wie die Monarchen bedienen,
doch auſſer ihrem Territorium ganz und gar keinen Ehren-
rang unter andern Souverainen haben: und Real rechnet
dahin z. B. den Herzog von Bouillon, den Fuͤrſten von
Monaco und den Grafen von Orval-Bethuͤne, wegen des
Fuͤrſtenthums Henrichemont. Science du Gouv. T. V.
C. I. Sect. VI.
Das Vorgeben von dem ehemals zum
Koͤnigreich erhoben ſeyn ſollenden freien Erbgut Yvetot in
Frankreich erklaͤren die neueſten franzoͤſiſchen Schriftſteller
ſelbſt fuͤr eine Fabel. Real am ang. O. Cap. IV. Sect. 8.
b] Man ſehe hieruͤber:
Gottfr. Ruͤhlmanns unwiederrufliches Recht, welches
Sr. Kaiſerl. Maj. von wegen des heil. roͤm. Reichs teut-
ſcher Nation nicht nur an Parma und Placenz, ſon-

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[110/0136] Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, §. 31. Streitige ſouveraine Staaten. Auſſer dieſen giebt es noch verſchiedene andere Staa- ten, die theils von ihren Beſitzern ſelbſt, theils nur von einigen Schriftſtellern fuͤr ſouverain ausgegeben werden, deren Unabhaͤngigkeit aber bey den uͤbrigen europaͤiſchen Nazionen ſelten oder gar nicht in Betrachtung kommt a], mit unter auch noch manchen Zweifeln unterworfen, oder wohl gar ungegruͤndet und daher nicht durchgaͤngig aner- kant iſt. Zu den Letztern gehoͤren die meiſten italiaͤniſchen Fuͤrſten, die der Herſchaft des reutſchen Reichs ehemals ohnſtreitig unterworfen geweſen, und noch zur Zeit durch nichts davon losgezaͤhlt ſind, die ihre Lande iedoch groͤ- ſtenteils als ſouveraine Staaten regieren, weil die Gele- genheiten ſelten vorkommen, wo die Gerechtſame des Reichs auf einleuchtende Art geltend gemacht werden koͤnten b]. a] Es giebt, ſagt Loyſeau im traité des Seigneuries c. 2. n. 95. kleine ſouveraine Herſchaften, deren Fuͤrſten, ob ſie ſich gleich eben der Gewalt wie die Monarchen bedienen, doch auſſer ihrem Territorium ganz und gar keinen Ehren- rang unter andern Souverainen haben: und Real rechnet dahin z. B. den Herzog von Bouillon, den Fuͤrſten von Monaco und den Grafen von Orval-Bethuͤne, wegen des Fuͤrſtenthums Henrichemont. Science du Gouv. T. V. C. I. Sect. VI. Das Vorgeben von dem ehemals zum Koͤnigreich erhoben ſeyn ſollenden freien Erbgut Yvetot in Frankreich erklaͤren die neueſten franzoͤſiſchen Schriftſteller ſelbſt fuͤr eine Fabel. Real am ang. O. Cap. IV. Sect. 8. b] Man ſehe hieruͤber: Gottfr. Ruͤhlmanns unwiederrufliches Recht, welches Sr. Kaiſerl. Maj. von wegen des heil. roͤm. Reichs teut- ſcher Nation nicht nur an Parma und Placenz, ſon- dern

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/136>, abgerufen am 28.03.2024.