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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem eingeführten Range der Nazionen.
Souverainen, weil es Gelegenheiten gebe, bey welchen
einer von beiden nothwendig dem andern nachgehen müsse.
So nothwendig aber eine gewisse Ordnung dabey ist, so
natürlich scheint es mir doch auch, daß unter Gleichen
nicht einer oder mehrere den Vorrang, als ein Recht auf
immer verlangen können, sondern daß im Vorgehn, Sitzen
etc. entweder gewechselt, oder ein solches Auskunftsmittel
getroffen werde, wodurch aller Vorrang wegfält, z. B.
das Sitzen an einer runden Tafel, Einnehmen der Plätze
nach Ordnung der Ankunft etc.
b] Mehrere Völkerrechtslehrer haben diese Zufälligkeiten als
hinlängliche Gründe des Vorranges vertheidigt. Ickstadt
z. B. sagt: [L. II. c. I. §. 22. Schol.] Neque aliunde
quam ex diversis gentium qualitatibus et adfectionibus
extrinsecus advenientibus, abstrabendo a pactis usuque
recepto, de praecedentia inter gentes populosque libe-
ros rectum formari posse judicium infra monstrabimus.

Man vergl. L. II. c. 6. §. 15. Real am ang. O. meint:
Der weite Umfang der Staaten, welche den Kaisern und
Königen gehorchen, die Anzahl ihrer Unterthanen, ihre
Reichthümer, ihre Truppen, der Glanz ihres Hofes, das
Alterthum ihres Königreichs, der alte Ursprung ihres regie-
renden Hauses, alles dieses giebt ihnen in der Welt einen
merklichen Vorrang.
c] Wicquefort Ambassadeur L. I. c. 24. 25.
§. 5.
a] Alter der Unabhängigkeit des Reichs.

Einer der ersten Gründe für den Vorrang der Nazio-
nen wird von dem Alter der Unabhängigkeit eines Volks
hergenommen. Die meisten und angesehensten Völker-
rechtslehrer, ein Grotius a] Ickstadt, Vattel, Real,
legen ihm eine entscheidende Kraft bey und glauben, daß

ein
und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
Souverainen, weil es Gelegenheiten gebe, bey welchen
einer von beiden nothwendig dem andern nachgehen muͤſſe.
So nothwendig aber eine gewiſſe Ordnung dabey iſt, ſo
natuͤrlich ſcheint es mir doch auch, daß unter Gleichen
nicht einer oder mehrere den Vorrang, als ein Recht auf
immer verlangen koͤnnen, ſondern daß im Vorgehn, Sitzen
ꝛc. entweder gewechſelt, oder ein ſolches Auskunftsmittel
getroffen werde, wodurch aller Vorrang wegfaͤlt, z. B.
das Sitzen an einer runden Tafel, Einnehmen der Plaͤtze
nach Ordnung der Ankunft ꝛc.
b] Mehrere Voͤlkerrechtslehrer haben dieſe Zufaͤlligkeiten als
hinlaͤngliche Gruͤnde des Vorranges vertheidigt. Ickſtadt
z. B. ſagt: [L. II. c. I. §. 22. Schol.] Neque aliunde
quam ex diverſis gentium qualitatibus et adfectionibus
extrinſecus advenientibus, abſtrabendo a pactis uſuque
recepto, de praecedentia inter gentes populosque libe-
ros rectum formari poſse judicium infra monſtrabimus.

Man vergl. L. II. c. 6. §. 15. Real am ang. O. meint:
Der weite Umfang der Staaten, welche den Kaiſern und
Koͤnigen gehorchen, die Anzahl ihrer Unterthanen, ihre
Reichthuͤmer, ihre Truppen, der Glanz ihres Hofes, das
Alterthum ihres Koͤnigreichs, der alte Urſprung ihres regie-
renden Hauſes, alles dieſes giebt ihnen in der Welt einen
merklichen Vorrang.
c] Wicquefort Ambaſsadeur L. I. c. 24. 25.
§. 5.
a] Alter der Unabhaͤngigkeit des Reichs.

Einer der erſten Gruͤnde fuͤr den Vorrang der Nazio-
nen wird von dem Alter der Unabhaͤngigkeit eines Volks
hergenommen. Die meiſten und angeſehenſten Voͤlker-
rechtslehrer, ein Grotius a] Ickſtadt, Vattel, Real,
legen ihm eine entſcheidende Kraft bey und glauben, daß

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[203/0229] und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. a] Souverainen, weil es Gelegenheiten gebe, bey welchen einer von beiden nothwendig dem andern nachgehen muͤſſe. So nothwendig aber eine gewiſſe Ordnung dabey iſt, ſo natuͤrlich ſcheint es mir doch auch, daß unter Gleichen nicht einer oder mehrere den Vorrang, als ein Recht auf immer verlangen koͤnnen, ſondern daß im Vorgehn, Sitzen ꝛc. entweder gewechſelt, oder ein ſolches Auskunftsmittel getroffen werde, wodurch aller Vorrang wegfaͤlt, z. B. das Sitzen an einer runden Tafel, Einnehmen der Plaͤtze nach Ordnung der Ankunft ꝛc. b] Mehrere Voͤlkerrechtslehrer haben dieſe Zufaͤlligkeiten als hinlaͤngliche Gruͤnde des Vorranges vertheidigt. Ickſtadt z. B. ſagt: [L. II. c. I. §. 22. Schol.] Neque aliunde quam ex diverſis gentium qualitatibus et adfectionibus extrinſecus advenientibus, abſtrabendo a pactis uſuque recepto, de praecedentia inter gentes populosque libe- ros rectum formari poſse judicium infra monſtrabimus. Man vergl. L. II. c. 6. §. 15. Real am ang. O. meint: Der weite Umfang der Staaten, welche den Kaiſern und Koͤnigen gehorchen, die Anzahl ihrer Unterthanen, ihre Reichthuͤmer, ihre Truppen, der Glanz ihres Hofes, das Alterthum ihres Koͤnigreichs, der alte Urſprung ihres regie- renden Hauſes, alles dieſes giebt ihnen in der Welt einen merklichen Vorrang. c] Wicquefort Ambaſsadeur L. I. c. 24. 25. §. 5. a] Alter der Unabhaͤngigkeit des Reichs. Einer der erſten Gruͤnde fuͤr den Vorrang der Nazio- nen wird von dem Alter der Unabhaͤngigkeit eines Volks hergenommen. Die meiſten und angeſehenſten Voͤlker- rechtslehrer, ein Grotius a] Ickſtadt, Vattel, Real, legen ihm eine entſcheidende Kraft bey und glauben, daß ein

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/229>, abgerufen am 25.04.2024.