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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
einzelnen Fällen entsagt, oder die sogenanten Staats-
rechts-Servituten [servitutes juris publici] wovon in der
Folge Beispiele vorkommen werden. Das Herkommen
sezt einen stilschweigenden Vertrag zum Grunde, und
kann also auch hierinn gleiche Würkung hervorbringen a].

a] J. J. Mosers Versuch am ang. O. S. 316.
*] Nie und nirgends, heißt es unter andern in dem Kriegs-
manifest der vereinigten Niederlande gegen Grosbritannien
von 1781, haben J. H. M. durch einige Tractaten
der Unabhängigkeit des Staats entsagt, und ihr Interesse
dem Interesse Grosbritanniens so weit aufgeopfert, -- daß
sie zu einem Schritt gekommen seyn sollten, wodurch sie
auf irgend eine Weise für verbunden gehalten wer-
den könten, sich dem Gutdünken des Grosbritannischen
Hofes unterwerfen zu müssen. Politisches Journ. April
1781. S. 352.
§. 5.
Unrechtmäßige Einschränkung.

Macht und Ansehen können von Rechtswegen auf die
Freiheit der Handlungen unter den Nazionen eben so
wenig Einflus haben, als auf ihre Unabhängigkeit über-
haupt. Der Stärkere hat kein Recht, dem Minder-
mächtigen vorzuschreiben, oder zu verbieten. Dies ge-
schieht zwar auch gewönlich eben nicht gerade zu; indes
wird ein schwächerer Staat, aus Furcht vor dem stär-
kern Nachbar, öfters genöthigt, etwas zu thun oder zu
lassen, wozu er sich ausserdem nicht entschlossen haben
würde, und wozu er, nach dem strengen Rechte, nicht
verbunden gewesen wäre. Dahingegen unternimt der
Mächtige gemeiniglich, ohne weitere Rücksicht, alles,
was er sich durchzusetzen getraut. Der Schwächere kan
dies zwar auch; doch rather die Klugheit allerdings, dem

Stär-

Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
einzelnen Faͤllen entſagt, oder die ſogenanten Staats-
rechts-Servituten [ſervitutes juris publici] wovon in der
Folge Beiſpiele vorkommen werden. Das Herkommen
ſezt einen ſtilſchweigenden Vertrag zum Grunde, und
kann alſo auch hierinn gleiche Wuͤrkung hervorbringen a].

a] J. J. Moſers Verſuch am ang. O. S. 316.
*] Nie und nirgends, heißt es unter andern in dem Kriegs-
manifeſt der vereinigten Niederlande gegen Grosbritannien
von 1781, haben J. H. M. durch einige Tractaten
der Unabhaͤngigkeit des Staats entſagt, und ihr Intereſſe
dem Intereſſe Grosbritanniens ſo weit aufgeopfert, — daß
ſie zu einem Schritt gekommen ſeyn ſollten, wodurch ſie
auf irgend eine Weiſe fuͤr verbunden gehalten wer-
den koͤnten, ſich dem Gutduͤnken des Grosbritanniſchen
Hofes unterwerfen zu muͤſſen. Politiſches Journ. April
1781. S. 352.
§. 5.
Unrechtmaͤßige Einſchraͤnkung.

Macht und Anſehen koͤnnen von Rechtswegen auf die
Freiheit der Handlungen unter den Nazionen eben ſo
wenig Einflus haben, als auf ihre Unabhaͤngigkeit uͤber-
haupt. Der Staͤrkere hat kein Recht, dem Minder-
maͤchtigen vorzuſchreiben, oder zu verbieten. Dies ge-
ſchieht zwar auch gewoͤnlich eben nicht gerade zu; indes
wird ein ſchwaͤcherer Staat, aus Furcht vor dem ſtaͤr-
kern Nachbar, oͤfters genoͤthigt, etwas zu thun oder zu
laſſen, wozu er ſich auſſerdem nicht entſchloſſen haben
wuͤrde, und wozu er, nach dem ſtrengen Rechte, nicht
verbunden geweſen waͤre. Dahingegen unternimt der
Maͤchtige gemeiniglich, ohne weitere Ruͤckſicht, alles,
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dies zwar auch; doch rather die Klugheit allerdings, dem

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[283/0309] Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten. einzelnen Faͤllen entſagt, oder die ſogenanten Staats- rechts-Servituten [ſervitutes juris publici] wovon in der Folge Beiſpiele vorkommen werden. Das Herkommen ſezt einen ſtilſchweigenden Vertrag zum Grunde, und kann alſo auch hierinn gleiche Wuͤrkung hervorbringen a]. a] J. J. Moſers Verſuch am ang. O. S. 316. *] Nie und nirgends, heißt es unter andern in dem Kriegs- manifeſt der vereinigten Niederlande gegen Grosbritannien von 1781, haben J. H. M. durch einige Tractaten der Unabhaͤngigkeit des Staats entſagt, und ihr Intereſſe dem Intereſſe Grosbritanniens ſo weit aufgeopfert, — daß ſie zu einem Schritt gekommen ſeyn ſollten, wodurch ſie auf irgend eine Weiſe fuͤr verbunden gehalten wer- den koͤnten, ſich dem Gutduͤnken des Grosbritanniſchen Hofes unterwerfen zu muͤſſen. Politiſches Journ. April 1781. S. 352. §. 5. Unrechtmaͤßige Einſchraͤnkung. Macht und Anſehen koͤnnen von Rechtswegen auf die Freiheit der Handlungen unter den Nazionen eben ſo wenig Einflus haben, als auf ihre Unabhaͤngigkeit uͤber- haupt. Der Staͤrkere hat kein Recht, dem Minder- maͤchtigen vorzuſchreiben, oder zu verbieten. Dies ge- ſchieht zwar auch gewoͤnlich eben nicht gerade zu; indes wird ein ſchwaͤcherer Staat, aus Furcht vor dem ſtaͤr- kern Nachbar, oͤfters genoͤthigt, etwas zu thun oder zu laſſen, wozu er ſich auſſerdem nicht entſchloſſen haben wuͤrde, und wozu er, nach dem ſtrengen Rechte, nicht verbunden geweſen waͤre. Dahingegen unternimt der Maͤchtige gemeiniglich, ohne weitere Ruͤckſicht, alles, was er ſich durchzuſetzen getraut. Der Schwaͤchere kan dies zwar auch; doch rather die Klugheit allerdings, dem Staͤr-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/309>, abgerufen am 29.03.2024.