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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der Freiheit der Nazionen, ihre
§. 16.
Deren Bestimmung.

Bey Bestimmung dieser für die algemeine Ruhe der
großen Völkergeselschaft besorglichen Handlungen komt
es zuweilen blos auf gewisse angenommene Systeme und
besondere, bald auf längere, bald auf kürzere Zeit, ge-
schlossene Verbindungen unter den Hauptnazionen Euro-
pens an. Es giebt aber auch Unternehmungen, welche
durch ein beständiges Herkommen von den europäischen
Mächten zu allen Zeiten und unter allen Umständen dem
gemeinschaftlichen Interesse und der algemeinen Gesel-
schaft für nachtheilig angesehn worden sind a].

a] F. C. v. Moser am a. O. §. 15. u. f. S. 292.
§. 17.
Dahin gehören: Verletzung der Gerecht-
same anderer Nazionen
.

Die erste und rechtmäßigste Ursach, eine Nazion,
ihrer Handlung wegen, zur Rede zu stellen, ist alsdann
vorhanden, wenn dieselbe dadurch den Rechten einer
andern zu nahe tritt, oder wenigstens zu nahe zu treten
scheint; wenn sie den unter ihnen vorhandenen Verträ-
gen geradezu oder unmittelbar zuwiderhandelt a], und
Schuldigkeiten unterläßt, die auf Verträge b], oder
auch nur auf ein gültiges Herkommen beruhen.

a] F. C. v. Moser am a. O. §. 22. S. 297. Als in der
spanischen Kriegserklärung gegen Grosbritannien 1739
einige dem französischen Hofe bedenkliche Stellen eingeflos-
sen waren, gab derselbe Spanien in einem Memorie zu
erkennen: Nachdem in der -- publicirten Kriegsankündi-
gung sich Stellen finden, welche den zwischen Frankreich
Von der Freiheit der Nazionen, ihre
§. 16.
Deren Beſtimmung.

Bey Beſtimmung dieſer fuͤr die algemeine Ruhe der
großen Voͤlkergeſelſchaft beſorglichen Handlungen komt
es zuweilen blos auf gewiſſe angenommene Syſteme und
beſondere, bald auf laͤngere, bald auf kuͤrzere Zeit, ge-
ſchloſſene Verbindungen unter den Hauptnazionen Euro-
pens an. Es giebt aber auch Unternehmungen, welche
durch ein beſtaͤndiges Herkommen von den europaͤiſchen
Maͤchten zu allen Zeiten und unter allen Umſtaͤnden dem
gemeinſchaftlichen Intereſſe und der algemeinen Geſel-
ſchaft fuͤr nachtheilig angeſehn worden ſind a].

a] F. C. v. Moſer am a. O. §. 15. u. f. S. 292.
§. 17.
Dahin gehoͤren: Verletzung der Gerecht-
ſame anderer Nazionen
.

Die erſte und rechtmaͤßigſte Urſach, eine Nazion,
ihrer Handlung wegen, zur Rede zu ſtellen, iſt alsdann
vorhanden, wenn dieſelbe dadurch den Rechten einer
andern zu nahe tritt, oder wenigſtens zu nahe zu treten
ſcheint; wenn ſie den unter ihnen vorhandenen Vertraͤ-
gen geradezu oder unmittelbar zuwiderhandelt a], und
Schuldigkeiten unterlaͤßt, die auf Vertraͤge b], oder
auch nur auf ein guͤltiges Herkommen beruhen.

a] F. C. v. Moſer am a. O. §. 22. S. 297. Als in der
ſpaniſchen Kriegserklaͤrung gegen Grosbritannien 1739
einige dem franzoͤſiſchen Hofe bedenkliche Stellen eingefloſ-
ſen waren, gab derſelbe Spanien in einem Memorie zu
erkennen: Nachdem in der — publicirten Kriegsankuͤndi-
gung ſich Stellen finden, welche den zwiſchen Frankreich
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[296/0322] Von der Freiheit der Nazionen, ihre §. 16. Deren Beſtimmung. Bey Beſtimmung dieſer fuͤr die algemeine Ruhe der großen Voͤlkergeſelſchaft beſorglichen Handlungen komt es zuweilen blos auf gewiſſe angenommene Syſteme und beſondere, bald auf laͤngere, bald auf kuͤrzere Zeit, ge- ſchloſſene Verbindungen unter den Hauptnazionen Euro- pens an. Es giebt aber auch Unternehmungen, welche durch ein beſtaͤndiges Herkommen von den europaͤiſchen Maͤchten zu allen Zeiten und unter allen Umſtaͤnden dem gemeinſchaftlichen Intereſſe und der algemeinen Geſel- ſchaft fuͤr nachtheilig angeſehn worden ſind a]. a] F. C. v. Moſer am a. O. §. 15. u. f. S. 292. §. 17. Dahin gehoͤren: Verletzung der Gerecht- ſame anderer Nazionen. Die erſte und rechtmaͤßigſte Urſach, eine Nazion, ihrer Handlung wegen, zur Rede zu ſtellen, iſt alsdann vorhanden, wenn dieſelbe dadurch den Rechten einer andern zu nahe tritt, oder wenigſtens zu nahe zu treten ſcheint; wenn ſie den unter ihnen vorhandenen Vertraͤ- gen geradezu oder unmittelbar zuwiderhandelt a], und Schuldigkeiten unterlaͤßt, die auf Vertraͤge b], oder auch nur auf ein guͤltiges Herkommen beruhen. a] F. C. v. Moſer am a. O. §. 22. S. 297. Als in der ſpaniſchen Kriegserklaͤrung gegen Grosbritannien 1739 einige dem franzoͤſiſchen Hofe bedenkliche Stellen eingefloſ- ſen waren, gab derſelbe Spanien in einem Memorie zu erkennen: Nachdem in der — publicirten Kriegsankuͤndi- gung ſich Stellen finden, welche den zwiſchen Frankreich und

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/322>, abgerufen am 25.04.2024.